Im Vergleich zu unserer Sonne ist ein Neutronenstern winzig – selbst ein Planet oder unser Erdmond nehmen sich neben ihm geradezu gigantisch aus. Doch in puncto Masse sind die kompakten Sternenreste echte Schwergewichte. Wie groß und wie schwer ein Neutronenstern maximal werden kann, konnten Astrophysiker erst vor wenigen Jahren genauer ermitteln.
Eine Kollision als Helfer
Möglich wurde dies dank eines astronomischen Glücksfalls: Am 17. August 2017 detektierten die Gravitationswellen-Observatorien LIGO und Virgo erstmals die Raumzeit-Schwingungen einer Neutronensternkollision. Fast gleichzeitig fingen auch mehrere Teleskope die bei dieser kosmischen Karambolage freigesetzte Strahlung ein – erst einen kurzen Gammastrahlenausbruch, dann ein starkes Aufleuchten in nahezu allen anderen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums.
Die Gravitationswellen und Strahlung dieser Kollision lieferten einem Team um Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt entscheidende Informationen zur den Grundeigenschaften von Neutronensternen – darunter die Obergrenze für Masse und Größe. „Das Schöne an theoretischen Studien ist, dass sie Vorhersagen treffen können. Die Theorie ist aber zwingend auf Experimente angewiesen, um einige ihrer Unsicherheiten zu minimieren“, sagt Rezzolla.
Die Neutronenstern-Kollision GW170817 war genau das kosmische Experiment, das die Astrophysiker dafür benötigten. Dank dieses Ereignisses konnten sie ihre theoretischen Modelle ergänzen und so erstmals genauer ermitteln, wo die Grenzen eines Neutronensterns liegen. Das Ergebnis: Die Massenobergrenze von nicht-rotierenden Neutronensternen liegt bei rund 2,16 Sonnenmassen. Rotiert der Neutronenstern jedoch, wirkt die Fliehkraft der Gravitation entgegen und verhindert den Kollaps noch etwas länger. Ein schnell rotierender Neutronenstern – beispielsweise ein Pulsar – kann daher rund 20 Prozent schwerer werden.
Der schwerste Neutronenstern der Milchstraße
Tatsächlich haben Astronomen im Jahr 2022 einen Neutronenstern entdeckt, der an dieser absoluten Obergrenze für Neutronensterne liegt. Der Pulsar PSR J0952-0607 liegt rund 3.000 Lichtjahre von uns entfernt und ist in der Milchstraße bisher einzigartig. Denn er dreht sich mit dem rasenden Tempo von 42.000 Umdrehungen pro Minute um sich selbst – so schnell wie kein anderer Neutronenstern in unserer Galaxie.
Gleichzeitig ist dieser Millisekunden-Pulsar ein echtes Schwergewicht, wie Astronomen im Jahr 2022 feststellten: PSR J0952-0607 ist rund 2,35 Sonnenmassen schwer – und damit der schwerste bisher bekannte Neutronenstern. Schwerer als er können diese Sternenreste gängiger Annahme nach kaum werden, ohne zum Schwarzen Loch zu kollabieren. Seine ungewöhnlich große Masse verdankt dieser Rekordpulsar allerdings nicht einem besonders schweren Vorgängerstern, sondern seinem „parasitischen“ Verhalten: Er saugt einem nahen Begleitstern Material ab und könnte dadurch im Laufe der Zeit eine halbe bis ganze Sonnenmasse hinzugewonnen haben.
Nicht größer als eine Großstadt
Auch für die Größe gibt es dank der Neutronensternkollision jetzt genauere Obergrenzen: Die Astrophysiker der Goethe-Universität Frankfurt ermittelten für einen typischen Neutronenstern einen maximalen Radius von 12 bis 13,5 Kilometern. Zuvor lagen die Schätzungen wegen der höheren Unsicherheiten noch bei einer Spanne von acht bis 16 Kilometer Radius. Die neue Größenobergrenze zeigt, dass ein solcher Supernova-Rest zwar doppelt so schwer wäre wie unsere Sonne, er würde aber dennoch bequem in den Ärmelkanal passen. Selbst die Stadt Berlin ist größer als ein gängiger Neutronenstern.
Um so viel Masse auf so kleinem Raum zu vereinen, muss die Materie im Inneren eines Neutronensterns extrem komprimiert sein – doch was bedeutet dies für sein Innenleben?