Um auf Dauer für Klimaextreme gerüstet zu sein, müssen Städte an ihre Substanz gehen – an ihre Bauvorhaben, die Flächennutzung und das Stadtgrün. Denn die klassische Innenstadt aus dichter Bebauung, Beton- und Glasfassaden, geteerten Straßen und Parkplätzen und kaum Grün die Folgen von Hitze und Starkregen schlimmer macht. In Anpassung an den Klimawandel müssen die meisten Städte daher umgebaut werden. Das Motto lautet: mehr Blau und Grün in die Stadt.
Klimakartierung: Wo sind die Hotspots?
Bevor es mit solchen Maßnahmen jedoch losgehen kann, muss erst einmal der Ist-Zustand erfasst werden. Er zeigt, wo im Stadtgebiet Problemzonen mit besonders starkem Hitzestau oder schlechtem Abfluss von Wasser bestehen. Für Städte wie Bochum, Oberhausen, Bottrop und Düsseldorf haben Forschende um Monika Steinrücke von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) eine solche Kartierung schon vor mehreren Jahren vorgenommen. Dafür nutzen sie bestehende Klimamessanlagen und stellen zusätzlich über das gesamte Stadtgebiet verteilt vorübergehende mobile Klimastationen auf, die unter anderem Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind messen.
Ergänzt werden die Aufzeichnungen der Klimastationen mit Messfahrten durch das gesamte Stadtgebiet. Mit diesen Daten und ergänzenden Daten zur Bebauung, Begrünung und weiteren Faktoren fertigen die Wissenschaftler dann eine Klimakarte für die Stadt an. Sie dient als Grundlage für die Entwicklung eines individuellen Anpassungskonzepts – denn jede Stadt ist anders. Dafür analysieren die Forschenden, wo sich etwas verbessern lässt und welche Maßnahmen am besten dafür geeignet sind.
Auf Stadtebene: Kühlende Luftschneisen
Die Konzepte zur Anpassung einer Stadt an die zunehmenden Hitzeperioden setzen auf drei Ebenen an: auf der gesamtstädtischen Ebene, der Stadtviertelebene und der Gebäudeebene. Bei der gesamtstädtischen Ebene überprüfen die Klimatologen beispielsweise die Belüftung der Stadt durch Luftschneisen aus dem Umland. „Man darf sich das nicht wie einen kräftigen Wind vorstellen, sondern eher wie eine Kriechströmung, die sehr sensibel reagiert“, erklärt Steinrücke.
Sie und ihre Kollegen untersuchen die Strömungen mithilfe von Nebelmaschinen. Diese stellen sie an Freiflächen im Stadtgebiet auf, wo die Luft kälter ist. Der Nebel kriecht langsam um jeden Grashalm und über jeden Hügel Richtung Stadt. Schafft es die Strömung zum Beispiel über Bahnstrecken bis in das Innenstadtgebiet, kühlt sie dort die überhitzte Luft ab. Solche Schneisen zu ermöglichen und freizuhalten ist ein wichtiger Punkt in der Stadtplanung. Denn sogar Parks und Bäume an der falschen Stelle können die gesamte Frischluftströmung stoppen.
Im Viertel: Mehr Grün und mehr Wasser
Auf der nächsten Ebene, im Stadtviertel, geht es vor allem um Begrünung. Bäume liefern Schatten und verhindern, dass Straßen und Häuser sich aufheizen. Dadurch strahlen die Betonflächen weniger Wärme ab und die Lufttemperatur sinkt vor allem nachts. Gleichzeitig wirkt ein Baum wie eine natürliche Klimaanlage: An einem sonnigen Tag kann schon ein größerer Straßenbaum bis zu 400 Liter Wasser verdunsten. Dadurch erhöht er die Luftfeuchtigkeit im Schattenbereich seiner Krone um rund zehn Prozent. Weil das Wasser beim Verdunsten Wärme verbraucht, kühlt der Baum gleichzeitig seine Umgebung um bis zu drei Grad ab.
Städtische Parks, Wäldchen und Gärten wirken gleich gegen zwei Klimagefahren: Sie nehmen bei Starkregen viel Wasser auf und verhindern so Überflutungen, gleichzeitig bilden sie bei Hitze Kälteinseln im heißen Asphaltdschungel. Auch Teiche, Seen oder Wasserflächen in Form von künstlichen Bachläufen oder Springbrunnen wirken kühlend. Dabei sind mehrere kleinere Parks für das Stadtklima günstiger als nur ein großer Stadtpark, wie Studien zeigen. Denn die Kühlwirkung einer Grünanlage reicht nur wenig mehr als hundert Meter weit. Verteilen sich dagegen viele kleine Grünflächen mit wenigstens einem Hektar Größe über das Häusermeer, ist die Kühlwirkung auf die gesamte Stadt deutlich besser.
Ebenfalls eine wichtige Rolle spielt die Beschattung von Fuß- und Radwegen. Denn wenn Menschen während einer Hitzewelle erst hunderte Meter in der prallen Sonne zum nächsten Park oder öffentlichen Kühlungsraum laufen müssen, kann dies gerade für Kinder und Ältere schon zu viel sein. „Fuß- und Radwegverbindungen zu Erholungsorten sollten auch auf ihre Verschattung beziehungsweise den Hitzestress überprüft werden“, sagt der Bau- und Umweltingenieur Jörn Birkmann von der Universität Stuttgart. „In Ludwigsburg konnten weniger als ein Fünftel der Erholungsorte durch kühle Wegeverbindungen erreicht werden.“
Am Gebäude: Helle Farben und Bewuchs
„In der Innenstadt ist natürlich nicht immer Platz, um einen neuen Park anzulegen“, räumt Steinrücke ein. „Allerdings gibt es eine Alternative: Man kann Hausfassaden und Dächer begrünen.“ Dies leitet direkt zur dritten Ebene über: den Gebäuden. Denn auch Dach- und Fassadenbegrünungen tragen dazu bei, dass Häuser und Garagen die Hitze des Tages weniger speichern und die Luft eine Chance hat, nachts abzukühlen. In Singapur beispielsweise werden selbst die Fassaden von Hochhäusern konsequent begrünt, bis zum Jahr 2030 sollen dort 50 Hektar an „hängenden Gärten“ auf Dächern, Fassaden oder Balkonen entstehen.
Bei den Gebäuden selbst könnten sich deutsche Städte ein Beispiel an mediterranen Gegenden nehmen: Dort sind die Häuser weiß bis beige und reflektieren daher einen Großteil der Sonneneinstrahlung. Die Mauern heizen sich dadurch weniger stark auf als eine dunklere Fassade. Helle, dicke Wände können dadurch selbst ohne Klimaanlage ein halbwegs erträgliches Raumklima im Inneren schaffen. Ebenfalls hilfreich gegen die Hitze sind nach Süden vorspringende Dächer. Sie schirmen die Fassaden im Sommer gegen die hochstehende Mittags- und Nachmittagssonne ab. Im Winter, wenn die Sonne tiefer steht, können ihre Strahlen dagegen die Gebäude erreichen und erwärmen.
„Und auch bei der Dachabdeckung und dem Straßenbelag gibt es Unterschiede: Hellrote Dachziegel speichern bedeutend weniger Wärme als schwarze, und heller statt dunkler Asphalt kann im Sommer eine Differenz von bis zu 20 Grad ausmachen“, sagt Steinrücke. Eine Solaranlage auf dem Dach hat dabei sogar eine doppelt positive Wirkung: Sie liefert Strom, beschattet aber gleichzeitig auch die darunter liegende Dachfläche. Dadurch heizen sich Dach und Dachstuhl weniger stark auf.
So weit die Theorie, aber wie sieht es mit der Umsetzung aus?