Photonischer Trick: Physiker haben eine Methode entwickelt, die das Quantenrauschen am US-Gravitationswellen-Detektor LIGO vollständiger und frequenzangepasst unterdrückt – und so die von der Quantenphysik gesetzte Sensitivitätsgrenze überwindet. Möglich wird dies durch die Kombination verschiedener photonischer „Quantenpressen“ am Lasermessstrahl, wie das Team berichtet. Dadurch lässt sich die Detektionsrate für Gravitationswellen künftig um 65 Prozent erhöhen.
Die LIGO-Gravitationswellen-Detektoren nutzen kilometerlange Lasermesstrecken, um die von kosmischen Ereignissen verursachten Erschütterungen der Raumzeit nachzuweisen. Diese erzeugen winzige Verschiebungen in der Phase der beiden senkrecht zueinander stehenden Laserstrahlen, die als Interferenzmuster sichtbar werden – im Idealfall. Doch viele dieser Verschiebungen sind so schwach, dass sie im thermischen Rauschen und der Vakuumfluktuation untergehen.
„Gequetschtes“ Rauschen
Bereits 2019 entwickelten Physiker für LIGO deshalb eine „Quantenpresse„, die das vom Quantenrauschen gesetzte Limit umgeht: Ein Ensemble aus einem photonischen Kristall und mehreren Spiegeln unterdrückt das Störrauschen in der Phase des Laserlichts – der für die Detektion benötigten Messgröße. Die Quantenphysik bedingt allerdings, dass dafür das Rauschen in einer anderen Größe zunehmen muss – in diesem Fall der Amplitude des Laserlichts.
Durch diese Quantenpresse konnten die Physiker zwar die Sensitivität ihrer Detektoren in den oberen Frequenzen messbar erhöhen, das hat jedoch einen Preis: Um trotz der stärker verrauschten Lichtamplitude noch ein genügend starkes Signal zu erhalten, muss man die Intensität des Laserstrahls erhöhen. Dadurch steigt jedoch der Strahlungsdruck auf die frei beweglichen Spiegel und verursacht eine Art „Grummeln“ im niederfrequenten Bereich – der LIGO-Detektor wird für Gravitationswellen in diesem Frequenzbereich „schwerhöriger“.
Frequenzangepasste Quantenpresse
Abhilfe schafft nun eine Erweiterung der „Quantenpresse“, die Dhruva Ganapathy vom Massachusetts Institute of Technologie (MIT) und sein Team entwickelt haben. Diese ermöglicht es, das Quantenrauschen flexibel an die gewünschten Messfrequenzen anzupassen. Dadurch kann LIGO nun auch Gravitationswellen mit niedrigeren Frequenzen besser „erlauschen“ als bisher. „Es ist die erste Umsetzung einer solchen frequenzabhängigen Quantenpresse in einem Gravitationswellen-Detektor voller Größe“, erklären die Physiker.
Konkret funktioniert das neue System durch zusätzliche photonische Filter und Spiegel, die in einer eigenen, 300 Meter langen Kammer untergebracht sind. Sie manipulieren das eingespeiste Laserlicht je nach Frequenz auf unterschiedliche Weise. Das Quantenrauschen kann dadurch auch in den niedrigeren Frequenzen unterdrückt werden. „Vorher mussten wir uns entscheiden, wo wir LIGO präziser haben wollten“, sagt Koautorin Rana Adhikari vom California Institute of Technology. (Caltech) „Jetzt können wir auf beiden Hochzeiten tanzen.“
Erste Tests erfolgreich
Das neue System ist seit Mai an den beiden LIGO-Detektoren installiert – und zahlt sich aus: „Im LIGO-Detektor Hanford verringerte dies die Amplitude des Detektorrauschens um den Faktor 1,6 im Bereich um ein Kilohertz, bei LIGO-Livingston gab es eine Rauschverringerung um den Faktor 1,9“, berichten die Physiker. „Die erhöhte Sensitivität in niedrigeren Frequenzen erhöht die Detektorreichweite und entspricht einem Anstieg der astrophysikalischen Detektionsrate um 65 Prozent.“
Dadurch könnten die LIGO-Detektoren künftig neben den Signalen verschmelzender Schwarzer Löcher auch mehr Gravitationswellen von schwächeren Quellen wie kollidierenden Neutronensternen einfangen. „Mit mehr Detektionen solcher Kollisionen können wir mehr darüber erfahren, was sich im Inneren der Neutronensterne verbirgt“, sagt Ganapathy.
Nützlich auch für andere Quantentechnologien
Das neue System der quantenphysikalischen Rauschunterdrückung soll in naher Zukunft auch bei anderen Gravitationswellen-Detektoren wie Virgo in Italien oder KAGRA in Japan zum Einsatz kommen. „Indem wir dieses Quantenlimit überwunden haben, ermöglicht uns dies eine Menge mehr Astronomie“, sagt KoautorLee McCuller vom Caltech. „Die theoretischen Gleichungen dafür kennen wir schon seit einer Weile, aber es war nicht klar, ob wir das auch praktisch umsetzen können – bis jetzt.“
Darüber hinaus könnte die Methode aber auch bei anderen Quantentechnologien nützlich sein: „Wir können das bei LIGO Gelernte auch in anderen Bereichen anwenden, die Messungen subatomarer Distanzen mit hoher Genauigkeit erfordern“, erklärt McCuller. (Physical Review X, accepted)
Quelle: LIGO, Massachusetts Institute of Technology