Raumfahrt

NASA will mit Atomantrieb zum Mars

Auftrag für nukleargetriebene Rakete erteilt, erster Weltraumtest im Jahr 2027

atomgetriebene Rakete
Schon im Jahr 2027 will die NASA eine erste atomgetriebene Rakete im Weltraum testen. © NASA

Renaissance nach 50 Jahren: Die NASA hat die Idee von atomgetriebenen Raumschiffen wiederentdeckt – Raketen, deren Treibstoff durch Atomreaktoren erhitzt und verdampft wird. Schon im Jahr 2027 soll eine erste Testrakete mit nuklearem Antrieb im Orbit getestet werden, die Aufträge dafür wurden vor wenigen Tagen erteilt. Weil die nuklearthermischen Antriebe effizienter sind als chemische Raketentriebwerke, sollen sie die Flugzeit für künftige bemannte Missionen zum Mond und Mars verringern.

Die Idee entstand schon in der Ära von Robert Oppenheimer und dem Manhattan Project: Schon 1945 gab es erste Pläne, die Energie der Kernspaltung auch für Antriebe von Flugkörpern zu nutzen. 1955 startete dann das US-Militär ein Projekt mit dem Ziel, Reaktoren für Raketentriebwerke zu entwickeln. Dafür forschten Wissenschaftler in den Laboratorien von Los Alamos an ersten Konzepten für solche nuklearthermischen Antriebe. 1959 übernahm die NASA das Projekt und die Forschung konzentrierte sich nun auf die Nutzung atomgetriebener Raketen für die zivile Raumfahrt.

Test des nuklearen Kiwi-Triebwerks
Vorbereitung für den Test eines ersten nuklearthermischen Raketentriebwerks in Los Alamos im Jahr 1959. © NASA/ Glenn Research Center

Atomreaktor als Antrieb: das NERVA-Projekt

Kern des nuklearthermischen Antriebskonzepts bildet ein kleiner Atomreaktor, der sich durch die Kernspaltung auf mehr als 2.600 Grad aufheizt. Diese Hitze lässt den flüssigen Raketentreibstoff – beispielsweise flüssigen Wasserstoff – explosiv verdampfen und erzeugt so den nötigen Schub für den Antrieb. Erste Reaktoren für diesen Zweck wurden bereits 1959 und 1960 auf dem US-Atomtestgelände in Nevada getestet, ein erstes experimentelles Raketentriebwerk, das NERVA XE, absolvierte im Jahr 1969 mehrere Tests.

Doch nachdem die USA den Wettlauf zum Mond mit dem Apollo-Programm gewonnen hatten, geriet der Atomantrieb für Raketen ins Abseits. 1973 wurde das NERVA-Projekt mangels Finanzierung eingestellt – kurz bevor erste Testflüge mit einer atomgetriebenen Rakete stattfinden konnten. Geplant war dabei, die Kernspaltung und damit den Atomreaktor erst nach erfolgreichem Start als Raketenoberstufe zu nutzen – um das Risiko beim Start zu verringern.

Neuauflage für bemannte Marsflüge

Jetzt erlebt der atomgetriebene Raketenantrieb eine Renaissance: Die NASA und die dem Verteidigungsministerium unterstellte DARPA haben bereits im Januar 2023 das DRACO-Programm (Demonstration Rocket for Agile Cislunar Operations) lanciert, das einen nuklearthermischen Antrieb für künftige Mond- und Marsflüge entwickeln soll. „Zwar ist die Rückkehr von Menschen zum Mond mit dem Artemis-Programm die unmittelbare Priorität der NASA, aber wir investieren auch in Technologien, die bemannte Missionen zum Mars ermöglichen sollen“, erklärte NASA-Administrator Bill Nelson.

Die nuklearen Raketenantriebe sollen die Flugzeit zu Mond und Mars erheblich verkürzen und so die bemannte Erkundung und Versorgungsflüge erleichtern. „Mit der Hilfe dieser neuen Technologie könnten Astronauten schneller als je zuvor ins All und zurück gebracht werden“, sagt Nelson. „Das ist ein Schlüsselfaktor für bemannte Missionen zum Mars.“ Der Atomantrieb könnte es ermöglichen, Missionen auch außerhalb der alle zwei Jahre eintretenden günstigsten Konstellation von Erde und Mars zu lancieren.

nuklearthermischer Antrieb
Schema eines nuklearthermischen Raketenantriebs aus dem Jahr 1970. © NASA/ Glenn Research Center

Optimierter Antrieb mit HALEU-Uran

Möglich wird dies durch die höhere Schubkraft und den geringeren Treibstoffbedarf des atomaren Antriebs. „Ein nuklearthermische Rakete erreicht einen ähnlich hohen Schub wie der chemische Antrieb, ist aber zwei bis dreimal so effizient“, erklärt NASA-Programm-Managerin Tabitha Dodson. Anders als beim alten NERVA-Projekt sollen die neuen Atomantriebe auf neuesten Erkenntnissen der Kernforschung basieren.

Als Kernbrennstoff für die Raketen-Reaktoren soll hochgradig schwachangereichertes Uran (HALEU) dienen. Bei diesem Kernbrennstoff ist das Uran stärker mit Uran-235 angereichert als bei gängigen Atomkraftwerken der Fall. Statt maximal fünf Prozent liegt der Anteil des leichter spaltbaren Uranisotops zwischen fünf und 20 Prozent. Dies ermöglicht es, bei gleicher Brennstoffmenge mehr Energie in Form von Hitze zu erzeugen. HALEU-Uran wird auch bei den umstrittenen nuklearen Kleinkraftwerken als Kernbrennstoff diskutiert.

„Neue Raumfahrtmaterialien und technische Fortschritte ermöglichen eine neue Ära für nukleare Raumfahrttechnologie“, sagt Jim Reuter von der NASA-Forschungsabteilung. „Wir können hier die Expertise nutzen, die wir durch frühere Antriebsprojekte erworben haben.“

Erster Weltraumtest für 2027 geplant

Die ersten konkreten Aufträge für das DRACO-Programm wurden vor wenigen Tagen, am 2. Juli 2023, vergeben. Außerdem gibt es erste Angaben zum Zeitplan. Demnach wird das Unternehmen BWX Technologies den Kernreaktor für das Raketentriebwerk entwickeln und umsetzen, die NASA konstruiert das DRACO-Triebwerk und Lockheed Martin wird die Rakete bauen und testen. Schon im Jahr 2027 soll dann die erste atomgetriebene Rakete im All getestet werden.

„Dieser Test wird ein entscheidender Schritt sein, um unsere Ziele für die bemannte Erkundung von Mond und Mars voranzutreiben“, sagt NASA-Vizeadministratorin Pam Melroy. Ähnlich wie bei den ursprünglichen Testplänen in den 1960er Jahren soll dabei der atomare Antrieb aus Sicherheitsgründen erst aktiviert werden, wenn die Rakete den Orbit erreicht hat und es keine unplanmäßigen Probleme gab. Die US-Raumfahrtagentur hat bisher rund 300 Millionen US-Dollar für das Projekt vorgesehen.

Quelle: NASA

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Uran - Wichtiger Rohstoff – strahlende Gefahr

Bikini-Atoll - Ein verlorenes Paradies und sein atomares Erbe

Bücher zum Thema

Das NASA-Archiv: 60 Jahre im All - von Piers Bizony, Roger Launius, Andrew Chaikin

Mythen der Atomkraft - Wie uns die Energielobby hinters Licht führt von Gerd Rosenkranz

Top-Clicks der Woche