Eiszeit-Sound: Paläontologen haben anhand fossiler Zungenbeine herausgefunden, dass Säbelzahnkatzen weder eindeutig wie ein Löwe brüllten noch schnurrten wie eine Hauskatze. Die Wahrheit liegt demnach irgendwo zwischen diesen beiden Extremen und hängt davon ab, welchen Einfluss die Zungenbeinstruktur auf ihr Geräusch-Repertoire hatte. Es wäre etwa möglich, dass Säbelzahnkatzen ähnlich wie heutige Luchse oder Pumas klangen, aber deutlich tiefer.
Säbelzahnkatzen mit ihren dolchartigen Zähnen und starken Pranken gehören zu den ikonischen Tieren der Eiszeit. Obwohl sie vor über 10.000 Jahren ausgestorben sind, verraten uns ihre Fossilien einiges über ihr Leben. So wissen wir zum Beispiel, wie sie mit ihrem Nachwuchs umgingen und an welchen Krankheiten sie litten. Doch einige Fragen bleiben offen, unter anderem die nach den Geräuschen, die Säbelzahnkatzen von sich gaben. Brüllten sie wie ein Löwe oder schnurrten sie doch eher wie ein Puma?
Sieben als magische Zahl
Paläontologen um Ashley Deutsch von der North Carolina State University sind dem Geheimnis der Säbelzahn-Laute nun einen Schritt nähergekommen. Dafür warfen sie zunächst einen genauen Blick auf den Stammbaum der Katzen. Moderne Katzen lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Großkatzen wie Löwen, Tiger und Jaguare sowie Kleinkatzen wie Luchse, Pumas und Hauskatzen. Großkatzen können brüllen, aber nicht schnurren, während Kleinkatzen schnurren, aber nicht brüllen können.
Ein wichtiger Grund für die unterschiedlichen Lautäußerungen sind spezielle Knochen im Hals der Katzen, auch Zungenbein genannt. „Während Menschen nur ein Zungenbein haben, haben schnurrende Katzen neun Knochen, die in einer Kette miteinander verbunden sind, und brüllende Katzen haben sieben“, erklärt Deutsch. Das Zungenbein einer Säbelzahnkatze besteht aus sieben Knochen. Eigentlich könnte dies ein eindeutiger Beweis dafür sein, dass Smilodon und Co. einst wie Löwen brüllten.
Doch ein Schnurrer?
Doch diese naheliegende Annahme täuscht. Denn als Deutsch und ihre Kollegen sich die Zungenbeine moderner Katzen genauer ansahen, stellten sie fest, dass der Zusammenhang zwischen Knochenanzahl und Lautäußerung womöglich doch nicht so eindeutig ist wie lange gedacht. „Er wurde nie wirklich bewiesen“, erklärt Deutschs Kollege Adam Hartstone-Rose. Es könnte also genauso gut sein, dass nicht nur die Anzahl der Zungenbeinknochen, sondern auch ihre Form und Größe den erzeugten Ton beeinflussen.
Daher untersuchten Deutsch und ihr Team in einem nächsten Schritt die Zungenbeinstrukturen von vier brüllenden Katzen (Löwe, Tiger, Leopard und Jaguar) sowie von fünf schnurrenden Arten (Puma, Gepard, Karakal, Serval und Ozelot) und verglichen diese mit 105 fossilen Zungenbeinknochen der nordamerikanischen Säbelzahnkatze Smilodon fatalis.
Das Ergebnis: „Den Säbelzahnkatzen fehlen zwar die zusätzlichen Knochen, die schnurrende Katzen haben, aber die Form und Größe der Zungenbeinknochen sind sehr unterschiedlich. Einige von ihnen sind eher so geformt wie die von schnurrenden Katzen, aber viel größer“, berichtet Hartstone-Rose.
Palette an möglichen Geräuschen
Da unklar ist, wie genau Zungenbeinstruktur und Geräusch-Repertoire bei Katzen zusammenhängen, müssen Deutsch und ihr Team bei der Säbelzahnkatze zwei unterschiedliche Geräuschvarianten als gleich plausibel annehmen. „Wenn es bei der Vokalisation um die Anzahl der Knochen im Zungenbein geht, dann brüllten die Säbelzahnkatzen. Wenn es um die Form geht, könnten sie geschnurrt haben“, erläutert Hartstone-Rose.
Doch da sich Säbelzahnkatzen vor den modernen Groß- und Kleinkatzen vom Katzenstammbaum abgespalten haben, könnte es auch noch eine dritte Variante geben: Töne, die weder einem typischen Brüllen noch Schnurren entsprechen. „Smilodon fatalis könnte ähnliche Laute wie heutige schnurrende Katzen von sich gegeben haben, allerdings mit einer geringeren Frequenz“, so Deutsch und ihr Team. Damit hätte er ähnlich wie heutige Pumas und Luchse geklungen, aber deutlich tiefer.
Amerikanischer Löwe war ein Brüller
Eindeutiger gestaltet sich hingegen die Ruf-Rekonstruktion bei einer weiteren großen Raubkatze der Eiszeit, dem Amerikanischen Löwen (Panthera atrox). Er war nur geringfügig größer als heutige Löwen und ähnelte ihnen auch in der Struktur seines Zungenbeines, wie Deutsch und ihr Team herausgefunden haben. Sie gehen daher davon aus, dass er ebenso wie heutige Löwen brüllte. (Journal of Morphology, 2023; doi: 10.1002/jmor.21627)
Quelle: North Carolina State University