Exotische Überraschung: Physiker haben erstmals experimentell ermittelt, wie sich ein Superfluid beim Eintauchen anfühlen würde – eine exotische Quantenflüssigkeit ohne jede Reibung. Als Fingerersatz diente dabei ein spezieller Messfühler, als Superfluid ultrakaltes Helium-3. Das verblüffende Ergebnis: Das Superfluid reagiert wie eine zweidimensionale Membran, unter der nichts liegt. Denn nur die Grenzschicht interagiert thermisch und mechanisch mit dem eingetauchten Fühler, der Rest des Superfluids dagegen nicht.
Unter extremen Bedingungen verlieren manche Gase und Flüssigkeiten jede innere Reibung. Dadurch können solche Superfluide aufwärts fließen, extrem schnelle Wirbel bilden und durch kleinste Lücken dringen. Allerdings kommen sie nur unter extremen Bedingungen vor: Im energiereichen Quark-Gluon-Plasma, im Inneren von Neutronensternen oder auch bei ultrakaltem Helium-3.
Ultrakaltes Helium-3 und ein künstlicher Finger
Doch wie fühlt sich ein solches Superfluid an? Wie interagiert es mit einem eingetauchten Objekt? „Während der hundertjährigen Geschichte der Quantenphysik konnte diese Frage bisher niemand beantworten“, sagt Erstautor Samuli Autti von der Lancaster University. Die meisten superfluiden Materialien sind schlicht außerhalb unserer Reichweite, existieren nur Sekundenbruchteile oder wären zu heiß oder kalt, um einfach mal den Finger hineinzustecken.
„Aber wir zeigen nun, dass diese Frage zumindest für superfluides Helium-3 beantwortet werden kann“, sagt Autti. Für ihr Experiment füllten die Physiker dieses leichtere Isotop des Heliums in ein zylindrisches, mit Helium-4 beschichtetes Gefäß und kühlten es bis auf rund ein Zehntausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt ab. Dadurch ging das Helium-3 in den superfluiden Zustand über. Dann bewegten sie einen fingergroßen Messfühler in wechselnden Geschwindigkeiten durch das superfluide Helium.
Ein in die Gefäßwand integrierter Schwingkreis diente dabei als Bolometer, das die von der Bewegung des Fühlers in das Superfluid übertragene Wärmeenergie detektierte. Der Messfühler ermittelte die Temperatur direkt an seiner Kontaktfläche mit dem Superfluid.
Wie eine nur zweidimensionale Schicht
Das Experiment ergab Überraschendes: Anders als bei einer normalen Flüssigkeit übertrug sich die Energie der Messfühlerbewegung nicht gleichmäßig in die superfluide Umgebung. Stattdessen detektierten die Bolometer die durch die Energiezufuhr erzeugten Signale nur in der hauchdünnen Oberflächenschicht des Helium-3. Nur diese zweidimensionale Grenzschicht interagierte thermisch und mechanisch mit dem sich bewegenden Fühler, der Rest des Superfluids blieb dagegen völlig passiv und unberührt.
Praktisch bedeutet dies: „Wenn man einen Finger in diese Flüssigkeit stecken würde, hätte man das Gefühl, eine zweidimensionale Membran zu durchstoßen“, erklärt Autti. „Der ganze Rest des Superfluids würde sich völlig leer anfühlen, wie ein Vakuum.“ Denn die vom Finger eingebrachte Energie in Form von Wärme breitet sich nur entlang der Grenzschicht aus – am Finger entlang und an der Oberfläche des Superfluids.
Neue Sicht auf Superfluide
Damit enthüllt dieses Experiment, dass ultrakaltes, superfluides Helium-3 thermo-mechanisch zweidimensional ist. Wie Autti und sein Team feststellten, bilden sich nur in dieser zweidimensionalen Schicht die Quasipartikel, die im Superfluid für die Wärmeübertragung nötig sind. „Der Hauptteil des Superfluids ist dadurch von dieser unabhängigen, zweidimensionalen Schicht isoliert und nur diese interagiert mit mechanischen Fühlern“, erklären die Physiker.
Die Entdeckung dieses zweidimensionalen Quantenkondensats an der Superfluid-Oberfläche eröffnet neue Möglichkeiten, solche exotischen Materiezustände zu erforschen und gezielt herzustellen. „Dies verändert unsere Vorstellungen zum superfluiden Helium-3 und damit einem wichtigen makroskopischen Quantensystem“, konstatieren Autti und seine Kollegen. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-42520-y)
Quelle: Lancaster University