Plasmabeschleuniger können Elektronen innerhalb weniger Zentimeter Strecke auf hohe Energien beschleunigen, die Justierung der Strahlparameter ist jedoch komplex und schwierig. Deshalb haben Physiker dafür jetzt ein KI-Modell trainiert und eingesetzt – mit Erfolg. Es gelang ihnen damit, die Strahleigenschaften nach Wunsch einzustellen, ohne dass der Elektronenstrahl auffaserte oder instabil wurde. Das könnte die Anwendung der kompakten, günstigen Mini-Beschleuniger entscheidend voranbringen.
Teilchenbeschleuniger sind bisher vor allem eines: riesig. Um Teilchen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit zu bringen, benötigen sie große supraleitende Magneten in kilometergroßen Beschleunigerringen. Doch es geht auch anders: Laser-Plasmabeschleuniger können Elektronen auf wenigen Zentimetern Strecke bis in den Gigaelektronenvolt-Bereich beschleunigen. Dafür nutzen sie kurze, energiereiche Laserpulse, die in einen engen Kanal mit Plasma geschossen werden. Wie ein Schnellboot auf dem Wasser erzeugt der Laserpuls Kielwellen, auf denen die freien Elektronen des Plasmas mitgerissen und beschleunigt werden.
Jonglieren mit vielen Bällen gleichzeitig
Das Problem jedoch: Die Steuerung der Teilchenstrahlen ist bei Plasmabeschleunigern eine Herausforderung. „Weil die Beschleunigung auf sehr kleinem Raum stattfindet, beeinflussen sich die verschiedenen Einstellmöglichkeiten gegenseitig“, erläutert Seniorautor Andreas Maier vom Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY. Bei großen konventionellen Teilchenbeschleunigern lassen sich diese Eigenschaften leichter einstellen, weil sie nicht so empfindlich auf Änderungen der Betriebsparameter reagieren.
Bei den extrem kompakten Plasmabeschleunigern ist dies anders: „Ändern wir eine Eigenschaft des beschleunigten Elektronenpakets, etwa die Anzahl der Elektronen, kann dies leicht eine andere Eigenschaft beeinträchtigen wie beispielsweise ihre Verteilung der Energien“, sagt Maier. Um die verschiedenen Eigenschaften des Elektronenpakets auszubalancieren, müssen Physiker daher alle Einstellmöglichkeiten gleichzeitig justieren. Dabei den richtigen Kompromiss zwischen den vielen unterschiedlichen Parametern zu finden, ist jedoch heikel – und benötigt zu viel Zeit.
Lernfähiges Modell übernimmt Strahl-Tuning
An diesem Punkt kommt die künstliche Intelligenz ins Spiel: „Computer sind viel geschickter darin, sich in diesen hochdimensionalen Parameterräumen zurechtzufinden“, sagt Erstautor Sören Jalas vom DESY. „Für unseren Beschleuniger haben wir uns einer Methode bedient, die Bayessche Optimierung genannt wird. Dabei übernimmt im Grunde der Computer die Kontrolle über den Beschleuniger. Er probiert einige Konfigurationen der Maschine aus und misst die Parameter des Elektronenpakets, das der Beschleuniger ausspuckt.“
„Aus den Messungen generiert das lernfähige KI-System nach und nach eine Art Landkarte und findet somit die Parameterkurven, die uns zeigen, was wir einstellen müssen, um auf optimale Weise die Eigenschaften des Elektronenpakets zu bekommen, die wir gerade benötigen“, so Jalas. Denn je nach Anwendung und untersuchter Fragestellung werden Teilchenstrahlen unterschiedlicher Energie, Ladung oder Form benötigt.
Erste Tests erfolgreich
Wie gut sich der Elektronenstahl mithilfe des lernfähigen Programms steuern lässt, haben die Physiker am experimentellen Plasmabeschleuniger LUX des DESY ausprobiert. Dabei setzten sie als Ziel, die Beschleunigung und die Ladung des erzeugten Elektronenstahls zu verändern, ohne dass sich der Strahl aufweitete und unbrauchbar weit „zerfaserte“. Im Test ließen sie den Beschleuniger Energien von 150, 200 und 250 Megaelektronenvolt erzeugen und variierten die Ladung des Elektronenstrahls.
Und tatsächlich: Während der Strahl bei manueller Einstellung auffaserte, gelang es mithilfe der vom Computer ermittelten Einstellungen, ihn stabil zu halten. „Für 150 MeV war es beispielsweise möglich, die Strahlladung zwischen 50 und 130 Pikocoloumb (pC) zu variieren, und dabei dennoch eine optimale Energieaufweitung von weniger als fünf Prozent zu behalten“, berichten Jalas und seine Kollegen. Ähnliches sei wahrscheinlich auch für andere Strahlparameter möglich.
Anwendung rückt näher
Nach Ansicht der Physiker eröffnet die KI-Technologie damit neue Möglichkeiten, Plasmabeschleuniger zu kontrollieren und an die benötigten Strahlparameter anzupassen. „Dieser Einsatz des maschinellen Lernens rückt die Anwendung von Plasmabeschleunigern in greifbare Nähe und erweitert gleichzeitig die Einsatzmöglichkeiten der kompakten Anlagen“, betont Wim Leemans, Beschleunigerdirektor am DESY. (Physical Review Accelerators and Beams, 2023; doi: 10.1103/PhysRevAccelBeams.26.071302)
Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY