Genetische Glatzen-Verursacher: Forschende haben neue, seltene Genvarianten identifiziert, die zum Haarausfall bei Männern beitragen könnten. Diese Varianten liegen in fünf Genen, von denen bisher nur zwei als potenzielle Urheber des männlichen Haarausfalls bekannt waren. Die neuen Funde bestätigen nun, dass auch seltene Genvarianten die Glatzenbildung fördern können und liefern damit weitere Erkenntnisse zu den Ursachen des männlichen Haarausfalls.
Die häufigste Form des Haarausfalls beim Mann ist die androgenetische Alopezie. Sie führt bei etwa 80 Prozent der Männer in Europa mit zunehmendem Alter zu Geheimratsecken und kahlen Stellen am Hinterkopf. Dieser Haarausfall ist meist erblich bedingt. Welche Genvarianten daran häufig beteiligt sind, ist bereits durch Studien bekannt. Weltweit wurden mehr als 350 beteiligte Genorte und rund 600 Genvarianten identifiziert, unter anderem des Androgenrezeptor-Gens, das auf dem X-Chromosom liegt.
Fahndung nach seltenen Genvarianten
Wenig untersucht ist jedoch, welche Rolle seltene Genvarianten beim männlichen Haarausfall spielen. Ein Team aus Humangenetikern um Sabrina Henne von der Universität Bonn ist dem nun systematisch nachgegangen. Anders als bei der Betrachtung häufiger Varianten sind bei seltenen Varianten umfangreiche Sequenzierungen von Genomen betroffener Männer nötig, um statistisch signifikante Ergebnisse zu erhalten, erklärt Henne.
Für ihre Studie analysierten die Forschenden 72.469 Erbgut-Sequenzen aus der UK Biobank von britischen Männern zwischen 39 und 82 Jahren mit und ohne Haarausfall. Sie suchten darin mit modernen bioinformatischen und statistischen Methoden nach signifikanten Unterschieden in den Genen beider Gruppen. Zur Analyse verwendete das Team neben einer etablierten Methode zum Nachweis von Assoziationen bei seltenen Genvarianten auch eine selbst entwickelte Methode (GenRisk). Damit konnten Henne und Kollegen auch seltene Genvarianten vergleichen, die bei weniger als einem Prozent der Bevölkerung vorkommen.
Fünf neue Gen-Kandidaten für Haarausfall
Tatsächlich wurden die Forschenden fündig: Sie konnten insgesamt fünf signifikante Gene identifizieren, deren seltene Varianten bei erblichem Haarausfall beim Mann eine wesentliche Rolle spielen: EDA2R, WNT10A, HEPH, CEPT1 und EIF3F. Von zwei dieser Gene, EDA2R und WNT10A, waren bereits häufigere Genvarianten mit Zusammenhang zum Haarausfall bekannt. „Durch unsere Studie verdichten sich die Hinweise, dass diese beiden Gene eine Rolle spielen und dass dies durch sowohl häufige als auch seltene Varianten geschieht“, sagt Seniorautorin Stefanie Heilmann-Heimbach vom Universitätsklinikum Bonn (UKB).
Das dritte Gen, HEPH, liegt in einer genetischen Region, in der die meisten schon bekannten Haarausfall-Genvarianten liegen und die daher am stärksten mit dem Haarausfall assoziiert wurde. „HEPH selbst wurde allerdings nie als Kandidatengen thematisiert – hier liefert unsere Studie einen Hinweis, dass es ebenfalls eine Rolle spielen könnte“, betont Henne.
Neue Erkenntnisse über genetische Ursachen von Haarausfall
Die beiden Gene CEPT1 und EIF3F liegen hingegen in genetischen Regionen, die noch nicht mit dem erblich bedingten Haarausfall assoziiert wurden. „Sie sind damit ganz neue Kandidatengene, mit der Hypothese, dass seltene Varianten innerhalb dieser Gene zur genetischen Veranlagung beitragen“, erklärt Henne. Die Gene HEPH, CEPT1 und EIF3F stellen laut Henne allerdings sehr plausible neue Kandidatengene dar. Denn von ihnen sei bekannt, dass sie an der Entwicklung und dem Wachstum von Haaren beteiligt sind.
Außerdem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass auch weitere Gene eine Rolle in der Entstehung des männlichen Haarausfalls spielen könnten (WNT10A, HOXC13, DSP, LPAR6, ALX4, EDAR, CDH3, HR, SPINK5 sowie TSPEAR). Von ihnen ist bereits bekannt ist, dass sie seltene Erbkrankheiten verursachen können, bei denen sowohl Haut als auch Haare betroffen sind.
Hoffnung auf neue Behandlungen
Die Erkenntnisse helfen, die Ursachen des Haarausfalls bei Männern besser zu verstehen. Die Forschenden hoffen, dass dadurch künftig das Risiko für Haarausfall verlässlicher vorhergesagt und die Therapiemöglichkeiten individueller gestaltet werden können. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-41186-w)
Quelle: Universitätsklinikum Bonn