Was passiert, wenn man die Magmakammer eines aktiven Vulkans anbohrt, hat sich im Jahr 2009 am isländischen Vulkan Krafla gezeigt. Dieser aktive Feuerberg im Norden der Insel erlebte in den letzten 2.800 Jahren sechs größere Eruptionen. Der letzte Ausbruch dieses Vulkans, das sogenannte Krafla-Feuer, liegt erst rund 40 Jahre zurück. Während dieser von 1975 bis 1984 anhaltenden Eruptionen rissen 20 neue Spalten im Untergrund auf, aus neun dieser Risse quoll glutflüssige Lava.
Die Krafla wird angebohrt
Seismische Untersuchungen legen nahe, dass die Magmakammer des Krafla-Vulkans nur zwei bis 4,5 Kilometer tief unter der Erdoberfläche liegt – und damit hoch genug, um dort eine Test-Bohrung zu wagen. Im Rahmen des Iceland Deep Drilling Projects (IDDP) beginnt deshalb ein Team von Wissenschaftlern mehrerer isländischer Energieanbieter und Forschungseinrichtungen im Juni 2008 mit einer Bohrung im Gebiet der Krafla-Caldera. Ziel des Projekts ist es, ein Bohrloch bis in die Nähe der in 4,5 Kilometer Tiefe vermuteten Magmakammer des Vulkans zu vorzutreiben, um von dort überkritische Fluide zu gewinnen.
Doch im Frühsommer 2009 kommt es zu einem unerwarteten Zwischenfall: In 2,1 Kilometer Tiefe stockt der Bohrprozess plötzlich – das Bohrgestänge steckt fest. Nach mehreren Versuchen gelingt es dem Team, den Bohrer wieder freizubekommen. „Wir mussten es herausbrechen und es noch mal versuchen. Wir taten das ein zweites und ein drittes Mal“, schildert der Geologe Wilfred Elders von der University of California in Riverside die damaligen Vorkommisse später gegenüber dem Deutschlandfunk. Doch immer wieder steckt der Bohrer fest.
Magma im Bohrloch
Die Ursache dafür zeigen sich beim dritten Versuch: „Wir hatten in flüssiges Gestein gebohrt“, so Elders. Entgegen den Erwartungen ist die Bohrung schon in 2,1 Kilometer Tiefe auf glutflüssiges, gut tausend Grad heißes Magma gestoßen. Die Gesteinsschmelze ist in das Bohrloch eingedrungen und hat die unteren zehn Meter aufgefüllt. Zum Glück für die Projektmitarbeiter ist die Magmamenge jedoch gering genug, um bei Kontakt mit der Bohrflüssigkeit zu Gesteinsglas zu erstarren. Eine Wasserdampf-Explosion oder eine Lavafontäne bleiben aus.
Doch es hätte auch anders kommen können, wie der letzte große Ausbruch der Krafla Ende der 1970er Jahre demonstrierte. Damals kam es zu einer Eruption aus einem Bohrloch des nahgelegenen Geothermie-Kraftwerks Bjarnarflag. Glutflüssiges, unter hohem Druck stehendes Magma war über neu aufgetretene Risse im Untergrund bis in die angebohrte Gesteinsschicht aufgestiegen und durch das Bohrloch bis an die Oberfläche geschossen. „Kurz vor Mitternacht war dort eine orange leuchtende Säule zu sehen, die Dutzende Meter in die Höhe stieg“, berichtet Olivera Ilic von der Universität Islands in Reykjavic. „Die Eruption verlief in Schüben und hielt rund 30 Minuten an. Am nächsten Morgen konnte man rund um das Bohrloch Bimssteinstücke liegen sehen.“
Glück gehabt
Im Falle der IDDP-Bohrung des Jahres 2009 kommt es glücklicherweise nicht zu einem solchen Ausbruch. Stattdessen gelingt es dem Forschungsteam, Bruchstücke des erstarrten Gesteinsglases aus dem Bohrloch zu bergen und näher zu untersuchen. Die Analysen ergeben, dass das Magma des angebohrten Reservoirs siliziumreich und relativ dünnflüssig ist. „Ein solches rhyolitisches Magma erfordert eine höhere Druckdifferenz als basaltisches Magma, um in einem Bohrloch aufzusteigen“, erklärt Ilic. Weil das Bohrloch sehr eng und der Druck der eingepumpten Bohrflüssigkeit relativ hoch war, konnte das schmelzflüssige Gestein nicht sehr weit vordringen – eine Eruption blieb aus.
Ebenfalls günstig: Dieses Magmareservoir des Krafla-Vulkans enthält offenbar relativ wenig gelöste Gase wie Kohlendioxid, Schwefeldioxid oder Schwefelwasserstoff. Dadurch besteht wenig Gefahr, dass diese Gase bei Druckentlastung plötzlich ausgasen und das Magma zum Schäumen bringen, wie Ilic erklärt. Vulkanischer Schwefelwasserstoff ist zudem hochgiftig und kann bei entsprechend hoher Konzentration sogar tödlich sein.
Risiko Wasserdampf-Explosion
Allerdings belegt der vorletzte große Ausbruch der Krafla, dass der Vulkan heftige Wasserdampf-Explosionen verursachen kann. Zu Beginn der fünf Jahre dauernden Myvatn-Feuer im Jahr 1724 ereignete sich eine solche phreatomagmatische Eruption, die den 320 Meter großen und rund 33 Meter tiefen Viti-Krater in den Untergrund sprengte. Solche Eruptionen ereignen sich, wenn heißes Magma auf Wasser stößt und dieses abrupt verdampft. Reicht der Druck des umgebenden Gesteins nicht aus, um den Dampf weiter zu komprimieren, kommt es zur Explosion.
Doch auch eine geothermische Bohrung kann eine Wasserdampf-Explosion auslösen, wie ein Vorfall in den 1980er Jahren in Italien demonstrierte. Damals stieß ein 2.930 Meter tiefes Bohrloch im Geothermie-Feld von Lardarello in der Toskana in eine von Rissen durchzogene, gut 400 Grad heiße und unter 240 Bar Druck stehende Gesteinsschicht vor. Durch die plötzliche Druckentlastung gaste der unter hohen Druck stehende Wasserdampf abrupt aus und führte zu einem „Blow-Out“. Das Bohrloch und seine Umgebung brachen ein, Gesteinsbrocken wurden in die Umgebung geschleudert und das Bohrloch musste wieder zugeschüttet werden. Bei der Bohrung in den Vulkan Krafla im Jahr 2009 ist dies glücklicherweise nicht der Fall.