Archäologie

Duft des Jenseits wiedererweckt

Einbalsamierungs-Parfüm einer 3.500 Jahre alten ägyptischen Toten war überraschend komplex

Senetnay
Dieses rund 3.500 Jahre Kanopengefäß zeigt das Gesicht von Senetnay, der Amme des Pharaos Amenophis II. Ihre einbalsamierten Überreste haben verraten, welche Duftstoffe die alten Ägypter ins Jenseits begleiteten. © Museum August Kestner, Hannover/ Christian Tepper

Parfüm für die Ewigkeit: Vor rund 3.500 Jahren wurde die Amme des ägyptischen Pharaos Amenophis II. im Tal der Könige einbalsamiert und bestattet – jetzt haben Forschende den Duft ihres „Ewigkeits-Parfüms“ entschlüsselt und in einem Parfüm wiedererweckt. Rückstände der Mumifizierungs-Essenzen in zwei Kanopengefäßen verraten, dass Senetnays Weg ins Jenseits von einem Duftgemisch aus Vanille und verschiedenen importierten Baumharzen begleitet wurde.

Im Glauben der alten Ägypter sicherte nur eine Einbalsamierung und möglichst perfekte Konservierung des Körpers ein gutes Weiterleben im Jenseits. Deshalb unterzogen sie die Leichname wichtiger Persönlichkeiten einem aufwendigen Mumifizierungsprozess. Anfang 2023 haben Archäologen in der altägyptischen Totenstadt Sakkara eine zu diesem Zweck eingerichtete, rund 2.300 Jahre alte Mumien-Werkstatt entdeckt. Rückstände in den dort erhaltenen Gefäßen lieferten erste Hinweise auf die Rezepturen der Einbalsamierer.

Kanopus und Karte
Kanopengefäß von Senetnay und Lage des Grabs KV42 im Tal der Könige. © Huber et al./ Scientific Reports, CC-by 4.0

Amme des Pharaos aus dem Tal der Könige

Jetzt ist es Forschenden um Barbara Huber vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena erstmals gelungen, die Einbalsamierungs-Duftstoffe bei einer rund 1.200 Jahre älteren Mumie zu rekonstruieren. Es handelt sich um die rund 1.450 vor Christus gestorbene Adelige Senetnay, die als Amme des Pharaos Amenophis II zu ihren Lebzeiten ein hohes Ansehen genoss: Sie trug den Beinamen „Ornament des Königs“ und wurde – ungewöhnlich für eine Bedienstete – im Tal der Könige bestattet.

Im Jahr 1900 entdeckte der britische Archäologe Howard Carter, späterer Entdecker des Grabs von Tutanchamun, mehrere Kanopengefäße im Felsengrab KV42, die einst Organe von Senetnay enthalten hatten. Doch erst jetzt, 123 Jahre später, haben Huber und ihr Team die Rückstände in zwei dieser Kanopengefäße umfassend chemisch analysiert. Sie nutzten verschiedene Methoden der Massenspektrometrie, um die Substanzen zu rekonstruieren, mit denen Senetnays Organe einst für die Ewigkeit konserviert und parfümiert wurden.

„Mit unseren Methoden konnten wir entscheidende Erkenntnisse über die Inhaltsstoffe des Balsams gewinnen, zu denen es in den zeitgenössischen altägyptischen Textquellen nur begrenzte Informationen gibt“, bemerkt Huber.

Öle, Bitumen und duftende Harze

Die Analysen enthüllten: Die Amme des Pharaos wurde mit einer für ihre Zeit ungewöhnlichen Vielfalt an Essenzen und Zutaten auf den Weg ins Jenseits geschickt. „Die komplexen und vielfältigen Inhaltsstoffe, die für diese frühe Zeitperiode einzigartig sind, bieten ein neues Verständnis für die differenzierten Mumifizierungspraktiken der damaligen Zeit“, sagt Koautor Christian Loeben vom Museum August Kestner in Hannover.

Die Basis von Senetnays Einbalsamierungs-Mixtur enthielt neben Pflanzenölen und Fetten auch Bienenwachs und Bitumen als Konservierungsmittel. Zusätzlich enthielten diese Mixturen verschiedene duftende Essenzen, darunter nach Vanille duftende Abbauprodukte von Nadelbaumholz
Und verschiedene ätherische Extrakte aus Baumharzen. Konkret identifizierten Huber und ihr Team mehrere chemische Verbindungen, die auf die Verwendung von Kiefern- und Lärchenharz hindeuten, sowie einen Duftstoff, der entweder aus Pistazienbäumen oder von dem nur in Asien heimischen Dammarbaum stammen könnte.

Herkunft der Baumharze
Die wohlriechenden Baumharze in Senetnays Einbalsamierungs-Essenz kamen nicht aus Ägypten. © Huber et al./ Scientific Reports, CC-by 4.0

Importierte Duftstoffe für die Tote

„Die Inhaltsstoffe des Balsams machen deutlich, dass die alten Ägypter schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt Materialien auch von außerhalb ihres Gebiets bezogen haben”, sagt Seniorautorin Nicole Boivin vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie. Zu den Importwaren zählten Lärchenharz, welches wahrscheinlich aus dem Mittelmeerraum stammte, sowie vermutlich Dammarharz, das nur von Bäumen in Südostasien gewonnen wird.

Auch in den Anfang 2023 analysierten Mumifizierungsessenzen aus Sakkara fanden sich Abbauprodukte von Dammarharz aus Südostasien. Sollte sich die Verwendung dieses Harzes auch bei Senetnays Kanopen bestätigen, würde dies bedeuten, dass die Ägypter bereits ein Jahrtausend früher als gedacht Handelsverbindungen ins ferne Südostasien hatten. Weil die Abbauprodukte von Dammar und Pistazienharz jedoch sehr ähnlich sind, könne Huber und ihre Kollegen dies bisher nicht mit völliger Sicherheit belegen.

„Die Anzahl der importierten Inhaltsstoffe für ihren Balsam unterstreicht die Bedeutung Senetnays als wichtiges Mitglied des inneren Kreises des Pharaos“, sagt Boivin. Denn zu der Zeit, als Senetnay starb, erhielten nur wenige hochrangige Tote eine so aufwendige Mumifizierungsprozedur. Die Verwendung von Bitumen bei ihrer Einbalsamierung könnte sogar der früheste Nachweis dieses Erdpechs bei einer ägyptischen Mumifizierung sein, so das Team.

Scent of Eternity
Rekonstruiertes Parfüm „Duft der Ewigkeit“ mit Dammarharz-Stückchen. © Barbara Huber

„Scent of Eternity“ als Parfüm rekreiert

Um herauszufinden, wie die Einbalsamierungs-Essenzen Senetnays ursprünglich rochen, haben die Forschenden in Zusammenarbeit mit der französischen Parfümeurin Carole Calvez und der sensorischen Museologin Sofia Collette Ehrich den „Jenseits-Duft“ der altägyptischen Toten als Parfüm wiedererweckt. Dieser auf Basis der chemischen Analysen erstellte „Scent of Eternity“ wird im Rahmen einer Ausstellung im dänischen Moesgaard Museum vorgestellt und bietet Besuchern erstmals die Gelegenheit, einen Geruch aus dem alten Ägypten zu schnuppern.

„Der ‚Scent of Eternity‘ steht für mehr als nur das Aroma des Mumifizierungsprozesses: Er verkörpert die reiche kulturelle, historische und spirituelle Bedeutung der altägyptischen Begräbnispraktiken“, sagt Huber. (Scientific Reports, 2023; doi: 10.1038/s41598-023-39393-y)

Quelle: Max-Planck-Institut für Geoanthropologie Jena

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