Kürzere Tage: Die Rotation des Mars ist nicht gleichbleibend, sondern beschleunigt sich – aktuell um rund vier Millibogensekunden pro Jahr, wie Messungen mithilfe der NASA-Marssonde Insight belegen. Damit verkürzt sich die Länge des Marstages um jährlich rund 0,76 Mikrosekunden – dies ist mehr als erwartet. Warum sich der Mars immer schneller dreht, ist noch unklar. Mögliche Ursachen könnten Veränderungen der polaren Eiskappen oder der Atmosphäre sein, aber auch Prozesse im Marsinneren, wie das Team in „Nature“ berichtet.
Die Rotation eines Planeten bestimmt, wie lang seine Tage sind und prägt viele seiner Eigenschaften. Doch sie bleibt nicht immer gleich – eine Vielzahl innerer und äußerer Faktoren kann sie beschleunigen oder verlangsamen. So sorgt beispielsweise die Anziehungskraft des Mondes dafür, dass sich die Erdrotation stetig verlangsamt, noch zur Zeit der Dinosaurier waren die Tage deswegen rund 30 Minuten kürzer. Aber auch die Jahreszeiten, die Eisschmelze und selbst Erdbeben können die Erdrotation beeinflussen. Unsere Tageslänge variiert dadurch um rund eine Millisekunde.
Interplanetare Funkverbindung als Messhelfer
Doch wie sieht es mit dem Mars aus? Im Schnitt dauert ein Tag auf dem Mars rund 24,6 Stunden – er ist demnach nur wenig länger als ein irdischer Tag, wie astronomische Messungen und Modelle zeigen. Um allerdings genauere Daten zur Eigendrehung des Roten Planeten zu erhalten, sind Messungen vor Ort nötig. Erste Messungen dieser Art wurden daher schon mithilfe der Viking-Sonden in den 1970er Jahren und dem Pathfinder-Lander in den späten 1990er Jahre durchgeführt.
Die Basis solcher Rotationsmessungen bildet die Funkverbindung zwischen Mars-Landesonde und Erde. Wenn ein Radiosignal von der Erde zur Marsoberfläche und zurück gesendet wird, beeinflusst die relative Bewegung des Sondenstandorts die Frequenz der Radiowellen. Bewegt er sich beispielsweise gerade auf die Erde zu, werden die Wellen gestaucht und kürzer, dreht die Marsrotation die Sonde gerade von uns weg, verringert sich die Frequenz – ähnlich wie beim Doppler-Effekt einer an uns vorbeifahrenden Polizeisirene.
Rechnet man Störfaktoren wie die Erdrotation und die relative Bewegung der beiden Planeten zueinander heraus, erlauben die subtilen Verschiebungen in den vom Mars empfangenen Funkwellen die Berechnung der Marsrotation.
Rotationsmessung mit Mars InSight
Um solche Messungen zu ermöglichen, war die Landesonde Mars InSight mit einem speziellen Ensemble aus Radiotransponder und Antennen ausgestattet, dem Rotation and Interior Structure Experiment (RISE). In Kombination mit den Radioantennen des Deep Space Network auf der Erde erlaubte RISE die Messung der Rotationsrate, der Präzession und weiterer Taumelbewegungen des Planeten mit fünfmal höherer Präzision als noch bei den Viking-Sonden.
Für ihre Studie haben Forschende um Sébastien Le Maistre vom Königlichen Observatorium Brüssel die Radiodaten von Mars InSight über 600 Tage hinweg ausgewertet. Ihr Ziel war es, die Rotationsrate des Roten Planeten genauer einzugrenzen, aber auch, aus winzigen Schwankungen der Rotationsachse und Drehung mehr Aufschlüsse über die innere Zusammensetzung des Planeten und insbesondere des Kerns zu erhalten. Denn das Schwappen eines flüssigen Kerns und die Massenverteilung im Mantel üben ebenfalls einen Einfluss auf die Planetenbewegung aus.
Marstage werden kürzer
Das Ergebnis der Messungen sind die bisher genauesten Daten zur Rotation des roten Planeten. Sie enthüllen, dass die Marsrotation nicht gleichbleibt, sondern sich leicht beschleunigt – um jährlich rund vier Millibogensekunden pro Jahr. „Dies ist um das Tausendfache mehr als allein durch die Gezeitenkräfte des Phobos und der verlangsamenden Wirkung der Sonne verursacht wird“, berichten die Forschenden.
Im Schnitt werden die Marstage dadurch um rund 0,76 Mikrosekunden pro Jahr oder 0,076 Millisekunden pro Jahrhundert kürzer. Zum Vergleich: Die Erdrotation hat sich in den letzten Jahrhunderten im Schnitt um 2,3 Millisekunden pro Jahrhundert verlangsamt. Allerdings wird dieser langfristige Trend der Erdrotation von kurzfristigeren Schwankungen überlagert – im Moment dreht sich die Erde dadurch sogar etwas schneller als es dem langfristigen Wert entspricht.
Ursachen noch unklar
Warum sich die Marsrotation beschleunigt, verraten die Messdaten allerdings nicht. „Diese Beschleunigung könnte einen Langzeittrend repräsentieren, der auf die interne Dynamik des Mars zurückgeht, aber auch auf Veränderungen in der Atmosphäre oder den Eiskappen des Mars“, mutmaßen Le Maistre und seine Kollegen. Ein möglicher Faktor wären beispielsweise jahreszeitliche Veränderungen: Im Nordwinter friert ein Teil des Kohlendioxids in der Marsatmosphäre über dem Nordpol aus und lässt die Eiskappe anwachsen. Auf der Südhalbkugel schrumpft die Eiskappe dagegen leicht.
Diese Verlagerung der Massen könnte ausreichen, um saisonale Veränderungen in der Rotationsrate des Mars hervorzurufen – auch bei der Erddrehung gibt es diesen Jahreszeiteneffekt. Er ist allerdings um eine Größenordnung stärker als beim Mars, wie Le Maistre und seine Kollegen erklären. Denkbar wäre ihrer Ansicht nach aber auch, dass die Marsrotation darüber hinaus einen längerfristigen Trend zeigt. Dieser könnte auf langsame Veränderungen des marsianischen Klimas und der Atmosphäre zurückgehen. Bisher lassen die Daten aber noch keine genauere Interpretation zu. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06150-0)
Quelle: NASA