Extreme Ausdünnung: Über dem Südpol ist ein rekordgroßes Ozonloch aufgerissen – es reicht weit über die Antarktis hinaus, wie aktuelle Satellitenmessungen belegen. Die Zone der extrem ausgedünnten Ozonschicht ist rund 26 Millionen Quadratkilometer groß und damit eines der größten jemals gemessen Ozonlöcher. Als mögliche Ursache für den ungewöhnlich starken Ozonschwund gilt neben klimatischen Faktoren auch der Ausbruch des Unterwasservulkans in Tonga, der enorme Mengen Wasserdampf in die Stratosphäre schleuderte.
Seit dem Montreal-Protokoll von 1987 sind Produktion und Freisetzung von ozonschädigenden Fluorchlor-Kohlenwasserstoffen (FCKW) weltweit verboten. Dadurch schien die stratosphärische Ozonschicht allmählich wieder auf dem Wege der Besserung. Doch in den letzten Jahren stockt diese Regeneration – und kehrt sich sogar teilweise um. Die zunehmende Freisetzung neuer „Ozonkiller“ und der Klimawandel lassen das Ozonloch über dem Südpol wieder wachsen und auch über der Arktis dünnt die Ozonschicht immer häufiger stark aus.
Eines der größten jemals gemessenen Ozonlöcher
Jetzt zeichnet sich erneut ein rekordträchtiger Ozonabbau über dem Südpol ab: „Unser Ozonüberwachungs- und Prognosedienst zeigt, dass sich das Ozonloch im Jahr 2023 früh gebildet hat und seit Mitte August schnell gewachsen ist“, berichtet Antje Inness, leitende Wissenschaftlerin des Copernicus Atmosphere Monitoring Service (CAMS). „Am 16. September erreichte es eine Größe von mehr als 26 Millionen Quadratkilometern – das macht es zu einem der größten je dokumentierten Ozonlöchern überhaupt.“
Das Ausmaß des aktuellen Ozonabbaus über der Antarktis messen die Forschenden des CAMS mithilfe des 2017 in den Orbit gestarteten Satelliten Copernicus Sentinel-5P. Dieser hat ein Multispektral-Spektrometer an Bord, das die spektralen Signaturen verschiedener atmosphärischer Gase misst. „Die von Sentinel-5P gemessenen Daten zur Ozondichte haben im Vergleich zu bodengestützten Messungen eine hohe Genauigkeit“, erklärt Diego Loyola vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das die Datenauswertung des Satelliten übernimmt.
Wolken, Chlor und Winde
Typischerweise ist das Südpol-Ozonloch dann am ausgeprägtesten, wenn im Frühjahr der Südhalbkugel – in unserem September und Oktober – die Polarnacht endet und die Sonneneinstrahlung die ozonbauenden Reaktionen in der noch sehr kalten antarktischen Stratosphäre in Gang setzt. Gefördert werden diese Reaktionen durch die Präsenz von reaktiven Chlorverbindungen, die als Katalysator wirken, und von polaren Stratosphärenwolken, deren feuchte Umgebung die chemischen Abläufe erleichtert.
Doch auch überregionale Klimaeinflüsse spielen eine Rolle für das Ausmaß des antarktischen Ozonlochs: Gibt es ein deutliches Temperaturgefälle zwischen den gemäßigten südlichen Breiten und der Südpolregion, stärkt dies den polaren Vortex, ein kreisförmiges Windband rund um die Antarktis. Dieses verhindert dann den Einstrom milderer Luft in die Südpolregion und fördert damit die für den Ozonabbau günstige Abkühlung der polaren Stratosphäre.
Welche Rolle spielte die Tonga-Eruption?
Was aber ist die Ursache für das ungewöhnliche große Ozonloch in diesem Jahr? Bisher ist dies noch nicht eindeutig geklärt. Forschende vermuten aber, dass vielleicht der Ausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Januar 2022 dafür eine Rolle gespielt haben könnte. „Die Eruption schleuderte viel Wasserdampf in die Stratosphäre, der aber erst nach Ende des 2022er-Ozonlochs in die Südpolregion vordringen konnte“, erklärt Inness. Studien zufolge gelangten bei der Eruption 150.000 Kilotonnen Wasser in die Stratosphäre – mehr als jemals zuvor gemessen.
Der in die Stratosphäre geschleuderte Wasserdampf des Vulkanausbruchs führte dann über der Antarktis zu einer vermehrten Bildung polarer Stratosphärenwolken – und damit der Umgebung, die die ozonabbauenden Reaktionen begünstigt. „Die Präsenz von Wasserdampf kann zudem zur Abkühlung der antarktischen Stratosphäre beitragen“, erklärt Inness. „Das fördert ebenfalls die Bildung der Stratosphärenwolken und verstärkt zudem den polaren Vortex.“
In welchem Maße allerdings die Tonga-Eruption tatsächlich zum ungewöhnlichen Ausmaß des Ozonlochs beigetragen hat und ob auch klimatische Faktoren mitbeteiligt waren, wird zurzeit noch erforscht. Weil noch kein zuvor beobachteter Vulkanausbruch so weit in die Höhe reichte und so viele Gase in die Stratosphäre eintrug, fehlen den Forschenden schlicht die Referenzwerte.
Quelle: ESA