Ernährung

Warum Vitamin-Präparate bei Krebs sogar schaden können

Antioxidantien fördern die Durchblutung von Tumoren und damit das Tumorwachstum

Krebstumor
Die Einnahme von Antioxidantien kann das Wachstum von Krebstumoren sogar fördern. © Peterschreiber.media/ iStock

Schaden statt Nutzen: Vitamin C und andere Antioxidantien haben eine negative Wirkung im Körper von Krebspatienten. Sie regen die Bildung neuer Blutgefäße in Lungentumoren an und fördern dadurch deren Durchblutung und Wachstum, wie eine aktuelle Studie enthüllt. Der Befund bekräftigt frühere Studien, wonach Nahrungsergänzungsmittel, die Antioxidantien enthalten, dazu führen können, dass Tumore schneller wachsen und Metastasen bilden. Die Einnahme solcher Präparate ist daher für Krebspatienten nicht ratsam.

Normalerweise gelten Antioxidantien als gesundheitsfördernd, denn sie neutralisieren aggressive Sauerstoffverbindungen, auch „freie Radikale“ genannt. Diese Moleküle werden im Stoffwechsel gebildet oder entstehen durch Umwelteinflüsse wie Rauchen oder UV-Strahlung. Sie greifen Zellbestandteile chemisch an und können dadurch Zellschäden und im Extremfall Krebs hervorrufen. Antioxidantien wirken dem entgegen und sind daher gängiger Bestandteil von Vitamin-Präparaten und anderen Nahrungsergänzungsmitteln.

In zu hohen Dosen können Antioxidantien aber auch Schaden anrichten, insbesondere bei Krebspatienten und bei Menschen mit einem erhöhten Risiko, an Krebs zu erkranken, wie frühere Studien unter anderem zu Hautkrebs nahelegten.

Tumor-Organoide im Test

Um diese Beobachtung genauer zu verstehen, haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Ting Wang vom Karolinska Institut in Stockholm in ihrer Studie die Wirkung von Antioxidantien auf zellulärer Ebene angeschaut. Dabei fokussierten sie sich auf Lungenkrebs. Die biologischen Mechanismen untersuchten sie anhand von sogenannten Organoiden – im Labor kultivierte Mikrotumore, gezüchtet aus Tumorgewebe der Patienten. Das Forschungsteam untersuchte darüber hinaus auch Krebszellen und -gewebe aus Mäusen und von Menschen mit Brust- oder Nierenkrebs.

Dabei fiel auf: In den Studienmodellen produzierte das Tumorgewebe mehr Blutgefäße, wenn es hohe Mengen des sogenannten BACH1-Proteins aufwies – entweder, weil die Forschenden es Antioxidantien aussetzten und dadurch BACH1 aktivierten oder weil sie die Aktivität des Gens für BACH1 steigerten und dadurch im Tumorgewebe große Mengen des Proteins hergestellt wurden. Die Forschenden um Wang schlossen daraus, dass Antioxidantien einen BACH1-vermittelten biologischen Mechanismus aktivieren, von dem Tumore profitieren und infolgedessen schneller wachsen.

Was bewirken Antioxidantien in Tumoren?

Daraufhin wies die Forschungsgruppe nach, dass Antioxidantien – zum Beispiel die Vitamine A, C und E – das Wachstum und die Ausbreitung von Lungenkrebs fördern, indem sie das BACH1-Eiweiß stabilisieren. BACH1 wiederum führt über die Aktivierung verschiedener Gene zur Bildung neuer Blutgefäße, der sogenannten Angiogenese. Durch mehr Blutgefäße sind die Tumore besser mit Nährstoffen versorgt und wachsen schneller.

BACH1 wird der Studie zufolge vor allem dann aktiviert, wenn wenig freie Sauerstoffradikale vorhanden sind. Das kann vorkommen, wenn über die Nahrung zusätzliche Antioxidantien aufgenommen werden, tritt aber auch in Tumoren auf, wenn spontane Mutationen die körpereigene Freisetzung von Antioxidantien anregen.

Aus früheren Studien ist bekannt, dass Angiogenese in Tumoren bei niedrigem Sauerstoffgehalt im Körper auftritt. Über den nun entdeckten Mechanismus via BACH1 sei Angiogenese jedoch offenbar auch bei normalem Sauerstoffgehalt möglich, berichten die Forschenden. Sie fanden zudem heraus, dass BACH1 in Tumoren sowohl unabhängig, als auch mit dem Protein HIF-1α zusammenwirken kann. Von HIF-1α ist bekannt, dass es Zellen ermöglicht, sich an unterschiedliche Sauerstoffvorkommen anzupassen.

Was bedeuten die Ergebnisse für die Behandlung von Krebspatienten?

In ihren Experimenten stellten die Forschenden auch fest, dass die Bildung neuer Blutgefäße zum Teil mit inhibitorischen Medikamenten unterdrückt werden kann. Das gelang besonders gut, wenn das Tumorgewebe hohe Mengen an BACH1 aufwies.

„Unsere Studie öffnet die Tür zu wirksameren Methoden, um Angiogenese in Tumoren zu verhindern“, sagte Seniorautor Martin Bergö vom Karolinska Institut. Beispielsweise könne BACH1 als klinischer Biomarker dienen: Das heißt, die Tumore von Patienten könnten daraufhin untersucht werden, ob sie viel oder wenig des Eiweißes BACH1 aufweisen. Solche mit hohem BACH1-Level könnten möglicherweise effektiv mit Medikamenten behandelt werden, die die Angiogenese hemmen.

In weiteren Studien wollen die Forschenden weitere Details dieses Mechanismus untersuchen und auf andere Krebsarten ausweiten, darunter Brust-, Nieren- und Hautkrebs. Außerdem wollen sie weiter prüfen, wie ihre Ergebnisse in der klinischen Praxis angewendet werden können. (Journal of Clinical Investigation, 2023; doi: 10.1172/JCI169671)

Quelle: Karolinska Institutet

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