Zoologie

Wie der skurrile Schnabeligel wiederentdeckt wurde

Expeditionsteam gelingt erste Sichtung nach über 60 Jahren „Funkstille“

Attenborough-Langschnabeligel
Ertappt! Nach über 60 Jahren hat sich der seltene Attenborough-Langschnabeligel nun an einer indonesischen Wildtierkamera blicken lassen. © Expedition Cyclops

Endlich wiedergefunden: Im indonesischen Dschungel ist ein Forschungsteam zum ersten Mal seit über 60 Jahren wieder auf einen der seltenen Attenborough-Langschnabeligel gestoßen. Das Tier gehört wie das Schnabeltier zur einzigen eierlegenden Säugetiergruppe und gilt als äußerst scheu. Neben dem Wiedersehen mit dem Schnabeligel begegnete das Team auch zahlreichen neuen Arten wie baumlebenden Krabben und entdeckte außerdem ein bislang unbekanntes unterirdisches Höhlensystem.

In Australien und Neuguinea leben die urtümlichsten und wahrscheinlich seltsamsten Säugetiere der Welt: Schnabeltiere und Schnabeligel, auch bekannt als Kloakentiere. Sie legen Eier, säugen ihre Jungen mit Milch und gehen außerdem mithilfe eines ungewöhnlichen Elektrosinns auf Jagd. Insgesamt sind nur fünf Arten dieses besonderen Zweigs der Evolution bekannt, der sich wahrscheinlich schon vor rund 200 Millionen Jahren vom Rest der Säugetiere abgespalten hat.

Phantom Schnabeligel

Eine der fünf Kloakentier-Arten ist der mysteriöse Attenborough-Langschnabeligel (Zaglossus attenboroughi), benannt nach dem britischen Tierfilmer und Naturforscher Sir David Attenborough. Das Tier mit den Stacheln eines Igels, der Schnauze eines Ameisenbären und den Füßen eines Maulwurfs wurde bislang nur ein einziges Mal wissenschaftlich erfasst – und das bereits im Jahr 1961, als ihn der niederländischen Botaniker Pieter van Royen im Zyklopengebirge der indonesischen Provinz Papua entdeckt hat.

Seitdem berichtete nur das in diesem Gebiet ansässige Yongsu-Sapari-Volk von Sichtungen dieses ungewöhnlichen Schnabeligels. Wissenschaftliche Expeditionen hingegen stießen lediglich auf „Nasenstupser“ im Boden, die Zaglossus attenboroughi auf der Suche nach Würmern hinterlassen hatte. Unter anderem aufgrund dieser lückenhaften Berichte gilt der Langschnabeligel als vom Aussterben bedroht.

Westlicher Langschnabeligel
Dieser Westliche Langschnabeligel ist ein enger Verwandter des Attenborough-Langschnabeligels und sieht ihm entsprechend ähnlich. © Jaganath/CC-by-sa 3.0

In die Kamerafalle gegangen

Mehr als 60 Jahre nach der letzten wissenschaftlichen Sichtung hat sich nun erneut ein Forschungsteam auf die Suche nach dem Attenborough-Langschnabeligel ins Zyklopengebirge begeben. Fast vier Wochen verbrachte das Team im indonesischen Urwald und versuchte, dem scheuen Kloakentier mit mehr als 80 Überwachungskameras auf die Schliche zu kommen. Dabei erhielt es auch Unterstützung von der indigenen Bevölkerung, die Tipps gab und den Zugang zu bislang unerforschten Bereichen erlaubte.

Und tatsächlich: Am allerletzten Expeditionstag, auf den letzten Bildern der letzten Speicherkarte, gelang es den Forschenden schließlich, den Langschnabeligel erstmals zu fotografieren. Am frühen Abend um 20:08 Uhr war der nachtaktive Höhlenbewohner in eine der Fotofallen getappt. „Die Entdeckung ist das Ergebnis harter Arbeit und einer dreieinhalbjährigen Planung“, erklärt Expeditionsmitglied James Kempton von der Oxford University.

Baumkrabben und unbekannte Höhlenwelten

Neben dem langersehnten Wiedersehen mit dem Attenborough-Langschnabeligel erlebte das Team auch eine Reihe weiterer spannender Begegnungen. Unter anderem spürten die Forschenden den Mayr-Honigfresser (Ptiloprora mayri) auf, einen Vogel, der seit 2008 als für die Wissenschaft verloren galt. Auch gänzlich neue Arten kreuzten den Weg des Teams, darunter zahlreiche Insekten und baumlebende Krabben.

„Wir waren ziemlich schockiert, als wir diese Krabbe im Herzen des Waldes entdeckten, denn das ist eine bemerkenswerte Abweichung vom typischen Lebensraum dieser Tiere am Meer“, erklärt Expeditionsmitglied Leonidas-Romanos Davranoglou vom Oxford University Museum of Natural History. „Wir glauben, dass die hohe Niederschlagsmenge im Zyklopengebirge für eine so hohe Luftfeuchtigkeit sorgt, dass diese Lebewesen ausschließlich an Land leben können.“

Als einer der Forschenden im Laufe der Expedition in ein mit Moos bewachsenes Loch fiel, stieß das Team außerdem zufällig auf ein bislang unerforschtes Höhlensystem. Dort fanden sie ebenfalls zahlreiche unbekannte Arten, darunter blinde Spinnen und einen Geißelskorpion. Das Team geht davon aus, dass die Sichtung der gesammelten Tierproben zurück in der Heimat noch viele weitere neue Arten offenbaren wird.

Der Vergangenheit der Region auf der Spur

Neben Tierexemplaren sammelte das Team auch über 75 Kilogramm Gesteinsproben für geologische Analysen. Mit ihrer Hilfe könnten die Forschenden nun herausfinden, wie und wann das artenreiche Zyklopengebirge einst entstanden ist. Aktuell geht man davon aus, dass es sich auffaltete, als vor zehn Millionen Jahren ein Inselbogen im Pazifischen Ozean mit dem Festland von Neuguinea kollidierte.

Quelle: University of Oxford

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