Astronomie

Gigantische kosmische Struktur entdeckt

Eine Milliarde Lichtjahre große Dichteblase in unserer Nachbarschaft ist "Fossil" des frühen Kosmos

Ho'oleilana
Die neuentdeckte Großstruktur Ho'oleilana ähnelt einer eine Milliarde Lichtjahre großen Kugel und liegt neben unserem heimischen Supercluster Laniakea. © Frédéric Durillon/ Animea Studio, Daniel Pomarède/ IRFU, CEA University Paris-Saclay

Spektakulärer Fund: Astronomen haben die größte bekannte Struktur des lokalen Universums entdeckt – eine rund eine Milliarde Lichtjahre große Kugel erhöhter Galaxiendichte. Die neben unserem heimischen Supercluster liegende Struktur ist ein kosmisches Fossil, denn sie geht auf Prozesse zurück, die knapp 400.000 Jahre nach dem Urknall konzentrische Dichtewellen im Universum erzeugten. Mit der Ho’oleilana getauften Superstruktur wurde nun erstmals eine dieser sogenannten Baryonischen Akustischen Oszillationen (BAO) identifiziert.

Alle Großstrukturen im heutigen Universum gehen auf Dichtefluktuationen in der „kosmischen Ursuppe“ zurück – der Zeit direkt nach dem Urknall, als Materie und Strahlung eins waren und es noch keine Atome gab. Durch dieses Plasma rasten sich konzentrisch ausbreitende Dichtewellen. Als jedoch knapp 400.000 Jahre nach dem Urknall die Kopplung von Strahlung und Materie zusammenbrach, wurden diese „Baryonischen Akustischen Oszillationen“ (BAO) quasi eingefroren.

Baryonische Akustische Oszillationen
Dichtewellen im Plasma des frühen Kosmos haben bis heute subtile Spuren in der Verteilung der Galaxien hinterlassen. © Baryon Oscillation Spectroscopic Survey (BOSS), Zosia Rostomian/ LBNL

Die konzentrischen Rippel dieser frühen Schwingungen sind bis heute in der Materieverteilung des Universums ablesbar: Sie verraten sich an subtilen Schwankungen in der Galaxienverteilung. Vergleicht man diese über große Entfernungen hinweg, zeigt sich jeweils im Abstand von rund 500 Millionen Lichtjahren eine charakteristische Erhöhe der Galaxiendichte – sie markiert das Zentrum und den ursprünglichen Radius der Baryonischen Akustischen Oszillationen.

Gigantische Dichteanomalie

Jetzt haben Astronomen zum ersten Mal eine dieser gigantischen Dichteblasen entdeckt – durch Zufall. „Wir haben nicht nach solchen BAOs gesucht“, erklärt Erstautor Brent Tully von der University of Hawai in Manoa. Aber als er und sein Team eine neue Karte der Galaxiendistanzen – Cosmicflows-4 – näher betrachteten, fiel ihnen eine auffällige Struktur ins Auge. Rund 820 Millionen Lichtjahre von uns entfernt zeigte sich eine riesige ringförmige Dichteanomalie – dort lagen mehr Galaxien als normal.

„Diese Struktur ist so gigantisch, dass sie bis an die Grenzen des von uns untersuchten Himmelsausschnitts reichte“, berichtet Tully. Nähere Analysen enthüllten, dass dieser Ring einen Durchmesser von rund einer Milliarde Lichtjahre hat und zu einer dreidimensionalen Kugel oder Blase gehört. „Diese Ringstruktur ist damit eine der größten bisher bekannten Strukturen des nahen Universums“, erklären die Astronomen. „Ihr gewaltiger Durchmesser liegt weit jenseits der theoretischen Erwartungen.“

Riesenblase liegt direkt neben unserem Supercluster

Die riesige, Ho’oleilana getaufte Dichteblase liegt nach kosmischen Maßstäben direkt vor unserer Haustür: Sie ist rund 820 Millionen Lichtjahre von uns entfernt und grenzt an unseren heimischen Supercluster Laniakea – der Ansammlung von Galaxien, Gasfilamenten und Voids, zu der unsere Milchstraße und ihre lokale Gruppe gehören. Die äußeren Ausläufer von Laniakea reichen fast bis an die neu identifizierte Superstruktur Hoʻoleilana heran.

Ho'oleilana und Laniakea
Viele schon bekannte Großstrukturen unserer kosmischen Nachbarschaft liegen in der neuentdeckten Ho’oleilana Blase.© Frédéric Durillon/ Animea Studio, Daniel Pomarède/ IRFU, CEA University Paris-Saclay

Gleichzeitig ist das Innenleben von Ho’oleilana durchaus wohlbekannt. Denn diese Riesenblase umfasst viele gut bekannte Großstrukturen unserer kosmischen Nachbarschaft. Darunter sind der Virgo-Coma-Supercluster, der Corona-Borealis-Supercluster, mehrere Abell-Galaxienhaufen und der Sloan Great Wall, eine rund 1,4 Milliarden Lichtjahre lange, wallartige Ansammlung von Galaxien in rund einer Milliarde Lichtjahren Entfernung. Der Boötes-Supercluster liegt zudem fast direkt im Zentrum der riesigen Kugelstruktur.

„Es war faszinierend zu entdecken, dass diese gigantische Schalenstruktur aus Elementen besteht, die bisher schon für sich genommen als einige der größten Strukturen des Universums galten“, sagt Koautor Daniel Pomarede von der Universität Paris-Saclay.

Erster Fund einer baryonischen Dichte-Oszillation

Das Entscheidende jedoch: Die Ho’oleilana-Großstruktur entspricht in Form und Größe den Dichteblasen, die durch die Baryonischen Akustischen Oszillationen entstanden sind. Sowohl die erhöhte Dichte an ihrem Rand als auch die Dichteansammlung in ihrem Zentrum passen zu diesen eingefrorenen Dichtewellen des frühen Kosmos. „Dies belegt, dass Ho’oleilana keine zufällige Ansammlung von Galaxien ist, sondern Teil des BAO-Signals in unserem Teil des Universums“, erklären Tully und seine Kollegen.

Damit haben die Astronomen erstmals eine einzelne dieser BAO-Dichteblasen identifiziert – und noch dazu in relativer Nähe. Dies ermöglichte es ihnen auch, die Ausdehnung von Ho’oleilana genauer zu ermitteln und dies mit den theoretischen Erwartungen zu vergleichen. „Diese BAO-Blase ist etwas größer und näher als erwartet“, berichtet Tully. Weil die heutige Größe der Dichteblasen auch von der Expansion des Kosmos abhängt, erlaubt sie Rückschlüsse auf die Geschwindigkeit, mit der sich das Universum ausdehnt.

Ho’oleilana bestätigt beschleunigte Expansion

Das interessante Ergebnis: Tully und sein Team kommen auf Basis von Ho’oleilana auf einen Wert von 76,9 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec (km/s/Mpc) für die Hubble-Konstante. Damit liegt die aus der neuentdeckten BAO-Blase ermittelte kosmische Expansionsrate in einem ähnlich hohen Bereich wie Messungen auf Basis von Supernovae, Gravitationslinsen und Cepheiden, aber deutlich höher als die vom Planck-Satelliten anhand der kosmischen Hintergrundstrahlung ermittelten Ausdehnungswerte für den frühen Kosmos.

Damit stützt die Entdeckung von Ho’oleilana den Verdacht, dass sich die Ausdehnung des Universums seit der kosmischen Frühzeit beschleunigt hat – und dass möglicherweise eine Physik jenseits des Standardmodells dahinterstecken könnte. „Das könnte bedeuten, dass zusätzliche, später einsetzende Physik nötig ist, um die Expansionsrate bis heute zu erhöhen“, konstatieren die Astronomen. (The Astrophysical Journal, 2023; doi: 10.3847/1538-4357/aceaf3)

Quelle: University of Hawaii at Manoa

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