Die Allgegenwart von Weichmachern in Alltagsobjekten, unserer Umgebung und auch unserem Körperwäre kein Problem, wären da nicht ihre gesundheitlichen Folgen. Denn bevor sie wieder ausgeschieden werden, haben die verschiedenen Phthalate negative Auswirkungen auf unseren Körper, wie zahlreiche Studien belegen. Einige von ihnen sind sogenannte endokrine Disruptoren, auch Umwelthormone genannt, die unsere Gesundheit schädigen. „Phthalate beeinflussen unser Hormonsystem und führen dadurch zu unerwünschten Wirkungen auf Stoffwechsel oder Fruchtbarkeit“, erklärt der Umweltimmunologe Tobias Polte vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ.
Verschlechterung der Spermienqualität
Einige Phthalate können wegen ihrer hormonähnlichen Eigenschaften beispielsweise die männliche Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen, indem sie die Hoden schädigen und die Spermienqualität verringern. Zu dieser Gruppe zählen die besonders häufig vorkommenden Phthalate DEHP (Di(2-ethylhexyl)phthalat), DBP (Dibutylphthalat), DIBP (Diisobutylphthalat) und BBP (Benzylbutylphthalat).
„Das ist besonders bedeutsam, weil wir wissen, dass die Spermaqualität der Männer in Deutschland und speziell der jungen Männer über Jahrzehnte abgenommen hat“, sagte Marike Kolossa-Gehring vom Umweltbundesamt gegenüber dem NDR.
Zahlreiche Organe betroffen
Andere Phthalate beeinflussen unseren Stoffwechsel und unsere Organe: Di(2-propylheptyl)phthalat (DPHP) wirkt beispielsweise schädigend auf zwei lebenswichtige Hormondrüsen, die Schilddrüse und die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), wie Tierversuche ergaben. Diese steuert wichtige Körperfunktionen und kontrolliert das Hormonsystem des Körpers. Die Phthalate DINP und DIDP sind wiederum besonders für die Leber giftig. Auch die Niere kann durch verschiedene Phthalate geschädigt werden.
DEHP stört durch oxidativen Stress auch die Blutbildung aus Stammzellen im Knochenmark, belegt eine Studie aus dem Jahr 2021 (doi: 10.3390/cells10102703). Zudem stehen Phthalate im Verdacht, bei Kindern das Krebs– und Asthmarisiko zu erhöhen und dick zu machen. Die Auswirkungen dieser und anderer Weichmacher auf unsere Gesundheit ist noch nicht abschließend wissenschaftlich untersucht, die Liste an Hinweisen auf Gesundheitsschäden ist jedoch lang.
Welches Risiko geht von Weichmachern für Menschen aus?
Wenn wir Menschen also unweigerlich Weichmacher „essen“ und diese gesundheitsschädigend sein können, warum sind wir dann nicht alle krank? Für rund 99 Prozent der Erwachsenen besteht laut Bundesinstitut für Risikobewertung keine akute Gesundheitsgefahr durch Weichmacher in Nahrungsmitteln, da sie dort in der Regel nicht in gesundheitsgefährdenden Konzentrationen vorkommen. Einige wenige Erwachsene sind jedoch durch ihren Lebens- und Ernährungsstil vermehrt Phthalaten ausgesetzt und dadurch gefährdet.
Etwas anders sieht es bei Kleinkindern aus. Bei ihnen konnte bei der letzten Beurteilung von 2013 eine gesundheitliche Beeinträchtigung „nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen“ werden. Die allermeisten Kleinkinder nähmen jedoch ebenfalls nur sehr geringe Mengen der Weichmacher auf. Dennoch wird in der Gesetzgebung entsprechend dieser Risikobewertung unterschieden, ob Weichmacher für Kinder- oder Erwachsenenprodukte verwendet werden dürfen.
Pränatale Belastung im Mutterleib
Doch nicht nur bei Kleinkindern, sondern bereits bei Ungeborenen ist besonderer Schutz geboten. Denn selbst im Blut von Neugeborenen sind bereits Weichmacher zu finden, wie unter anderem eine US-Studie aus dem Jahr 2021 belegt. „Es ist alarmierend, dass wir immer wieder Chemikalien finden, die von schwangeren Frauen an ihre Kinder weitergegeben werden“, sagte damals die Koautorin Tracey Woodruff.
Hinzu kommt, dass sich Phthalate auf die Körper von Ungeborenen und Kleinkindern stärker auszuwirken scheinen als bei Erwachsenen, wie eine Langzeitstudie aus Deutschland zeigt, die 2017 veröffentlicht wurde (doi: 10.1016/j.jaci.2017.03.017). Demnach besitzen Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft einer höheren Konzentration an Weichmachern ausgesetzt waren, bereits bei Geburt weniger Immunzellen im Blut. Dadurch erkranken sie in den ersten Lebensjahren häufiger an Neurodermitis oder Asthma.
Schwere Folgen zu Lebzeiten
Die Forschenden fanden einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der pränatalen Belastung der Kinder mit Weichmachern und diesen Erkrankungen. „Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt: Ist der Organismus während der frühen Entwicklungsphase Phthalaten ausgesetzt, kann das Auswirkungen auf das Krankheitsrisiko haben“, sagte Koautor Tobias Polte vom UFZ. Diese Prägung könne dann sogar Folgen bis in die übernächste Generation haben.
Auch die Entwicklung des Gehirns kann bei Ungeborenen durch die hormonelle Wirkung von Phthalate gestört sein, wie weitere Studien nahelegen. Das hat unter anderem Folgen auf die Sprachentwicklung der Kinder.