Schichtwechsel: Die Vegetation der meisten tropischen Wälder ist vielerorts anders geschichtet als bisher angenommen, wie Forschende nun mithilfe von Weltraumlaser-Daten herausgefunden haben. Demnach nimmt die Dichte der meisten Regenwälder nicht zum Kronendach hin zu, sondern erreicht bereits bei rund 15 Metern einen einzigen Dichte-Peak. Das bedeutet auch, dass die Wälder und Baumkronen dem Sonnenlicht stärker ausgesetzt sind als bislang gedacht und daher womöglich noch anfälliger für steigende Temperaturen.
In den Baumkronen der Regenwälder leben die meisten Arten der Welt und doch wissen wir über diesen Lebensraum und die Struktur tropischer Wälder weniger als über die Oberfläche des Mars oder den Grund des Ozeans. Bislang wurde angenommen, dass sich die üppige Flora der Regenwälder in bestimmte vertikale Schichten einteilen lässt. Demnach ist die Vegetation sowohl auf halber Höhe als auch in den Baumkronen besonders dicht. Zwischen diesen beiden Peaks und zum Boden hin sollen wiederum dünner bewachsene Schichten liegen.
Ein Weltraumlaser kartiert die Tropen
Forschende um Christopher Doughty von der Northern Arizona University stellen diese Annahme nun allerdings in Frage, denn mithilfe modernster Methoden ist es ihnen erstmals gelungen, die Struktur aller großen Regenwälder der Erde zu analysieren. Die Daten dafür stammen von einem Weltraumlaser der NASA, der an der Internationalen Raumstation (ISS) befestigt ist. Im Zuge der GEDI-Mission (Global Ecosystem Dynamics Investigation) schießt dieser seit Ende 2018 tausende Male am Tag einen unsichtbaren Laserstrahl auf die Wälder der Erde.
Die Stärke und Form der Reflektion dieser Laserstrahlung gibt Aufschluss über die Dichte der Vegetation in den verschiedenen Höhen des Waldes. Auf diese Weise lässt sich eine 3D-Karte aller tropischen Wälder erstellen, die selbst einzelne Blätter und Äste erfasst und somit Aufschluss über die vertikale Vegetations-Struktur innerhalb der Wälder gibt. Mithilfe der GEDI-Daten konnten Doughty und seine Kollegen erstmals überprüfen, ob die bislang angenommene Vegetations-Struktur auch der Realität entspricht.
Realität folgt nicht dem Lehrbuch
Das Ergebnis: „Die häufigste Waldstruktur weist eine minimale Vegetationsdichte bei circa 40 Metern auf, gefolgt von einem Anstieg bis 15 Meter, gefolgt von einem Rückgang bis zur Bodenschicht“, berichten die Forschenden. In anderen Worten: Anders als bislang angenommen haben die meisten tropischen Wälder zwar einen Dichte-Peak in einer Höhe von 15 Metern, aber keinen zweiten im Kronendach. Der Auswertung von Doughty und seinem Team zufolge trifft das auf 80 Prozent des Amazonas-Regenwaldes und auf 70 Prozent der Wälder in Südostasien sowie dem Kongobecken zu.
„Es war wirklich überraschend, die Dominanz dieses Strukturtyps zu sehen, weil er sich von dem unterscheidet, was wir in den klassischen Lehrbüchern zu diesem Thema gelesen hatten“, so Doughty. Lehrbuchhafte Strukturtypen mit zwei Dichte-Peaks, bei denen das Kronendach die dichteste Vegetationsschicht bildet, fanden die Forschenden zwar ebenfalls, doch sie waren selten. Doughty und seine Kollegen konnten diese Wuchsart nur bei rund drei bis sechs Prozent der tropischen Waldfläche ausmachen.
Folgen lichter Kronendächer unbekannt
Insgesamt bedeuten die Studienergebnisse aber auch, dass die tropischen Kronendächer vielerorts deutlich lichter sind als gedacht und somit auch anfälliger für steigende Temperaturen. Wie die in diesen luftigen Höhen lebenden Tiere mit dem möglichen Hitzestress umgehen, ist noch unklar. Doch Doughty geht davon aus, dass die GEDI-Daten dabei helfen werden, mehr über ihre Lebensweise und Anpassungen an den Klimawandel zu erfahren.
Die Laserscans könnten außerdem nützlich dabei sein, die Kohlenstoffspeicher-Leistung der Wälder und somit ihren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel genauer zu ermitteln. (Environmental Research Ecology, 2023; doi: 10.1088/2752-664X/ace723)
Quelle: Northern Arizona University