Medizin

Magensäure-Hemmer können Demenzrisiko erhöhen

Negative Folgen bei jahrelanger Einnahme von Protonenpumpen-Inhibitoren gegen Sodbrennen und Co

Magen und Säureblocker
Mittel gegen zu viel Magensäure und Sodbrennen können bei Dauereinnahme negative Folgen haben, darunter auch eine Erhöhung des Demenzrisikos. © Oleksandra Klestova/ Getty images

Magenmittel geht aufs Gehirn: Wenn Mittel gegen Sodbrennen und Magenbeschwerden über Jahre hinweg eingenommen werden, können sie das Risiko für eine Demenz erhöhen, wie nun eine Langzeitstudie bestätigt. In ihr stieg das Demenzrisiko durch eine mehr als 4,4 Jahre dauernde Einnahme solcher Protonenpumpenhemmer um 33 Prozent. Eine kürzere Anwendung der Magensäure-Mittel hatte hingegen keine negative Wirkung. Die in kleinen Mengen frei verkäuflichen Wirkstoffe sollten generell nicht länger als vier bis acht Wochen lang eingenommen werden.

Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) wie Omeprazol oder Pantoprazol reduzieren die Magensäureproduktion und sollen so Sodbrennen (Reflux) verhindern und gegen Magengeschwüre helfen. Dies funktioniert, indem diese Wirkstoffe ein für die Säureproduktion nötiges Enzym in bestimmten Zellen der Magenschleimhaut blockieren. Empfohlen wird die Einnahme solcher Mittel nur für vier bis acht Wochen, für einen Dauergebrauch sind sie hingegen nicht zugelassen. Dennoch gibt es viele Patienten, die die Protonenpumpen-Inhibitoren jahrelang einnehmen.

Verkauf und Verschreibungen der Säureblocker nehmen in den letzten Jahrzehnten weltweit zu. Doch schon länger besteht der Verdacht, dass eine längere Einnahme dieser Mittel negative Folgen für die Gesundheit haben kann. Belegt ist, dass der Mangel an Magensäure wegen der gestörten Calciumaufnahme eine Osteoporose begünstigt. Auch Nieren- und Darmentzündungen werden bei Einnahme von Protonenpumpenhemmern häufiger.

Erhöhen Magensäureblocker das Demenzrisiko?

Umstritten war bisher jedoch, ob eine längere Einnahme der Säureblocker auch das Demenzrisiko erhöhen kann. Einige Studien lieferten Hinweise darauf, andere konnte dies nicht bestätigen. Carin Northuis von der University of Minnesota und ihre Kollegen haben den Effekt von Protonenpumpenhemmern auf die Demenz deshalb mithilfe einer Langzeitstudie überprüft. Dafür werteten sie die Daten von 5.792 älteren Männern und Frauen aus, die seit Ende der 1980er Jahre an der sogenannten ARIC-Studie teilnehmen.

Für ihre Auswertung erfasste das Team, wie oft und wie lange die Teilnehmenden im Studienverlauf Protonenpumpen-Inhibitoren eingenommen hatten und ob es eine Korrelation zum Auftreten einer Demenz bis zum Jahr 2017 gab. Andere Risikofaktoren für eine Demenzerkrankung wie Vorerkrankungen, demografische Faktoren oder bestimmte andere Medikamente wurden dabei entsprechend berücksichtigt.

Signifikantes Risiko bei jahrelanger Einnahme

Das Ergebnis: Entwarnung gibt es für Menschen, die Protonenpumpen-Inhibitoren nur vorübergehend und selten einnehmen. Wie Northuis und ihr Team feststellten, gab es für eine kürzere Nutzung der Säureblocker im mittleren Alter oder die aktuelle Einnahme nach rund 15 Jahren Studiendauer keinen Zusammenhang mit einer Demenz.

Anders sah dies bei längerer Einnahme der Protonenpumpenhemmer aus: Personen mit einer kumulativen PPI-Einnahme von mehr als 4,4 Jahren hatten ein um 33 Prozent höheres Demenzrisiko als Menschen, die nie Säureblocker eingenommen hatten, wie das Team ermittelte. Diese Patienten waren unter den insgesamt 585 Demenzfällen signifikant stärker vertreten als Teilnehmende, die nie oder nur vorübergehend solche Mittel nutzten.

Wirkmechanismus bisher noch unklar

Die biologischen Ursachen für die demenzfördernde Wirkung der Protonenpumpen-Inhibitoren sind noch unklar. Es gibt aber Hinweise darauf, dass diese Mittel die gesunde Darmflora beeinträchtigen und so indirekt auch die Gesundheit des Gehirns: „Es werden spezifische Stoffwechselwege postuliert, die eine Störung der Darmflora über oxidativen Stress, Beta-Amyloid-Ansammlungen und Neuroinflammation mit Alzheimer verknüpfen“, erklären Northuis und ihre Kollegen.

Denkbar ist laut Forschungsteam aber auch, dass die Erhöhung des Demenzrisikos durch die Magensäureblocker auf Störungen und Entzündungen der Blutgefäße zurückgeht. Denn es besteht der Verdacht, dass Protonenpumpenhemmer über solche Nebenwirkungen auch Gefäßerkrankungen sowie Schlaganfälle und chronische Nierenleiden hervorrufen können. „Und Studien zeigen, dass Patienten mit diesen Erkrankungen auch ein erhöhtes Risiko für eine Demenz haben“, so das Team.

Langzeitgebrauch möglichst vermeiden

„Die Ergebnisse dieser Studie sind als Sicherheitssignal bei häufiger PPI-Einnahme ernst zu nehmen“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Neurologe Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Weitere Forschung ist aber dringend notwendig, um die Zusammenhänge zwischen dem kumulativen PPI-Einsatz und der Entwicklung von Demenz zu sichern und vor allem die Kausalität zu verstehen.“

Northuis und ihr Team raten in jedem Fall davon ab, die Protonenpumpen-Inhibitoren über längere Zeit hinweg zu nehmen. Ähnlich sieht es Berlit: „Eine dauerhafte Verschreibung und die längerfristige Behandlung mit PPI ohne gesicherte Indikation sollte nicht erfolgen und die Patientinnen und Patienten sollten auf mögliche Risiken bei Langzeitgebrauch hingewiesen werden, auch in den Apotheken, da kleine PPI-Packungen frei käuflich sind“, so der Neurologe. (Neurology, 2023; doi: 10.1212/WNL.0000000000207747)

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

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