Treibhausgas aus dem Meer: Geologen könnten die Ursache für das extreme Wärme-Maximum vor 55 Millionen Jahren gefunden haben. Bohrkerne aus dem Nordatlantik enthüllen, dass dort zahlreiche unterseeische Vulkanschlote entstanden, die große Mengen des potenten Treibhausgases Methan ausstießen, wie das Team in „Nature Geoscience“ berichtet. Weil diese hydrothermalen Schlote im damals noch flachen Wasser lagen, gelangte das Gas direkt in die Atmosphäre und heizte das Klima um fünf bis sechs Grad auf.
Vor 55 Millionen Jahren ereignete sich eine der schnellsten und stärksten Erwärmungen der Erdgeschichte: Innerhalb weniger tausend Jahre stiegen die globalen Mitteltemperaturen um fünf bis sechs Grad auf mehr als 24 Grad. Selbst die damals ohnehin eisfreien Polargebiete wurden tropisch-warm, es kam vor allem in den Ozeanen zu Massenaussterben. Was jedoch dieses Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum (PETM) auslöste, war bisher strittig. Klar ist, dass damals enorme Mengen an kohlenstoffhaltigen Treibhausgasen wie Methan und Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangten.
Doch es gibt mehrere Theorien dazu, woher diese Klimagase kamen und was ihre relativ abrupte Freisetzung verursachte. Lange favorisiert war ein Auftauen der methanhaltigen Gashydrate entlang der Kontinentalabhänge, aber auch ein Kometeneinschlag oder von der tektonischen Ausdehnung des Atlantiks ausgelöste Vulkanausbrüche gehören zu den Kandidaten.
Nordatlantische Vulkanprovinz im Verdacht
Im Jahr 2004 erhielt die Vulkanismus-Theorie neues Gewicht, als Forscher ausgedehnte Felder von Hydrothermalschloten entlang des mittelatlantischen Rückens entdeckten. Diese liegen im Bereich der Nordatlantischen Magmatischen Großprovinz (North Atlantic Igneous Province, NAIP), einem riesigen Flutbasalt-Vulkangebiet. Dieses entstand vor rund 55 Millionen Jahren, als der Nordatlantik durch Auseinanderweichen von Europa und Nordamerika entstand.
„Mehr als eine Million Jahre lang fanden damals einige der gewaltigsten Vulkanausbrüche der Erdgeschichte statt“, sagt Erstautor Christian Berndt vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Die geophysikalischen Beobachtungen zeigten, dass es allein am Plattenrand vor Norwegen mehr als 700 potenzielle hydrothermale Schlotkomplexe gab. Auch vor Grönland und in anderen Teilen der urzeitlichen Magmaprovinz gab es Hinweise auf vulkanische Aktivität. Allerdings blieb zunächst unklar, wann genau diese Schlote aktiv waren und welchen Klimaeffekt sie hatten – denn je nach Gasfreisetzung können Vulkanausbrüche auch das Klima kühlen.
Schlote waren zur passenden Zeit aktiv
Jetzt konnten Berndt und sein Team die fehlenden Daten sammeln. Im Rahmen einer Expedition des Integrated Ocean Drilling Program (IODP) haben sie das Vøring-Plateau, eines der großen Hydrothermalfelder vor der Küste Norwegens besucht und haben dort mithilfe des Bohrschiffs „JOIDES Resolution“ 20 Bohrproben entnommen. Fünf der bis in 200 Meter Tiefe getriebenen Bohrkerne wurden direkt in einem der heute erkalteten Hydrothermalschlote gewonnen. Dieser Modgunn Vent Krater ist rund 80 Meter tief in den Meeresgrund eingesenkt und ähnelt der unterseeischen Version eines vulkanischen Maars.
Die Analysen der Bohrkerne ergaben: Der angebohrte hydrothermale Schlot war tatsächlich vor rund 55 Millionen Jahren aktiv – kurz vor dem Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum. „Die Form des Kraters und die Sedimentschichten deuten darauf hin, dass es eine ausgedehnte, explosive Gasfreisetzung zu Beginn der Schlotbildung gab, auf die eine schnelle Verfüllung mit Sediment gab“, berichten die Forschenden. Der hydrothermale Schlot könnte demnach nach dem explosiven Ausbruch schnell kollabiert und verstopft worden sein. „Dieser Schlot war damit genau zur richtigen Zeit aktiv und seine explosive Bildung und schnelle Verfüllung passt zum plötzlichen Ausstoß hydrothermaler Fluide“, sagt Berndt.
Methan-Freisetzung direkt an der Wasseroberfläche
Das Überraschende jedoch: Die hydrothermalen Schlote des Vøring-Plateaus lagen damals in viel flacherem Wasser als heute, wie die Analysen enthüllten. Während der Modgunn Vent Krater heute in kilometertiefem Wasser liegt, war er damals von wahrscheinlich weniger als 100 Meter Wasser bedeckt. „Da das Modgunn-Feld nahe an der Plattengrenze und der Rift-Achse liegt, waren damals viele andere Schlote wahrscheinlich in ähnlich flachem Wasser oder ragten sogar über die Wasseroberfläche hinaus“, berichten die Forschenden.
Dies hatte weitreichende Folgen: „Das meiste Methan, das heute in der Tiefsee aus aktiven hydrothermalen Quellen in die Wassersäule gelangt, wird durch Oxidation schnell in klimatisch weit weniger wirksames Kohlendioxid umgewandelt“, erklärt Berndt. Wenn aber das Hydrothermalfeld vor 55 Millionen Jahren nahe der Wasseroberfläche lag, muss das meiste von den Schloten ausgestoßene Methan unverändert in die Atmosphäre gelangt sein.
„Täter“ gefunden?
Nach Ansicht des Forschungsteams bestätigt dies, dass die vulkanische Aktivität im Nordatlantik eine entscheidende Rolle für das Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum spielte. „Unsere Daten zum Timing und der Umgebung der vulkanischen Aktivität im nordöstlichen Atlantik liefern klare Belege für eine hydrothermale Gasfreisetzung unmittelbar vor Beginn des PETM“, schreiben Berndt und sein Team. „Daher trug dies wahrscheinlich entscheidend zur Auslösung der hyperthermischen Bedingungen bei.“
In Bezug auf die heutige Klimaerwärmung zieht Berndt vor allem zwei Schlüsse aus den Erkenntnissen: „Zum einen bestätigen sie nicht, dass die damalige Klimaerwärmung durch Gashydrat-Auflösung hervorgerufen wurde – eine Gefahr, die immer wieder diskutiert wird. Zum anderen zeigen sie aber auch, dass es viele Jahrtausende dauerte, bis sich das Klima auf natürliche Weise wieder abkühlte. Das Erdsystem war also im Stande sich selbst zu regulieren, aber nicht auf Zeitskalen, die für die heutige Klimakrise von Relevanz wären.“ (Nature Geoscience, 2023; doi: 10.1038/s41561-023-01246-8)
Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Nature