Neurowissenschaften

Manipulierte Wahrnehmung

Wie beeinflusst Hypnose unsere Sinne?

Die Wirkung der Hypnose erstreckt sich auch auf Bereiche jenseits des Gedächtnisses: Sie kann unsere Wahrnehmung verändern. Doch was steckt hinter diesen Hypnose-Wirkungen? Einige dieser Effekte haben Wissenschaftler inzwischen in Studien überprüft.

HYpnose-Studie
Studienteilnehmerin beim „Brett vorm Kopf“-Test. © Jan-Peter Kasper/ FSU

Brett vorm Kopf

Ob Hypnose tatsächlich beeinflussen kann, was wir sehen und was nicht, hat ein Team um Barbara Schmidt von der Universität Jena im Jahr 2017 untersucht. Dafür zeigten sie 60 Versuchspersonen auf einem Bildschirm eine Fülle an Dreiecken, unter die einige Quadrate gemischt waren – letztere sollten gezählt werden. Die Teilnehmenden waren zuvor mittels Vortests so ausgewählt worden, dass ein Drittel von ihnen gut auf eine Hypnose ansprach, ein Drittel mittelmäßig und der Rest kaum oder gar nicht.

Für den eigentlichen Test wurden die Testpersonen in Hypnose versetzt. „Anschließend suggerierten wir ihnen, dass vor ihren Augen ein Holzbrett schwebt, das ihnen die Sicht auf den Monitor versperrt“, berichten die Forschenden. Nun sollten die hypnotisierten Testpersonen die Quadratezähltests wiederholen. Während der verschiedenen Tests trugen die Teilnehmenden Elektrodenkappen, die ihre Hirnströme ableiteten und aufzeichneten.

Das Ergebnis: Ohne Hypnose erkannten und zählten die Testpersonen 90 Prozent der unter die Dreiecke gemischten Quadrate. Unter der hypnotischen Suggestion des „Bretts vorm Kopf“ änderte sich dies jedoch signifikant: Die zuvor als gut hypnotisierbar eingestuften Teilnehmenden zählten nur noch 50 Prozent der Quadrate und selbst bei den als relativ unempfänglich eingestuften sank die Trefferquote auf rund 80 Prozent. „Je realer den Probanden dabei das Brett vor dem Kopf erschien, desto stärker sank ihre Zählleistung ab“, berichten Schmidt und ihre Kollegen.

Ähnliche Veränderungen der visuellen Wahrnehmung zeigen auch andere Studien, in denen Testpersonen mittels Hypnose dazu gebracht wurden, graue Objekte als farbig oder bestimmte Formen in bestimmten Farben wahrzunehmen.

Tast-Test
Hypnotische Suggestion kann unser Tastempfinden verbessern oder verschlechtern. © RUB/ Damian Gorczany

Der Tast-Test

Und auch andere Sinne lassen sich mittels Hypnose beeinflussen: 2023 testete ein Team der Ruhr-Universität Bochum (RUB) dies für den Tastsinn und engagierte dafür eigens einen erfahrenen Hypnotiseur und Hypnotherapeuten. Dieser versetzte 25 Testpersonen in Trance und suggerierte ihnen währenddessen, ihr Zeigefinger sei fünfmal größer als normal oder aber fünfmal kleiner. In Kontrollversuchen erfolgte die Hypnose ohne diese Suggestionen.

Vor und nach der Hypnose absolvierten die Teilnehmenden einen gängigen Test ihres Tastsinns. Bei diesem liegt der Finger auf einer Apparatur mit zwei dünnen Metallstiften. „Wir können dabei zwei Berührungspunkte unterscheiden, wenn die Nadeln weit genug auseinander stehen“, erklärt Hubert Dinse von der RUB. Stehen die Nadeln hingegen sehr eng zusammen, kann unser Tastsinn sie nicht mehr trennen und wir spüren dies als nur einen Reiz. Die Grenze zwischen beiden ist individuell verschieden, aber bei jeder Person relativ stabil – normalerweise.

Doch die hypnotische Suggestion änderte dies: Wurde den Testpersonen suggeriert, ihr Zeigefinger sei fünfmal größer als normal, verbesserte sich auch ihr Tastsinn und sie konnten 0,1 Millimeter geringere Stiftabstände als zuvor als getrennte Reize wahrnehmen. Dieser Effekt trat bei Hypnose ohne Suggestion und auch bei Kontrollpersonen, denen dies im Wachzustand suggeriert worden war, nicht auf.

Hypnose gegen Schmerzen

Noch deutlicher sind die Wirkungen der Hypnose auf die Schmerzempfindung – ein Effekt, der schon vor tausenden von Jahren von Heilkundigen und Schamanen genutzt wurde. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts nutzte der schottische Chirurg James Braid hypnotische Suggestionen, um seine Patienten bei Operationen zu betäuben – damals gab es noch keine gut wirkenden chemischen Narkosemittel. Braid war es auch, der für diesen Zustand den Namen „Hypnose“ prägte.

Wird unter Hypnose suggeriert, ein verletzter oder schmerzender Körperteil sei taub und empfindungslos, dann kann dies tatsächlich gegen Schmerzen helfen – sofern die Patienten gut hypnotisierbar sind. 2019 ergab eine britische Metastudie, dass gut oder mittel auf Hypnose ansprechende Personen im Schnitt 29 bis 42 Prozent weniger Schmerzen empfanden als in Kontrollversuchen ohne Hypnose.

„Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass eine hypnotische Intervention vielen Menschen eine wirkungsvolle Schmerzlinderung verschaffen kann“, so das Fazit der Forschenden um Trevor Thompson von der University of Greenwich. „Hypnose könnte daher eine effektive und sichere Alternative zur pharmazeutischen Behandlung sein.“ Unter anderem deshalb ist die Hypnose in der Schmerzmedizin durchaus etabliert. Sie wird beim Zahnarzt eingesetzt, aber auch gegen andere akute und chronische Schmerzen, beispielsweise bei Patienten, die gängige Schmerzmittel nicht vertragen.

Doch worauf beruht diese Wirkung der Hypnose?

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Hypnose
Mythen und Fakten zu einem psychologischen Phänomen

Somnambule Marionetten
Hypnose in Fiktion und Geschichte

Mehr als nur Show
Wie funktioniert das Hypnotisieren?

Eingriff in die Psyche
Wie Hypnose auf Gedächtnis und Willen wirkt

Manipulierte Wahrnehmung
Wie beeinflusst Hypnose unsere Sinne?

Veränderte Muster
Was passiert bei der Hypnose im Gehirn?

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