Planetare Stoppuhr: Die Erdrotation lässt sich jetzt mit noch größerer Schnelligkeit und Präzision messen. Möglich wird durch die Ringlaser-Messanlage im bayrischen Wettzell. In ihr zeigen winzige Frequenzverschiebungen der gegenläufig durch eine Messstrecke laufenden Laserstrahlen an, wie schnell sich unser Planet dreht. Dank verbesserter Korrekturprogramme und Laseroptimierungen können diese Werte nun bis auf neun Nachkommastellen genau und mehrfach pro Tag erhoben werden – anders als beispielsweise die astronomischen Rotationsmessungen.
Unsere Erde dreht sich einmal in 24 Stunden um sich selbst – das bestimmt unsere Tageslänge und Weltzeit. Doch weder ihr Rotationstempo noch ihre Ausrichtung sind dabei konstant. Stattdessen beeinflussen Faktoren wie der Mond, die Bewegungen von Ozeanen und Atmosphäre, Strömungen im Erdkern und sogar Erdbeben die Rotation unseres Planeten. Dadurch schwankt die Tageslänge ständig – umso wichtiger ist es, sie möglichst präzise und engmaschig zu messen.
Ringlaser statt Teleskop
„Die Rotationsschwankungen zu kennen, ist nicht nur für die Astronomie wichtig, wir brauchen sie auch, um Klimamodelle zu erstellen oder Wetterphänomene wie El Niño besser zu verstehen – je genauer die Daten, desto besser die Vorhersagen“, erklärt Projektleiter Ulrich Schreiber von der TU München. Bisher wird die Erdrotation vor allem mit astronomischen Methoden gemessen – Teleskope gleichen die Erdbewegung an Sternen und anderen Referenzpunkten am Himmel ab. Doch um diese Messungen zu kalibrieren und Messdaten möglichst in Echtzeit zu erhalten, sind weitere, unabhängige Methoden nötig.
Eine dieser unabhängigen Messungen findet am Geodätischen Observatorium Wettzell in Bayern statt. Dort liegt eine auf massivem Fels ruhende, von einer Druckkammer und unter fünf Meter Erde geschützte Ringlaseranlage. Sie besteht aus zwei Laserstrahlen, die in entgegengesetzter Richtung durch einen quadratischen Pfad von vier Metern Seitenlänge gelenkt werden. Durch die Erddrehung ist der Weg für den einen Strahl winzige Sekundenbruchteile kürzer als für den anderen. Als Folge kommt es im Ringlaser zu einer leichten Phasenverschiebung des Laserlichts, weil die Frequenzen nicht mehr genau übereinstimmen. Daran lässt sich die Rotationsgeschwindigkeit ablesen.
Messtakt auf drei Stunden verkürzt
Jetzt haben Schreiber und sein Team diese Ringlaser-Messanlage noch einmal optimiert und ermöglichen damit Messungen in bisher unerreichbarer Schnelligkeit und Präzision. Dafür installierten die Forschenden Verbesserungen am Laser und entwickelten einen Korrekturalgorithmus für die Sychronisation der Laserstrahlen. Denn für die Messungen müssen die Wellenformen beider Strahlen möglichst identisch sein, was aber durch technische Einflüsse nie zu hundert Prozent möglich ist. Eine gewisse Asymmetrie ist daher bauartbedingt immer vorhanden.
Durch ein verbessertes theoretisches Modell der Laseroszilllationen haben die Geodäten nun diese systematischen Effekte aber so weit erfasst, dass sie sich genauer berechnen lassen und so aus den Messungen herausgerechnet werden können. Durch diese Korrekturprogramme und Verbesserungen am Laser sind auch deutlich kürzere Messperioden möglich. Der Ringlaser kann nun alle drei Stunden aktuelle Daten erfassen – GPS-Messungen und Teleskopverbünde schaffen bisher nur eine Messung pro Tag.
Zuvor unerreichte Präzision
Doch auch die Präzision der Messungen hat sich erhöht: „Wir haben die winzigen Schwankungen in der Rotationsrate der Erde bis auf ein Niveau von fünf Billionsteln gemessen“, berichtet das Team. Damit kann der Ringlaser in Wettzell nun die Erdrotation bis auf neun Stellen genau messen – das entspricht dem Bruchteil einer Millisekunde pro Tag. Bezogen auf die Laserstrahlen haben die Messungen erst ab der 20. Stelle der Lichtfrequenz eine Messunsicherheit. „Eine so hohe zeitliche Auflösung ist für einen eigenständigen Ringlaser in den Geowissenschaften ein Novum“, sagt Urs Hugentobler von der TU München.
Der Ringlaser trägt damit dazu bei, die subtilen Schwankungen der Erdrotation und der Tageslänge genauer zu bestimmen. „Die exakte Messung dieser Störungen liefert wichtige Begrenzungen für geophysikalische Modelle, die den integrierten Effekt des globalen Massentransports beschreiben“, erklären Schreiber und seine Kollegen. Gemeint sind damit die Einflüsse, die beispielsweise Veränderungen im globalen Wasserkreislauf, der Eisbedeckung oder auch der Luftmassen auf die Erddrehung haben.
Hilfreich auch für andere Messysteme
Gleichzeitig können die unabhängig von Referenzdaten gemessenen Werte dabei helfen, systematische Fehler aus anderen Messmethoden wie den astronomischen Messungen zu identifizieren und auszugleichen. „Anders als bei anderen Systemen agiert unser Laser völlig eigenständig und benötigt keine Referenzpunkte im Weltall. Wir sind zudem auch noch äußerst präzise“, betont Hugentobler. Für die Zukunft wollen die Forschenden die Anlage weiter optimieren, um die Messperioden nochmals verkürzen zu können. (Nature Photonics, 2023; doi: 10.1038/s41566-023-01286-x)
Quelle: Technische Universität München