Forscher / Entdecker

Expedition in den hohen Norden

Wie sich „Mikroben-WGs“ erforschen lassen

Das Nordpolarmeer ist und bleibt ein schwer zugänglicher Lebensraum. Eisige Temperaturen, Polarnacht- und tag sowie herumstreifende Eisbären machen es Mikrobenforschern nicht gerade leicht, an verlässliche Daten zu kommen. Wer hier oben Proben sammeln will, der braucht Widerstandsfähigkeit und eine hochmoderne Ausstattung.

Ovidiu und Oldenburg
Ovidiu Popa und Ellen Oldenburg bei Forschungsarbeiten auf einer Eisscholle. Im Hintergrund liegt die Polarstern vor Anker. © Ellen Oldenburg

Polarstern, ahoi!

Diese Erfahrung haben auch Ellen Oldenburg und Ovidiu Popa gemacht. Im vergangenen Jahr sind die beiden Wissenschaftler vom Institut für Quantitative und Theoretische Biologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) zu einer zweimonatigen Forschungsreise ins Nordpolarmeer aufgebrochen. Und zwar an Bord der „Polarstern“, des ikonischen Forschungseisbrechers des Alfred-Wegener-Instituts, dessen Expeditionen und Versorgungsfahrten ihn schon durch die ganze Welt geführt haben.

Auf der Polarstern finden 44 Crewmitglieder und 55 Wissenschaftler und Techniker unterschiedlichster Fachrichtungen Platz. Das Schiff ist mit neun wissenschaftlichen Laboren ausgestattet, in denen internationale Forschende unter anderem an biologischen, geologischen, chemischen, ozeanografischen und meteorologischen Fragestellungen arbeiten können. Oldenburg und Popa widmeten sich zusammen mit einem Biologen-Team der Fragestellung, wie sich die mikrobiellen Lebensgemeinschaften im Nordpolarmeer zusammensetzen.

Eiskante
Die Mikroben-WGs an der Eiskante geben Aufschluss über die Zukunft des Nordpolarmeeres. © Mario Hoppmann

Eiskante als Kristallkugel

Von besonderem Interesse waren dabei die „Mikroben-WGs“ an der Eiskante, also dem Übergang zwischen eisbedeckter Zone und offenem Wasser. „Die dort herrschenden wechselnden Bedingungen ähneln stark den sich rasch wandelnden Gegebenheiten in der zentralen Arktis, die auf die Klimaerwärmung zurückzuführen sind. Beispielsweise beobachtet man einen raschen Übergang von festem Eis zu schmelzendem Wasser und schließlich zum offenen Ozean“, erklärt Oldenburg, die gerade an der HHU promoviert.

Die Eiskante simuliert also gewissermaßen die Sommer der Zukunft, in denen das arktische Eis komplett schmelzen wird. Kennen wir die Mikrobenzusammensetzung der heutigen Eiskante, kennen wir auch die der künftigen Arktis.

Probenentnahme
Wann eine Probenentnahme anstand, wussten die Biologen oft nur einen Tag im Voraus. © Ovidiu Popa

Sonnenschein und Eisbären

Auf der Suche nach Antworten sind Oldenburg und Popa am 28. Juni 2022 an Bord der Polarstern gegangen und gen Norden aufgebrochen, zu einer Jahreszeit, in der die Sonne in der Arktis sechs Monate lang nicht untergeht. „Es ist den ganzen Tag hell, strahlender Sonnenschein“, berichtet Arktisforscherin Oldenburg. „Egal ob drei Uhr nachts oder zwölf Uhr mittags: Es sieht immer gleich aus. Man muss sich wirklich selbst daran erinnern, wann man schlafen gehen muss und wann Aufstehenszeit ist. Übermüdet macht man schließlich nur Fehler und wir müssen die Proben ja vernünftig nehmen.“

Wann genau eine solche Probenentnahme auf dem Programm stand, wusste die Crew meist nur einen halben bis ganzen Tag im Voraus. Denn der Alltag auf dem Schiff richtete sich stark nach den Wetterbedingungen, erklärt Oldenburg. Bei gutem Wetter und ruhiger See konnten die Wissenschaftler zum Beispiel auf nahegelegene Eisschollen gehen und dort Wasser- und Eisproben aus verschiedenen Tiefen nehmen.

Dabei mussten Oldenburg und Popa sich aber auch vor umherstreifenden Eisbären in Acht nehmen. Um die Sicherheit der Forschenden zu gewährleisten, gab es auf der Polarstern spezielle Wach-Schichten. Wurde ein Bär gesichtet, ertönte das Schiffshorn und die Wissenschaftler mussten so schnell wie möglich zurück an Bord kommen. Leuchtraketen und laute Geräusche sollten den ungebetenen Gast vertreiben.

Remote Access Sampler
Ellen Oldenburg arbeitet im Schiffslabor an einem Remote Access Sampler (RAS). © Ovidiu Popa

Ein „Haikäfig“ für Mikroben

Neben manuell vor Ort genommenen Proben arbeitet die Arktismikroben-Forschung aber auch mit sogenannten Remote Access Samplern, kurz RAS. Diese wuchtigen Instrumente erinnern an eine Mischung aus Haikäfig und Wasserkasten und bleiben – befestigt an einer Boje – ein komplettes Jahr im arktischen Wasser. Dort öffnen und schließen sich die Flaschen eines RAS alle ein bis zwei Wochen automatisch und sammeln so regelmäßig Wasser- und Mikrobenproben von ein und demselben Standort.

Nach Ablauf dieses Jahres muss der RAS wieder aus dem Wasser geholt werden, um die Proben im Labor auswerten zu können. Kamen Oldenburg und Popa mit der Polarstern an einem solchen „fälligen“ RAS vorbei, gehörte es auch zu ihren Aufgaben, diesen an Bord zu holen.

Zwischen Labor und Spielbrett

Als Ausgleich zu den härteren körperlichen Tätigkeiten standen für die beiden Düsseldorfer Biologen aber auch immer wieder Schichten im Schiffslabor an. Bei diesen verarbeiteten Oldenburg und Popa die zuvor gesammelten Proben samt darin befindlicher Mikroorganismen. Konkret bedeutet das, dass sie die Algen und Bakterien mithilfe spezieller Filter in verschiedene Größenklassen aufteilten und die so getrennten Proben dann für den Weitertransport nach Deutschland einfroren.

Wenn die beiden Biologen mal nicht auf Eisschollen oder im Labor unterwegs waren, genossen sie das Leben an Bord zusammen mit dem Rest der Besatzung. „Wir hatten natürlich auch Freizeit, in der wir uns mit der Mannschaft unterhalten oder auch mal Spiele spielen konnten. Es gab auch einen Freizeitbereich auf dem Schiff“, erzählt Popa, der jederzeit zu einer neuen Expedition auf der Polarstern aufbrechen würde.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Expedition ins Nordpolarmeer
Den arktischen „Mikroben-WGs“ auf der Spur

Eisiges Paradies in Gefahr
Das Nordpolarmeer schmilzt davon

Expedition in den hohen Norden
Wie sich „Mikroben-WGs“ erforschen lassen

Arktische Bakterien adé?
Keine rosige Zukunft für polare Arten

Phytoplankton zeigt Zähne
Eisige Algen verteidigen ihren Platz

Die Forschenden im scinexx-Interview
Wie war das Leben auf der Polarstern?

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