Planetare Schichtung: Der innerste Kern der Erde ist offenbar weniger einheitlich aufgebaut als gedacht – er könnte sogar eine Schichtstruktur aufweisen, wie neue Analysen von seismischen Messdaten nahelegen. Diese deuten auf eine unregelmäßige Struktur und nach innen zunehmende Inhomogenitäten hin. Dadurch zeigt der Innenkern eine subtile Schichtung, die für ein erst schnelles, dann deutlich langsameres Wachstum des Kerns in der Planeten-Frühzeit spricht, wie Forschende in „Nature“ berichten.
Der Erdkern ist für unseren Planeten und alles Leben auf ihm entscheidend. Denn er liefert die innere Hitze für alle geologischen Prozesse und erzeugt das schützende Erdmagnetfeld. Für letzteres sorgt die Zweiteilung des Erdkerns in einen flüssigen äußeren und einen festen inneren Kern. Doch gerade dieser Innenkern gibt noch einige Rätsel auf. So ist strittig, wann er erstarrte, welche leichten Elemente es in ihm gibt und wie er strukturiert ist – einigen Studien zufolge könnte es eine Art innersten Innenkern geben.
Wellenstreuung verrät Kern-Textur
Jetzt gibt eine weitere neue Erkenntnis zum inneren Erdkern: Er könnte eine schichtartige Textur besitzen, wie Guanning Pang von der University of Utah und seine Kollegen herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten sie die Daten von 20 seismischen Messstationen des International Monitoring System (IMS) ausgewertet. Diese Messstationen dienen primär der Überwachung von Kernwaffentests, zeichnen aber auch die Erschütterungen natürlicher Erdbeben auf, darunter auch solche Wellen, die durch den Erdkern gelaufen sind.
Die IMS-Messstationen bestehen aus jeweils mehreren Seismometern, die in Bohrlöchern im Untergrund versenkt sind. Durch ihre Art und Anordnung sind sie optimal dafür geeignet, die kurzwelligen p-Wellen ferner Beben einzufangen. Pang und sein Team haben Daten zu 2.455 Erdbeben der Magnitude 5,7 und höher ausgewertet, die von den über den gesamten Globus verteilten Messstationen aufgezeichnet worden sind. Diese Seismogramme untersuchten sie auf die subtilen Streueffekte des inneren Kerns hin.
„Dieses Signal des inneren Kerns ist wirklich winzig und bewegt sich im Nanometerbereich“, erklärt Pangs Kollege Keith Koper. „Im Prinzip suchen wir hier nach der Nadel im Heuhaufen.“ Doch die Dauer, Form und Intensität dieser Innenkernstreuung kann verraten, wie der Innenkern des Planeten strukturiert ist.
Strukturelle Unregelmäßigkeiten
Die Auswertungen der Seismometer-Daten enthüllten, dass der Innenkern ein weit weniger homogenes Streuungsmuster verursacht als erwartet. „Die lange Dauer der Innenkernstreuungen kann nicht durch eine dünne, streuende Kruste auf dem Innenkern erklärt werden“, berichten die Forschenden. „Stattdessen muss es bis tief in den inneren Kern hinein eine Heterogenität geben.“ Diese Unregelmäßigkeiten in der Textur reichen von der Grenze des Innenkerns bis in Tiefen von mindestens 500 bis 800 Kilometer darunter.
„Dies bestätigt erstmals, dass es diese Art der Heterogenität überall im inneren Erdkern gibt“, sagt Pang. Dabei zeigen sich in den oberen rund 150 Kilometern des Innenkerns besonders deutliche regionale Unterschiede. „Unter Südostasien, dem nördlichen Lateinamerika und dem Süden Neuseelands ist die Streuung besonders stark, ebenso im Nordosten Eurasiens“, berichten die Forschenden. In tieferen Bereichen des Innenkerns werden die Inhomogenitäten insgesamt stärker, die lateralen Unterschiede nehmen jedoch etwas ab.
„Unsere größte Entdeckung ist jedoch, dass diese Unregelmäßigkeiten stärker werden, je tiefer man kommt“, sagt Koper. Demnach ist die Textur des inneren Erdkerns in seinem Zentrum unregelmäßiger und „gekörnter“ als weiter außen. „Die durchschnittliche Streuungsstärke ist 700 Kilometer unter der Innenkerngrenze rund sechsmal höher als in nur 200 Kilometer Kerntiefe“, berichten die Wissenschaftler.
Wachstumsringe spiegeln Kristallisations-Tempo wider
Nach Ansicht der Forschenden spricht dies dafür, dass der Innenkern der Erde leicht unterschiedlich strukturierte Schichten aufweist. Diese subtile Schichtung des inneren Erdkerns könnte ein Relikt aus der Frühzeit unseres Planeten sein – aus der Phase, in der der feste Innenkern entstand. „Wir denken, dass diese Textur damit zusammenhängt, wie schnell der Innenkern gewachsen ist“, sagt Pang. Gängigen Theorien zufolge bildete sich der feste innere Kern der Erde, indem die glutflüssige Eisenlegierung so weit abkühlte, bis eine Kristallisation einsetzte.
Diese Kristallisation könnte anfangs, nach Erreichen der nötigen Bedingungen, schneller abgelaufen sein als in späteren Phasen: „Nachdem der Innenkern die Nukleationsbarriere überwunden hatte, wuchs er zunächst sehr schnell“, erklärt Koper. „Dann erreichte die Kristallisation ein Gleichgewicht, durch das sich der Prozess verlangsamte.“ Das unterschiedliche Tempo der Kristallisation wirkte sich auf die Anordnung, Form und Größe der Metallkristalle aus – und blieb wie eine Art Wachstumsringe in der Innenkerntextur erhalten. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06213-2)
Quelle: University of Utah