Im Grunde ist schon lange klar, wie Städte aussehen müssten, um besser gegen Hitze gewappnet zu sein. Umgesetzt wurde davon jedoch bisher kaum etwas. Oft liegt dies daran, dass wirtschaftliche Interessen dem entgegenstehen, aber auch das deutsche Baurecht und die damit verknüpfte Bürokratie erweisen sich häufig als Hemmschuh. Und nicht zuletzt spielen auch der Föderalismus und der notorische Geldmangel der Kommunen eine Rolle.
Ein großer Faktor ist allerdings auch die Zeit: „Die Klimaanpassung der Städte ist im Gange, geht aber nur langsam voran. Da Städte und Gebäude oft für Jahrzehnte oder gar für Jahrhunderte geplant werden, ist es naturgemäß schwierig, in existierenden Städten schnell Änderungen herbeizuführen“, erklärt der Öko-Klimatologe Stefan Emais. „Der Wert von mehr Grün und mehr Wasser im Stadtbereich ist eindeutig erkannt, die Umsetzung kostet im Bestand aber Zeit.
Chancen bei Neubauprojekten
Mehr Möglichkeiten gibt es dort, wo größere Neubauten oder ganze Neubaugebiete geplant werden, beispielsweise auf Freiflächen am Stadtrand oder auf Industriebrachen in der Innenstadt. „Hier können Maßnahmen in wenigen Jahren realisiert werden“, so Emais. Das setzt allerdings voraus, dass bei Eigentümern und Planern das nötige Wissen vorhanden ist – und auch der Wille, klimagerecht zu bauen. Ein Beispiel: „Die Wirkung von Frischluftschneisen ist bekannt, wird aber immer noch zu oft Einzelinteressen bei der Bauplanung untergeordnet“, erklärt der Öko-Klimatologe.
An diesem Punkt sind auch Stadtverwaltungen und Behörden gefragt. Sie könnten beispielsweise dafür sorgen, dass Bauprojekte mit öffentlichen Geldern bestimmte Klimaanpassungen berücksichtigen und Ausschreibungen entsprechend formuliert werden. Ein weiterer Punkt: „Die Bauvorschriften und Bauordnungen sind häufig sehr konservativ und ändern sich nur langsam. Bestimmte Maßnahmen – beispielsweise helle Dachziegel – werden dadurch verhindert, obwohl sie sehr sinnvoll wären“, erklärt Emais. „Technische Normen und Richtlinien müssen im Sinne eines Hitzeschutzes überprüft und gegebenenfalls so rasch wie möglich geändert werden.“
Kommunen fehlt oft das Geld
Ein weiterer Hemmschuh ist das Geld: Weil die Klimaanpassungen Sache der Landkreise und Kommunen sind, müssen sie den Hauptanteil der Kosten dafür stemmen. In der Untersuchung von Correktiv, WDR, NDR und BR im Sommer 2023 gaben viele befragte Landkreise an, als notwendig erkannte Maßnahmen nicht umzusetzen, weil das Geld fehlt. Dazu gehören Maßnahmen wie die Entsiegelung und Begrünung von Flächen gegen Hitze und Starkregen, aber auch die Finanzierung von Fördergeldern für private Eigentümer und Gebäudebesitzer, um diese beim klimagerechten Umbau zu unterstützen.
„Wir müssen die Aufgaben besser verteilen. Haushaltsschwache Kommunen können plötzlich die teuersten Maßnahmen finanzieren müssen. Das kann nicht sein. Hier muss die Politik für Ausgleich sorgen und mehr Solidarität in gemeinschaftlichen Aufgaben schaffen“, kommentiert die Bauphysikerin und Architektin Lamia Messari-Becker von der Universität Siegen. Dies gelte für Anpassungen gegen Hitze ebenso wie für Maßnahmen gegen Starkregen und Überschwemmungen.
Nationale Aufgabe statt lokales Problem?
„Wir müssen die gebaute Umwelt – Gebäude, Außenraum und Städte – klimawandelresilienter hinbekommen“, sagt Messari-Becker: „Neben dem Klimaschutz muss die Politik die Klimaanpassung endlich zur nationalen Aufgabe erheben. Wir brauchen einen Dreiklang: Schutz kritischer Infrastrukturen, räumliche und städtebauliche Anpassung und Schadensminimierung.“
Ähnlich sieht es Christian Kuhlicke, Leiter der Arbeitsgruppe Umweltrisiken und Extremereignisse am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig: „Die Konzepte liegen vor und die Maßnahmen sind bekannt, aber die Umsetzung lahmt. Viele Eigentümer werden allein gelassen. Weder wird genügend informiert und aufgeklärt, noch wird Gebäudeschutz belohnt. Es wäre an der Zeit, ein groß angelegtes Klimaanpassungsprogramm für Gebäude auf den Weg zu bringen. Klimaanpassung sollte nicht die Kür für jeden Einzelnen sein, sie sollte zur alltäglichen Selbstverständlichkeit werden.“