Chemie

Erste Ringe aus Sandwich-Molekülen erzeugt

Chemiker synthetisieren lange gesuchte Form von metallorganischen Schichtmolekülen

Cyclocen
Chemiker haben erstmals metallorganische Sandwich-Moleküle zu einem Ring geformt. © Nature / AOC, KIT

Endlich geschafft: Erstmals ist es Chemikern gelungen, metallorganische Sandwich-Moleküle zu einem Ring zusammenzusetzen – und so eine ganz neue, „Cyclocene“ getaufte Molekülform zu schaffen. Die ersten dieser Nanoringe bestehen aus 18 mehrstöckigen Molekülen, in denen sich organische Schichten mit Metallatomen wie Europium oder Lanthan abwechseln. Diese lange versuchte Ringform der metallorganischen Moleküle eröffnet nun neue Anwendungsmöglichkeiten in der Katalyse, Elektrochemie und weiteren Bereichen.

Ob als CO2-Fänger, Schadstofffilter, Superkleber oder Elektrodenmaterial in Batterien: Metallorganische Verbindungen sind eine wichtige und vielseitig einsetzbare Verbindungsklasse der Chemie. Eine besondere Rolle spielen dabei sogenannte Sandwich-Moleküle. In diesen vor rund 70 Jahren entwickelten Komplexmolekülen schließen zwei flache, ringförmige Kohlenwasserstoffverbindungen ein zentrales Metallatom ein – wie zwei Brotscheiben den Belag eines Sandwiches.

Ferrocen
Das Sandwich-Molekül Ferrocen besteht aus zwei ringförmigen Kohlenwasserstoff-Molekülen, die ein Eisenatom zwischen sich eingebunden haben. © Ben Mills/ gemeinfrei

Organische „Brotscheiben“ mit metallischer Füllung

„Diese Sandwich-Moleküle gehören zu den wichtigsten Verbindungsklassen der modernen metallorganischen Chemie“, erklärt Seniorautor Peter Roesky vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Zu ihnen zählt unter anderem das besonders stabile Ferrocen, für das es 1973 sogar den Chemie-Nobelpreis gab. Es besteht aus einem Eisenion und zwei fünfgliedrigen aromatischen organischen Ringen und wird in zahlreichen Anwendungen der Synthese, Katalyse, Elektrochemie und Polymerchemie genutzt.

Doch ein Problem gab es mit den chemischen „Brotscheiben“: Zwar lassen sich die Sandwich-Moleküle durch Hinzufügen weiterer Schichten von Metallatomen und organischen „Brotscheiben“ zu ganzen Stapeln, den sogenannten Multidecker-Sandwiches zusammenstellen. Diese Sandwich-Türme blieben aber immer gerade, gebogene Formen oder Ringe schienen trotz aller Versuche nicht möglich. „Wir konnten zwar Ketten formen, aber eben keine Ringe“, sagt Roesky.

18 halbe Sandwiches bilden einen Ring

Genau dies ist nun dem Team um Erstautor Luca Münzfeld vom KIT erstmals gelungen. Entscheidend dafür war eine eher zufällige Beobachtung: „Wir haben kürzlich die ersten Quadrupeldecker-Sandwiches erzeugt, die Metalle aus der Gruppe der Lanthanoide enthalten“, berichten sie. „Dabei bemerkten wir, dass die Stapel dieser Moleküle um etwa 20 Grad von der geraden Linie abwichen.“ Dies eröffnete die Chance, die metallorganischen Scheiben auch in gebogener Form zusammenzusetzen, möglicherweise sogar zum Ring.

Um dies zu erreichen, nutzten die Chemiker als Ausgangsmaterial „halbe“ Sandwiches, die jeweils aus nur einer organischen Schicht plus Metallatom bestanden. Als Metall-„Füllung“ verwendeten sie für ihre Experimente die Lanthanoide Samarium und Europium oder das Alkalimetall Strontium. Und tatsächlich: „Als wir das Lösungsmittel entfernten, ordneten sich die Halb-Sandwiches von selbst in eine 18-teilige Ringstruktur an“, berichten die Chemiker. Diese 3,8 Nanometer großen Ringe bestehen immer abwechselnd aus einem Metallatom und einer organischen Zwischenscheibe.

Neue Klasse von Verbindungen

Das sei eine Weltpremiere, erklären die Chemiker. „Wir haben damit den ersten Schritt in der Synthese einer ganz neuen Klasse von Verbindungen gemacht.“ In Anlehnung an das erste Sandwich-Moleküle Ferrocen haben sie diese Sandwich-Ringe „Cyclocene“ getauft. Wie Roesky und seine Kollegen erklären, eröffnen diese Ringe nun die Möglichkeit, neuartige funktionale Komplexmoleküle zu erstellen, beispielsweise als Bauteile für Nanokonstrukte, Molekülkäfige oder molekulare Kanäle.

Auch ganz neue Eigenschaften könnte mit der neuen Klasse der Cyclocene verknüpft sein. So zeigte der Nanoring mit Europium-Atomen als Metallschicht überraschenderweise eine orangefarbene Photolumineszenz. „Wie immer bei chemischen Synthesen werden bei weiterer Erforschung noch weitere Überraschungen folgen“, konstatieren Roesky und Koautor Florian Weigand von der Universität Marburg.

Man stehe bei dieser neuen Klasse von Sandwich-Molekülen noch ganz am Anfang. „Lassen sich andere Ringgrößen erstellen? Hat diese Nanostruktur ungewöhnliche physikalische Eigenschaften? Daran werden wir nun weiter forschen. Sicher ist nur, dass wir jetzt einen neuen Baustein im Werkzeugkasten der metallorganischen Chemie haben. Und das ist schon großartig“, sagt Roesky. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06192-4)

Quelle: Karlsruher Institut für Technologie

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