Wenige Sekundenbruchteile nach dem Urknall war das gesamte Universum von einer dichten „Ursuppe“ aus Quarks und Gluonen erfüllt – den elementaren Grundbestandteilen aller Materie. Erst als sich der Kosmos weiter abkühlte, banden die Gluonen – Trägerteilchen der starken Kernkraft – die Quarks in Zweier- und Dreierpaaren zusammen. Dadurch entstanden die ersten Protonen und Neutronen und damit die ersten Bausteine der Atomkerne.
Künstlich lässt sich ein vergleichbares Quark-Gluon-Plasma nur für extrem kurze Momente bei energiereichen Teilchenkollisionen erzeugen – beispielsweise im Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) am Forschungszentrum CERN. Dort werden jeweils einige Wochen im Jahr schwere Blei-Ionen statt der sonst im LHC kreisenden Protonen beschleunigt und aufeinander geschossen. Bei diesen Kollisionen entsteht wenige Sekundenbruchteile lang ein Quark-Gluon-Plasma.
Quark-„Suppe“ auch im Neutronenstern?
Doch was hat all dies mit Neutronensternen zu tun? Ganz einfach: Astrophysiker diskutieren schon länger darüber, ob im Zentrum dieser Sternenreste nicht auch eine Art Quark-Gluon-Plasma existieren könnte. Denn bisher ist nicht genau bekannt, wie sich Neutronen unter den extremen Bedingungen des Neutronenstern-Inneren verhalten – Physiker sprechen hier von nicht ausreichend bekannten Zustandsgleichungen. Als Folge besteht die theoretische Möglichkeit, dass selbst die Neutronen unter dem ungeheuren Druck „schmelzen“ – wie kurz nach dem Urknall.
Damit dies geschieht, müssten die Neutronen im Zentrum eines solchen Neutronensterns so stark komprimiert sein, dass der Abstand zwischen ihnen einen Femtometer unterschreitet – was einige Astrophysiker durchaus für möglich halten. Unter diesen Bedingungen werden einige Neutronen instabil und zerfallen in ihre Quarks. Dafür sind allerdings enorme Energien nötig. Wenn es eine solche superfluide, überdichte Mischung aus Neutronen und Quarks gibt, kann sie daher nur im innersten Zentrum der Neutronensterne vorkommen.
Der schwerste bisher bekannte Neutronenstern, der rund 3.000 Lichtjahre entfernte Pulsar PSR J0952-0607 gilt als ein Neutronenstern, der geeignete Bedingungen für eine Quark-„Suppe“ in seinem Inneren bieten könnte.
„Strange Matter“ und die Hypothese der Quarksterne
Doch es gibt eine noch exotischere Theorie: Einige Physiker vermuten, dass einige wenige Neutronensterne sogar zu Quark-Sternen werden – Objekten, die vom Kern bis an die Oberfläche aus freien Quarks bestehen. Unter normalen Umständen ist dies nicht möglich, weil der geringere Druck an der Oberfläche die Elementarteilchen sofort wieder zu Neutronen und Atomen kombinieren würde. Aber einer in den 1970er Jahren von den Physikern Arnold Bodmer und Edward Witten aufgestellten Hypothese nach lässt sich dieses Problem umgehen: durch die sogenannte „Strange Matter“.
Nach dieser Hypothese geraten die Up- und Down-Quarks der normalen Materie unter extremer Kompression so in Bedrängnis, dass sie gegen eine fundamentale Gesetzmäßigkeit zu verstoßen drohen: Es dürfen niemals zwei Quarks mit demselben Quantenzustand zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein. Doch wenn im Neutronenstern die Quarks so dicht zusammengepresst sind, dass sie zu überlappen drohen, würden sie dieses Pauli-Ausschluss-Prinzip verletzen.
Strange-Quarks als Dritte im Bunde
Stattdessen geschieht etwas Ungewöhnliches: Weil in Neutronen doppelt so viele Down-Quarks wie Up-Quarks vorhanden sind, beginnen sich nun einige Down-Quarks umzuwandeln. Sie werden zu schwereren Strange-Quarks. Als Folge besteht die Quark-Mischung nun aus drei statt nur zwei verschiedenen Sorten von Quarks. Das wiederum ermöglicht es den Teilchen, näher zusammenzurücken, weil nun die Chance auf ein verbotenes Überlagern von zwei gleichen Quarks sinkt – so jedenfalls besagt es die Strange-Matter-Hypothese.
Bisher ist strittig, ob es solche Quarksterne überhaupt geben kann. Sollte die Hypothese jedoch stimmen, dann könnte es Neutronensterne geben, die nicht aus Neutronen, sondern zum größten Teil aus Quarks der drei Sorten Up, Down und Strange bestehen. Solche Quarksterne wären noch dichter und kompakter als normalerweise möglich. Sie könnten daher bei gleicher Größe noch massereicher sein – oder wären umgekehrt bei gleicher Masse kleiner als normale Neutronensterne.
Wie könnte man Quarksterne identifizieren?
Damit gäbe es gleich zwei Möglichkeiten, Quarksterne aufzuspüren und von normalen Neutronensternen zu unterscheiden. Das erste ist ihre Masse: Weil Quarksterne durch die Präsenz der Strange-Quarks stabilisiert werden, liegt ihre Massenobergrenze höher. Findet man demnach einen Neutronenstern, der schwerer ist als rund 2,5 Sonnenmassen, müsste es um einen Quarkstern handeln. Denn ein normaler Neutronenstern wäre bei dieser Masse längst zum Schwarzen Loch kollabiert. Bisher steht der Nachweis eines so schweren Neutronensterns jedoch noch aus.
Die zweite Möglichkeit, einen Quarkstern zu identifizieren wäre seine Rotation: Ein normaler Neutronenstern kann nicht schneller rotieren als rund 2.000 Umdrehungen pro Sekunde. Wäre er schneller, würde die Fliehkraft Material von seiner Oberfläche ins All hinausschleudern und ihn zerreißen. Tatsächlich dreht sich der bisher schnellste bekannte Millisekunden-Pulsar mit „nur“ rund 700 Umdrehungen pro Sekunde.
Weil ein Quarkstern aber dichter und stabiler ist, könnte er eine schnellere Rotation aushalten. Würde man daher einen Pulsar entdecken, der die Grenze der Rotationsgeschwindigkeit überschreitet, könnte es sich um einen Quarkstern handeln. Allerdings: Auch solche Extrem-Rotierer suchen Astronomen bisher vergeblich. Ob es exotischen Quarksterne und ihre „Strange Matter“ überhaupt gibt, bleibt damit vorerst offen.