Weichmacher sind in den vergangenen Jahren stark in Verruf geraten, doch nicht immer geht von ihnen eine Gefahr aus. In manchen Fällen sind die Weichmacher durch Kopolymerisation fest und dauerhaft mit den Kunststoffen verbunden. Beispielsweise wird Vinylchlorid mit Vinylacetat, Maleinsäure, Ethen, Vinylether oder Acrylsäuremethylester polymerisiert und dadurch dauerhaft weich gemacht. Bei dieser Art Kunststoffe wurde bisher nicht beobachtet, dass ihre Weichmacher in die Umwelt austreten.
Freisetzung von Phthalaten
Die meisten weichmachenden Substanzen, allen voran die Phthalate, sind jedoch den Materialien wie PVC nur lose beigemischt und nicht chemisch mit ihnen verbunden. Dadurch können sie aus ihnen mit der Zeit wieder austreten – entweder in Form von Gas oder sie lösen sich bei Kontakt mit Fett oder seltener auch mit Wasser heraus. Umso länger wir beispielsweise unser Essen in Plastikfolien oder in Plastikbehältern aufbewahren, die nicht für diesen Zweck gedacht sind, desto mehr Weichmacher treten in die Lebensmittel über. Insbesondere wenn es fettreiche Lebensmittel wie Käse sind. Und auch Kunststoffböden dünsten stetig Weichmacher aus und geben sie an die Raumluft ab.
Das geschieht relativ langsam, aber so lange, bis alle Weichmacher entwichen sind und das Plastik wieder spröde ist. Die Freisetzung erfolgt sowohl bei benutzten als auch bei weggeworfenen Kunststoffen. Sie geben ihre chemischen Zusätze dann an die Umwelt ab – beispielsweise, wenn Plastikabfälle in die Natur oder ins Meer gelangen. Das aus solchem Plastikmüll entstandene Mikroplastik kann darin enthaltene Phthalate sogar bis zu 500 Jahre lang an Gewässer abgeben, wie Forschende kürzlich herausgefunden haben (doi: 10.1021/acs.est.2c05108).
Weichmacher sind allgegenwärtig
So gelangen die Chemikalien mit unseren Plastikprodukten und -abfällen in die Umwelt und auch in die Nahrungskette von Tieren und uns Menschen. Weichmacher lassen sich daher inzwischen beinahe überall in der Umwelt nachweisen, weil sie so langlebig und weit verbreitet sind.
Die europäische Initiative HBM4EU fand in den vergangenen Jahren beispielsweise Weichmacher im Blut und Urin aller untersuchten Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Und auch europaweit ist demnach die große Mehrheit der Bevölkerung belastet. „Die Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit sind oft nicht abschätzbar“, warnt Maria Krautzberger vom Umweltbundesamt, das die Initiative leitet.
Aufnahme über die Nahrung
Wir Menschen nehmen Weichmacher vor allem mit der Nahrung auf. Bei einer Erhebung des Bundesinstituts für Risikobewertung aus dem Jahr 2013 nahmen Erwachsene hierzulande im Durchschnitt jeden Tag 13 bis 21 Mikrogramm DEHP je Kilogramm Körpergewicht zu sich. Bei Kindern waren es 15 bis 44 Mikrogramm. Der empfohlene Tageshöchstwert der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit liegt seit 2005 bei 50 Mikrogramm je Kilogramm Körpergewicht. Damit liegt die Belastung mit diesem Weichmacher zwar im Schnitt noch unter den Grenzwerten, kann aber im Einzelfall auch höhere Werte erreichen.
Die Aufnahme lässt sich aber kaum vermeiden, denn auf belastete Lebensmittel zu verzichten, ist gar nicht so einfach. Weil sie bei der Verarbeitung, Verpackung und Lagerung fast immer mit weichmacherhaltigen Kunststoffen in Kontakt kommen, finden sich Weichmacher in allen Grundnahrungsmitteln. Dazu zählen Fett, Fleisch, Getreide, Obst, Gemüse und Milchprodukte.
Welche Lebensmittel enthalten die meisten Weichmacher?
Besonders schnell reichern sich Weichmacher aus Kunststoffverpackungen in fetthaltigen Nahrungsmitteln wie Mayonnaise, Pesto, ölhaltigen Konserven, Käse, Nüssen und Keksen an. Und auch Fast Food ist überdurchschnittlich stark mit Phthalaten belastet. Wenn wir diese Lebensmittel essen, nehmen wir unfreiwillig auch Phthalate und Co auf.
In einer US-Studie fanden Forschende 2016 umso mehr Weichmacher-Rückstände in Urinproben, je mehr Fastfood die Teilnehmenden zu sich genommen hatten. „Verglichen mit Nichtkonsumenten hatten Teilnehmer mit geringem Fastfood-Konsum 15,5 Prozent mehr und solche mit viel Fastfood 23,8 Prozent höhere Werte des DEHP-Abbauprodukts im Urin“, berichteten die Wissenschaftler
Kinder sind stärker belastet als Erwachsene
In unserem Körper werden die Phthalate dann abgebaut und wieder ausgeschieden. Inzwischen lassen sie sich in den Industrieländern im Urin beinahe aller Menschen nachweisen. In Deutschland waren Phthalate in 97 Prozent aller Untersuchten zu finden, wie die letzte Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit (GerES IV) von 2017 ergab.
Stoffwechselprodukte von Phthalaten fand man dort bei jüngeren Kindern in zwei- bis fünffach höheren Konzentrationen als bei älteren Kindern oder Erwachsenen. „Das kommt daher, dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen mehr essen, trinken und atmen pro Kilogramm Körpergewicht“, erklärt Koautorin Marike Kolossa-Gehring vom Umweltbundesamt. Zusätzlich nehmen Kleinkinder die Chemikalien häufig auch über Hausstaub und Dinge wie Spielzeug aufnehmen, die sie in den Mund stecken.