Das beste zweier Welten

Vom Analog-Chip zum Hybridrechner

Noch steht die Renaissance der Analogcomputer am Anfang. Dies liegt auch daran, dass dafür einige grundlegende Probleme überwunden werden müssen: Wie macht man analoge Rechentechnik präziser und besser steuerbar – und wie kombiniert man sie mit unseren ansonsten digitalen Systemen?

Hybrid-Chip
Beispiel für einen analog-digitalen Hybrid-Chip, entwickelt Yannis Tsividis und seinem Team an der Columbia University in New York. © Columbia University

Analoges Rechnen mit digitaler Steuerung

Der erste Punkt ist genau das Problem, weswegen analoge Rechner in den 1970er Jahren ins Hintertreffen gerieten: Weil sie nicht von Software und seinem zentralen Algorithmus gesteuert waren, musste ihre Verkabelung für die Bearbeitung jeder neuen Aufgabe aufwendig umgesteckt und angepasst werden. Selbst bei den ersten Analogchips war das Umstecken von Widerständen und Leitungen noch nötig – keine sehr praktikable Lösung für Massenanwendungen.

Doch inzwischen gibt es eine Lösung: Moderne Analogchips kombinieren analoge Rechenbausteine mit einer digitalen Programmierung. Dabei übernimmt die analoge Architektur das eigentliche Rechnen, für die Steuerung und angepasste Verknüpfung der Analogkomponenten sorgt die übergeordnete digitale Kontrollebene. Die ersten hybriden Analogchips nach diesem Prinzip haben Yannis Tsividis und sein Team von der Columbia University in New York bereits 2016 konstruiert.

„Für diese haben wir analog-zu-digital und digital-zu-analog-Konverter entwickelt“, erklärt Tsividis. „Wir können ein analoges Signal in einen solchen Konverter einspeisen und er wandelt es in eine Binärzahl um.“ Dieser digitale Wert kann dann gespeichert oder weiterverarbeitet werden. Umgekehrt können digitale Anweisungen so an die analogen Komponenten weitergereicht werden. Dadurch erhalten Analogcomputer einfacher zu bedienende digitale Nutzer-Schnittstellen, die die praktische Anwendung der Analogrechner erleichtern.

Das Problem der Ungenauigkeit

Ein weiterer Vorteil der Hybrid-Technologie: Rein analoge Computer sind aufgrund ihrer vielen miteinander interagierenden physikalisch-elektrischen Komponenten per se ungenauer als ihre digitalen Gegenparts: Elektrische Widerstände oder auch optoelektronische und elektrochemische Bauteile wie in neuesten Analogcomputern liefern leicht schwankende Ausgaben. Je mehr solcher Komponenten miteinander verschaltet werden, desto mehr solcher winzigen Abweichungen können sich addieren und zu Fehlern führen – beispielsweise in neuronalen Netzwerken für KI-Systeme, die auf analogen Chips beruhen.

„Die Präzision war bisher die Achillesferse des analogen Computings“, erklärt Charles Mackin von IBM Research. „Erschwerend kommt dazu, dass sich einige dieser Fehler auch mit der Zeit ändern. Das kann bedeuten, dass sich auch das in analoge Chips programmierte KI-Modell von einem Tag auf den anderen leicht verschieben kann.“ In der digitalen Welt der Nullen und Einsen kommt dies dagegen nicht vor, denn dort sorgen definierte Schwellenwerte für klare Verhältnisse.

ANaloger Chip mit digitaler Umgeb ung
Dieser von IBM Research entwickelte analoge Chip für KI-Anwendungen arbeitet inmitten einer digitalen Umgebung. © IBM Research

Digitale Fehlerkorrektur fürs analoge Rechnen

Eine Lösung kann auch hier die Kombination von analog und digital bieten: Ein nachgeschalteter digitaler Computer kann die Lösung des Analogrechners prüfen und präzisieren. Nach diesem Prinzip funktioniert auch die von Mackin und sein Team im Sommer 2022 vorgestellte Lösung für analoge KI-Systeme. Dabei dient ein digitaler Algorithmus als Fehlerkorrekteur, der Abweichungen in den von den Analogchips gelieferten Gewichtungswerten des neuronalen Netzwerks erkennt und korrigiert.

„Wir haben festgestellt, dass KI-Anwendungen auf analogen Rechnern mit dieser Technologie gleich gut arbeiten wie KI-Anwendungen auf digitalen Chips“, berichtet Mackin. „Die Präzisionslücke verschwand und kam auch Wochen später nicht wieder.“ Nach Ansicht der IBM-Forscher ist dieser Durchbruch ein wichtiger Schritt, um Analogchips gegenüber digitalen Mikrochips konkurrenzfähig zu machen. „Wenn diese Präzisionslücke geschlossen ist, können das Tempo und die Energieersparnis unserer analogen Technologie richtig anfangen zu strahlen“, so Mackin.

Ähnlich sieht es auch der Analogcomputer-Pionier Tsividis: „Diese hydride Form des Computing vereint das beste beider Welten: Analog für approximatives Computing mit hohem Tempo und geringem Energiebedarf und digital für die Programmierung, Speicherung und Berechnungen mit hoher Präzision.“

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Analoge Computer
Renaissance einer totgeglaubten Technologie

Die Grenzen des Digitalen
Warum Bits und Bytes nicht immer optimal sind

Zurück in die Zukunft?
Die Anfänge des analogen Rechnens

Die Wiederauferstehung
Warum analoge Computer heute wieder attraktiv sind

Das beste zweier Welten
Vom Analog-Chip zum Hybridrechner

Mit Licht und Metamaterialien
Neue Formen des analogen Computings

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