Abgeknickte Stürme: Die rasenden Windbänder des Jupiter reichen nicht nur mehr als 3.000 Kilometer weit ins Planeteninnere – ihre Ausrichtung ist auch anders als landläufig angenommen. Denn statt senkrecht zur Oberfläche setzen sich die Sturmbänder abgeknickt nach innen fort: Sie laufen parallel zur Rotationsache des Jupiter und bilden um sie herum einen Zylinder, wie Planetenforscher in „Nature Astronomy“ auf Basis von Daten der NASA-Raumsonde Juno berichten. Dies klärt eine seit 50 Jahren anhaltende Debatte.
Ob der Große Rote Fleck oder die bräunlich-weißen Sturmbänder: Schon Galileo Galilei beobachtete die gewaltigen Stürme, die das Aussehen des Jupiter prägen. Rund ein Dutzend Windbänder rasen abwechselnd in Ost- oder Westrichtung um den Planeten und erreichen dabei Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometer pro Stunde. Messdaten der NASA-Raumsonde Juno haben enthüllt, dass diese Stürme mehr als 3.000 Kilometer in die Tiefe ragen, kürzlich wurde zudem ein Jetstream entdeckt, der oberhalb der Wolkendecke um den Planeten rast.
Gravitationsmessungen als „Röntgengerät“
Doch wie sieht es unter der Wolkendecke des Gasriesen aus? Schon seit den 1970er Jahren debattieren Planetenforscher darüber, welche Ausrichtung die tiefen Wurzeln der jovianischen Windbänder haben: Laufen sie senkrecht zur Oberfläche, wie man es von hohen Wolken der Erde kennt? Oder werden sie unter dem Einfluss der schnellen Rotation des Jupiter und seiner internen Konfektionsströmungen abgeknickt, wie es einige Laborexperimente und Computermodelle nahelegen?
Um das zu überprüfen, haben nun Yohai Kaspi vom Weizmann Institute of Science in Israel und seine Kollegen neue Messdaten der Juno-Sonde zum Schwerefeld des Jupiter ausgewertet. Dafür werden winzige Schwankungen im Radiosignal der Raumsonde gemessen, während sie dicht am Jupiter vorbeifliegt. Weil die Schwerkraft des massereichen Planeten dabei ihre Fluggeschwindigkeit leicht verändert, können Planetenforscher darüber das Schwerefeld des Gasriesen vermessen. Die Messungen zeigen auch die Senken und Beulen im Schwerefeld, die durch die Sturmbänder und ihre Wurzeln erzeugt werden.
Kaspi und sein Team haben diese Messdaten mithilfe eines speziellen mathematisch-physikalischen Verfahrens ausgewertet, das die Vorgänge unter der Wolkendecke mit vierfach höherer Auflösung zeigt als zuvor.
Abgeknickte Wurzeln
Es zeigte sich: Anders als auf der Erde setzen sich die Stürme des Jupiter nach innen hin nicht senkrecht zur Oberfläche fort. Stattdessen ragen die Sturmwurzeln in einem abgeknickten Winkel zur Oberfläche in die Tiefe, wie die Forschenden ermittelten. Das Sturmband, das an der Jupiter-Oberfläche beispielsweise bei 21 Grad Nord liegt, endet dadurch in der Tiefe bei rund 13 Grad Nord. Die Sturmwurzeln sind dabei jeweils zum Äquator hin abgewinkelt.
„Diese Messungen liefern direkte Belege dafür, dass die Strömungen nach innen hin der Richtung der Rotationsache folgen“, erklärt das Team. Die Wurzeln der Stürme verlaufen dabei jeweils parallel zur Drehachse des Jupiter. „Dies bestätigt die zylindrische Natur dieser Strömungen, wie es schon seit den 1970er Jahre postuliert wurde.“ Die schnelle Rotation des Gasriesen sorgt demnach dafür, dass die Gase und Fluide in seinem Inneren einen um die Achse liegenden Zylinder bilden, statt radiär und senkrecht zur Oberfläche nach außen zu reichen.
Relevant auch für andere Gasriesen
Diese Erkenntnisse klären damit die Streitfrage um die Ausrichtung der tiefen Sturmwurzeln auf dem Jupiter. Sie könnten auch für andere große, schnell rotierende Gasplaneten relevant sein. „Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Juno-Mission zeigen uns nicht nur den Jupiter in neuem Licht, sie sind für alle großen Planeten relevant – sowohl in unserem Sonnensystem als auch darüber hinaus“, sagt Seniorautor Scott Bolton vom Southwest Research Institute in Texas.
Die Raumsonde Juno hat im Rahmen ihrer Mission bereits 55 nahe Vorbeiflüge am Jupiter absolviert. Dabei kam sie auch den Jupitermonden Ganymed und Europa mehrfach nahe. Aktuell ist die Raumsonde dabei, den innersten Jupitermond Io näher zu erkunden. Am 30. Dezember 2023 wird sie seiner von aktiven Vulkanen übersäten Oberfläche dafür bis auf 1.500 Kilometer nahekommen. (Nature Astronomy, 2023; doi: 10.1038/s41550-023-02077-8)
Quelle: NASA / Jet Propulsion Laboratory