Astronomie

Vorläufer eines Magnetars entdeckt

Heliumstern hat stärkstes je bei einem massereichen Stern gemessenes Magnetfeld

Magnetischer Heliumstern
Astronomen haben erstmals einen massereichen Heliumstern mit einem starken Magnetfeld entdeckt. Diese neue Klasse von Sternen könnte der lange gesuchte Vorläufer der Magnetare sein. © ESO/ L. Calçada

Rätsel gelöst? Seit langem grübeln Astronomen darüber, wie Magnetare entstehen. Jetzt könnten sie erstmals den Vorläuferstern eines solchen stark magnetischen Neutronensterns entdeckt haben. Der rund 3.000 Lichtjahre entfernte Heliumstern HD 45166 hat das stärkste je bei einem massereichen Stern gemessene Magnetfeld, die Flussdichte liegt bei 43.000 Gauß, wie das Team in „Science“ berichtet. Damit erfüllt dieser Stern alle Voraussetzungen, um eines Tages zum Neutronenstern zu kollabieren – und bildet eine ganz neue Klasse massereicher Sterne.

Magnetare sind die stärksten Magneten im Kosmos. Diese schnell rotierende Neutronensterne können Magnetfelder mit einer Flussdichte von mehr als einer Milliarde Tesla oder rund 10 Billionen Gauß erzeugen.

Magnetar
Magnetare sind schnell rotierende Neutronensterne mit einem extrem starken Magnetfeld.© Pitris/ Getty images

Rätsel um Ursprung der Magnetare

Doch wie kommen diese enormen Magnetkräfte zustande? Bisher konnten Astronomen darüber nur Vermutungen anstellen. Einer Theorie nach erben Magnetare ihr Magnetfeld von massereichen Vorgängersternen. Weil sich deren Durchmesser beim Kollaps des Sternenkerns zum Neutronenstern stark verringert, wird das Magnetfeld entsprechend „konzentriert“. Bisher sind allerdings keine massereichen Sterne bekannt, die am Ende ihres Lebenszyklus stehen und ein ausreichend starkes Magnetfeld besitzen.

Als weiterer Kandidat für Magnetar-Vorläufer gelten massereiche Heliumsterne – Sterne, die ihre Wasserstoffhülle verloren haben, so dass ihr heliumreicher Sternenkern freiliegt. Diese Unterart der Wolf-Rayet-Sterne kann aus massereichen Sternen mit starkem Sternenwind entstehen, aber auch durch die Interaktion mit einem Partnerstern oder die Verschmelzung zweier Weißer Zwerge. Besitzt der Heliumstern ein Magnetfeld und die nötige Masse für einen Kollaps zum Neutronenstern, könnte auch er zum Magnetar-Vorläufer werden. Aber auch solche massereichen, magnetischen Heliumsterne wurden noch nie beobachtet.

Heliumstern mit seltsamen Anomalien

Das hat sich nun geändert: Astronomen um Tomer Shenar von der Universität Amsterdam haben erstmals einen Heliumstern entdeckt, der alle Voraussetzungen für einen Magnetar-Vorläufer erfüllt. Der rund 3.000 Lichtjahre entfernte Heliumstern HD 45166 ist schon länger bekannt, ließ sich aber bisher nicht richtig einordnen. Denn er schien für einen klassischen Wolf-Rayet-Stern zu massearm und sein Spektrum wies ungewöhnlich hohe Anteile von Stickstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff auf.

Weil solche spektralen Anomalien auf ein Magnetfeld hindeuten können, nahmen Shenar und sein Team diesen Stern mit einem speziellen Spektropolarimeter am Canada-France-Hawaii Telescope (CFHT) auf Hawaii näher ins Visier. Zusätzlich werteten sie spektrale Daten von weiteren Teleskopen aus. Die Daten bestätigten die Anomalie und enthüllten auch, dass der größte Teil des Lichts von HD 45166 zirkulär polarisiert ist – auch das kann die Präsenz von Magnetfeldern anzeigen.

Ein massereicher magnetischer Heliumstern repräsentiert eine neue Klasse von Sternen.© ESO

Spektrallinien enthüllen starkes Magnetfeld

Das Entscheidende jedoch: Die Sauerstofflinien im Spektrum dieses Heliumsterns waren auf charakteristische Weise in zwei Komponenten aufgespalten. Dieses sogenannte Zeeman-Splitting zeigt an, dass es an der Oberfläche dieses Sterns ein Magnetfeld geben muss – und verrät auch dessen Stärke. Denn je weiter die Spektrallinien aufgespalten sind, desto stärker ist das Magnetfeld. Shenar und sein Team ermittelten, dass der Heliumstern HD 45166 ein Magnetfeld der Flussdichte von 43.000 Gauß besitzen muss.

Damit ist dieser Heliumstern der am stärksten magnetische massereiche Stern, der je beobachtet wurde. Gleichzeitig ist HD 45166 der erste massereiche magnetische Heliumstern und gehört damit zu einer ganz neuen Klasse von Sternen. „Es ist aufregend, eine neue Klasse von astronomischen Objekten zu entdecken – insbesondere dann, wenn sie sich die ganze Zeit über versteckt hielt“, sagt Shenar.

Szenario
Magnetar-Entstehung aus HD 45166: Ausgangspunkt ist ein massereicher, stark magnetischer Heliumstern. Dieser kollabiert in einer Supernova und das Resultat ist ein Magnetar – ein Neutronenstern mit einem Magnetfeld von gut 100 Billionen Gauß.© NOIRLab/AURA/NSF/ P. Marenfeld, M. Zamani

Vorläufer eines Magnetars

Diese Entdeckung bedeutet auch, dass die Astronomen endlich den Vorläuferstern eines Magnetars gefunden haben könnten. Denn der Heliumstern HD 45166 erfüllt alle Voraussetzungen, um in einigen Millionen Jahren zu einem stark magnetischen Neutronenstern zu werden. „Mit einer Masse von 2,03 Sonnenmassen erwarten wir, dass dieser Wolf-Rayet-ähnliche Stern zu einem Neutronenstern kollabieren wird“, erklären Shenar und seine Kollegen.

Weil dabei der magnetische Fluss erhalten bleibt, aber die Größe des Sterns drastisch schrumpft, wird das Magnetfeld an der Neutronensternoberfläche entsprechend stärker. „Ausgehend von den gemessenen 43.000 Gauß und einem Radius des Neutronensterns von rund zwölf Kilometern, berechnen wir das zu erwartende Magnetfeld des Neutronensterns auf rund 110 Billionen Gauß“, schreiben die Astronomen. „Das liegt innerhalb der Spanne für Magnetare.“

Aus einer Verschmelzung entstanden?

Damit könnte dieser Stern das Rätsel um die Entstehung der Magnetare lösen. Gleichzeitig bestätigt dieser Heliumstern eine frühere Theorie zur solchen Magnetar-Vorläufern. Denn Shenar und sein Team haben in einer Simulation untersucht, wie HD 45166 entstanden sein könnte. „Um einen hüllenlosen Heliumstern von zwei Sonnenmassen zu erzeugen, müsste der ursprüngliche Stern rund zehn Sonnenmassen schwer gewesen sein“, berichten sie. Doch solche Sterne verlieren normalerweise nicht einfach so ihre Hülle.

Mithilfe des Modells zeigte sich jedoch, dass HD 45166 wahrscheinlich aus der Verschmelzung zweier kleinerer Vorläufersterne entstand. Diese Sterne bildeten ein enges Paar und teilten schließlich nach einer Reihe von wechselseitigen Materieabsaugungen eine gemeinsame Wasserstoffhülle. Als dann die beiden Sternenkerne miteinander verschmolzen, wurde diese Hülle weggeschleudert und der massereiche, magnetische Heliumstern blieb übrig. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.ade3293)

Quelle: NOIRLab/Association of Universities for Research in Astronomy (AURA), European Southern Observatory (ESO)

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