Medizin

Neuer Risiko-Faktor für Parodontitis identifiziert

Lokale Entzündungen des Zahnfleischs beeinflussen den ganzen Mundraum

Bild eines Gebisses mit Parodontitis
Parodontitis ist eine chronische Zahnfleischentzündung, die von Bakterien verursacht wird und im Extremfall zum Ausfallen der Zähne führen kann. © Judita Jurkenaite/ iStock.com

Zahnfleisch im Visier: Entzündungsfördernde Bakterien im Mund können nicht nur dort Paradontitis auslösen, wo sie sitzen – sie beeinträchtigen auch entfernte Zahnfleischstellen. Dadurch kann sich das Gewebe auch dort entzünden, wo kein Zahnbelag vorhanden ist. Als Folge erhöhen schon wenige nicht gründlich geputzte Stellen im Mund das Parodontitis-Risiko im gesamten Mund. Die Studie belegt damit, welchen Einfluss eine regelmäßige Mundhygiene hat.

Parodontale Erkrankungen wie Gingivitis und Parodontitis sind chronische Entzündungen in unserem Mundraum, die das Zahnfleisch lokal angreifen und es mit der Zeit zunehmend schädigen. Die oralen Entzündungen können zudem vermutlich eine Reihe anderer körperlicher Leiden nach sich ziehen, darunter Diabetes, Rheuma, Alzheimer und Krebs. Weltweit sind knapp 800 Millionen Menschen von parodontalen Erkrankungen betroffen.

Ihre Verursacher sind verschiedene Mikroorganismen wie Bakterien im Mund, die zusammen als orales Mikrobiom bezeichnet werden. Sie bilden einen Biofilm auf den Zähnen, auch bekannt als Zahnbelag, und können das umliegende Gewebe schädigen. Doch unklar war bislang, ob und wie sich parodontale Krankheiten über lokale Stellen im Mund hinaus ausbreiten.

Wie verändert sich das Zahnfleisch?

Ein Forschungsteam um Kristopher Kerns von der University of Washington ist dem nun nachgegangen. Die Wissenschaftler untersuchten über 21 Tage hinweg, wie sich gesundes Gewebe im gesamten Mundraum von 21 jungen Menschen ohne parodontale Krankenvorgeschichte veränderte, während sich an einigen Stellen entlang des Zahnfleischrands Zahnbelag sammelte und Entzündungen bildeten.

Zu Beginn der Studie erhielten alle Teilnehmenden eine professionelle Zahnreinigung. Anschließend sollten sie für die Dauer der Studie einige Zähne an zufällig ausgewählten Teststellen in ihrem Mund nicht mehr putzen. Diese Zähne versahen die Forschenden zudem mit einer Abdeckung und förderten so lokale Entzündungen im Mund der Probanden. Für den restlichen Mundraum behielten die Versuchspersonen ihre übliche Mundhygiene bei.

Bakterien breiten sich aus und erhöhen Parodontitis-Risiko

Die Ergebnisse zeigten, dass rund um die Zähne der Teststellen schnell sichtbare Ablagerungen und akute mikrobiell induzierte Entzündungen des Zahnfleischs auftraten. In der Folge veränderte sich aber auch das gesunde Zahnfleisch auf der anderen Seite der Mundhöhle und nachfolgend dessen Mikrobiom. Die bakterielle Zusammensetzung im gesunden Gewebe ähnelte dann dem des kranken Gewebes. Dadurch entzündete sich das gesunde Zahnfleisch zwar nicht sofort, wurde aber anfälliger für Entzündungen, berichten Kerns und seine Kollegen.

Die beobachteten Effekte waren bei den Probanden unterschiedlich stark ausgeprägt und traten mit verschiedener zeitlicher Verzögerung auf, bei den sensibelsten Probanden bereits nach vier Tagen. Die Forschenden führen das auf Unterschiede in deren Immunsystem zurück. Bei Personen mit schwächerem Immunsystem könnten diese Veränderungen das Risiko erhöhen, später eine schwere Parodontitis zu entwickeln, sagen die Zahnmediziner.

Zahnreinigung bleibt beste Behandlung

„Unsere Ergebnisse zeigen, auf welche Art und Weise gesundes menschliches Gewebe durch entfernte Entzündungen beeinflusst wird und letztendlich anfällig für Krankheiten werden kann“, fasst Kerns zusammen.

An der Art der Behandlung ändert das nichts: Eine der erfolgreichsten Möglichkeiten zur Behandlung parodontaler Erkrankungen ist die professionelle Entfernung des Zahnbelags. Die Studie zeigt aber, wie wichtig eine gute Mundhygiene und frühzeitige Eindämmung der verursachenden Bakterien sind. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2023; doi: 10.1073/pnas.2306020120)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)

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