Adern des Kosmos: Astronomen haben das schwache Glühen riesiger Gasströme im frühen Universum eingefangen und so die Struktur des kosmischen Netzwerks aus Galaxien und Gasfilamenten sichtbar gemacht. Ein spezielles Instrument am Keck-Observatorium auf Hawaii fing dafür das Infrarotlicht einer zehn bis zwölf Milliarden Lichtjahre entfernten Himmelsregion ein und enthüllte darin die Strahlung der zarten, aber ausgedehnten Filamente aus Wasserstoffgas, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet. Dies hilft dabei, die Großstruktur des Kosmos zu kartieren.
Unsere Milchstraße, aber auch andere Galaxien und Galaxienhaufen sind Teil eines das gesamte Universum durchziehenden Netzwerks. Dieses kosmische Netz besteht aus ausgedehnten Gasströmen, die die Galaxien miteinander verbinden und Nachschub für die Sternbildung liefern. Diese hauchzarten „Adern“ des kosmischen Netzwerks sind weitgehend unsichtbar, denn sie enthalten oft weniger als zehn Gasmoleküle pro Kubikmeter.
Die kosmischen Gasfilamente verraten sich meist nur, wenn zufällig ein Quasar durch sie hindurch scheint oder wenn Langzeitaufnahmen die extrem schwache Spektralsignatur des angeregten Wasserstoffs einfangen, die sogenannten Lyman-Alpha-Linien.
Ein Spektrometer für das kosmische Netzwerk
Jetzt ist es Astronomen um Christopher Martin vom California Institute of Technology gelungen, die schwachen Wasserstoff-Emissionen der kosmischen Filamente auch ohne langwierige Langzeitaufnahmen direkt sichtbar zu machen und zu kartieren. Anders als bei bisherigen Kartierungen suchten sie dabei nicht nach Gasströmen, die von der Strahlung ferner Quasare oder anderer Strahlungsquellen durchleuchtet oder aufheizt wurden. Stattdessen nutzten sie ein eigens zu diesem Zweck entwickeltes Spektrometer am Keck-Observatorium auf Hawaii, den Keck Cosmic Web Imager (KCWI).
Das KCWI-Spektrometer ist speziell darauf ausgelegt, die Lyman-Alpha-Strahlung kosmischen Wasserstoffs einzufangen. Weil diese je nach Entfernung ihrer Quelle in unterschiedlichem Maße in den roten Bereich des Spektrums verschoben ist, scannt das Instrument den Himmel in einem breiten Spektralbereich von 350 bis 560 Nanometer Wellenlänge ab. Durch die Kombination vieler 2D-Aufnahmen mit verschiedenen Ausschnitten des Spektrums können die Astronomen eine dreidimensionale Karte das Wasserstoff-Gasströme erstellen.
Für die aktuelle Studie beobachteten Martin und sein Team einen Himmelsausschnitt, der zwischen zehn und zwölf Milliarden Lichtjahre von uns entfernt liegt. Vergleichsaufnahmen verschiedener Himmelsbereiche halfen dabei, das von anderen Quellen stammende diffuse Lyman-Alpha-Hintergrundleuchten vom Signal des kosmischen Netzwerks zu trennen.
3D-Karte ferner Filamente und Galaxien
Das Ergebnis ist eine 3D-Karte, die zahlreiche Gasfilamente und Galaxien in diesem Ausschnitt des frühen Kosmos sichtbar macht. „Die Lyman-Alpha-Emission zeigt die fädige Morphologie der die Galaxien verbindenden Filamente, ähnelt in ihrer Struktur den gängigen Absorptionsspektren des Lyman-Alpha-Walds und stimmt in ihrer Verteilung mit bekannten Häufungen von Galaxien überein“, berichten Martin und seine Kollegen.
Dies lege nahe, dass die von ihnen kartierten Emissionen direkt vom kosmischen Netzwerk stammen. „Vor diesen Beobachtungen haben wir die Filament-Strukturen des Kosmos immer nur dann gesehen, wenn sie sozusagen von einer Lampe angestrahlt wurden“, erklärt Martin. „Jetzt sehen wir sie endlich ohne die Lampe. Damit haben wir nun eine ganz neue Möglichkeit, das Universum zu erkunden.“
Auf der Spur der Strukturbildung im Universum
Wichtig ist die genaue Kartierung der kosmischen Filamente, weil ihre Anordnung Rückschlüsse über die Mechanismen der frühen Strukturbildung im Universum erlaubt. Als wichtige Nachschub-Lieferanten für die Sternbildung spielen diese Gasströme zudem eine entscheidende Rolle für die Galaxienentwicklung. Gleichzeitigt steckt in diesen zarten Gasverbindungen ein Großteil der Materie im Kosmos. „Das kosmische Netz zeigt uns die Architektur unseres Universums“, sagt Martin. „In ihm steckt die meiste normale Materie und es verrät auch, wo sich die Dunkle Materie verbirgt.“
Die Astronomen sind bereits dabei, ihr KCWI-Spektrometer um einen zweiten, noch stärker in die roten und infraroten Wellenlängen reichenden Teil zu ergänzen. „Mit diesem Keck Cosmic Reionization Mapper (KCRM) können wir dann noch weiter in die Vergangenheit zurückschauen“, erklärt Martins Kollege Mateusz Matuszewski. „Dies wird uns mehr über die weiter entfernten Filamente und die Ära verraten, in der sich ersten Sterne und Schwarzen Löcher bildeten.“ (Nature Astronomy, 2023; doi: 10.1038/s41550-023-02054-1)
Quelle: W. M. Keck Observatory