Mysteriöser Ausbruch: Astronomen haben eine kosmische Explosion entdeckt, die zu keinem bekannten Phänomen passt. Das Aufleuchten in einer fernen Galaxie war heller als eine Supernova, setzte aber keine Radio- und Röntgenstrahlung frei. Die Lichtkurve veränderte sich zudem weit schneller als eine Sternexplosion, passt in ihrer Lage aber auch nicht zu einem Schwarzen Loch. Die Forscher vermuten, dass es sich um einen ganz neuen Typ kosmischer Strahlenausbrüche handelt. Was sie verursacht, ist jedoch noch unbekannt.
Heftige Explosionen und Strahlungsausbrüche sind im Kosmos alltäglich. Sie entstehen bei der Supernova von Sternen und Weißen Zwergen, bei der Interaktion von Partnern in Doppelsternsystemen, bei der Kollision von Neutronensternen oder durch das Zerreißen von Sternen und Gaswolken an einem Schwarzen Loch bei einem Tidal Disruption Event (TDE). Doch immer wieder kommt es vor, dass Astronomen ein fernes Aufleuchten beobachten, das in keine der bekannten Klassen solcher transienten Ereignisse passt, wie zuletzt im Jahr 2020.
Extrem hell und schnell
Jetzt haben Astronomen um Matt Nicholl von der Queen’s University Belfast Erneut eine kosmische Explosion entdeckt, die ihnen Rätsel aufgibt. Das Ereignis wurde am 30.Dezember 2022 durch den ATLAS-Teleskopverbund entdeckt, als die optischen Teleskope ein schnell heller werdendes Aufleuchten in einer zwei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie registrierten. „Wir fahnden schon seit Jahrzehnten nach den stärksten kosmischen Explosionen, aber dies ist eine der hellsten, die wir je gesehen haben“, berichtet Nicholl. Ihre Leuchtkraft entspricht der von hundert Milliarden Sonnen.
Ungewöhnlich dabei: Anders als bei einer leuchtstarken Supernova oder vielen anderen Strahlenausbrüchen setzte das AT2022aedm getaufte Ereignis keine Radio- oder Röntgenstrahlung frei – für Teleskope in diesen Wellenbereichen blieb die Explosion unsichtbar. Im optischen Bereich war die Strahlung dafür breiter und heller als bei typischen Super- oder Hypernovae.
Auffallend auch: „Eine sehr leuchtstarke Supernova schwächt sich innerhalb rund eines Monats auf nur noch rund die Hälfte ihrer Helligkeit ab“, erklärt Nicholl. „AT2022aedm hatte nach dieser Zeit aber nur noch rund ein Prozent ihrer Helligkeit – sie war fast wieder verschwunden.“ Parallel dazu kühlte sich die Quelle der Strahlung rapide von mehr als 30.000 Kelvin auf nur noch rund 4.000 Kelvin ab.
Ungewöhnlicher Ort
Damit ist diese Explosion einerseits ungewöhnlich kurzlebig und schnell, andererseits aber sehr stark. „AT2022aedm ist viel leuchtkräftiger als ein typisches, sich schnell entwickelndes Ereignis, aber auch als das schnellste Tidal Disruption Event (TDE) und die schnellste Supernova vom Typ 1a“, erklären die Astronomen. Ebenfalls nicht ins gängige Bild passt die Lage der Explosion: Sie ereignete sich nicht im Zentrum einer jungen, aktiven Galaxie, sondern abseits des Zentrums und in einer „roten und toten“, elliptischen Galaxie.
„Diese Galaxie ist damit anders als die Wirtsgalaxien der meisten vorübergehenden Ereignisse mit vergleichbarer Helligkeit“, berichten Nicholl und sein Team. „Weniger als ein Prozent aller Kernkollaps-Supernovae ereignen sich in einer solchen Umgebung.“ Denn solche alten Sternansammlungen enthalten normalerweise kaum noch massereiche Sterne, die in einer Supernova oder Hypernova explodieren könnten.
Neue Klasse kosmischer Explosionen
Nach Ansicht der Astronomen passt die Explosion AT2022aedm damit in keine Klasse kosmischer Explosionen und transienter Phänomene. Auch in einer Modellierung konnten sie keinen Prozess finden, der die beobachteten Merkmale hervorbringt. Dafür ergab eine Suche in Archivaufnahmen verschiedener Teleskope zwei Ereignisse, die AT2022aedm zumindest in den Hauptmerkmalen ähnlich waren: Auch sie waren sehr hell, kurzlebig und ereigneten sich in alten roten Galaxien.
„Zusammen deuten diese drei Ereignisse auf die Existenz einer neuen Klasse von schnellen, transienten Ereignissen hin“, konstatieren Nicholl und seine Kollegen. Sie haben diese neue Klasse kosmischer Explosionen „Luminous Fast Coolers“ (LFC) getauft – auch deutsch „helle, schnelle Abkühler“. Dies bezieht sich auf die schnelle Veränderung dieser Ereignisse und ihre große Helligkeit.
Ursache noch rätselhaft
Doch was ist die Ursache dieser „Luminous Fast Coolers“? Bisher können die Astronomen darüber nur spekulieren. „Die einzigartige Kombination von Eigenschaften ist eine Herausforderung für jedes physikalische Szenario“, schreiben sie. Eine Verschmelzung von Himmelskörpern erzeugt nicht genügend Helligkeit, eine Supernova passt nicht zu den Lichtkurven und auch das Zerreißen eines Sterns an einem supermassereichen Schwarzen Loch kann diese Explosion nicht erklären.
Eine mögliche Erklärung wäre die Kollision eines Sterns mit einem stellaren Schwarzen Loch – beispielsweise in einem Doppelsternsystem. Auch die Interaktion einer intensiven Schockwelle mit stellarem oder interstellarem Material könnte möglicherweise eine solche Explosion verursachen. „Wenn wir mehr solcher LFCs finden, vor allem in größerer Nähe zu uns, dann könnte wir diese Szenarien überprüfen“, sagt Nicholl. Bis dahin jedoch bleibt AT2022aedm ein Rätsel. (The Astrophysical Journal Letters, 2023; doi: 10.3847/2041-8213/acf0ba)
Quelle: Queen’s University Belfast