Astronomie

Hat auch die Sonne Auroren?

Astronomen beobachten erstmals Polarlicht-typische Radioemissionen über einem Sonnenfleck

Solare Radio-Aurora
Astronomen haben Radio-Emissionen von der Sonne eingefangen, die von einer solaren Variante der planetaren Polarlichter stammen. Diese solare Radio-Aurora entsteht hoch über den Sonnenflecken. © Sijie Yu

Verräterisches Pulsieren: Astronomen haben auf der Sonne erstmals Indizien für ein Polarlicht-ähnliches Phänomen entdeckt. Rund 40.000 Kilometer über einem Sonnenfleck detektierten sie eine Quelle langanhaltender, polarisierter Radiopulse, wie sie sonst für die Auroren auf der Erde und anderen Planeten typisch sind. Ähnlich wie bei irdischen Polarlichtern entstehen diese Aurora-Radioemissionen durch Elektronen, die in Magnetfeldlinien gefangen und beschleunigt werden, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet.

Es gibt sie auf der Erde, auf Jupiter und Saturn, auf einigen Monden und sogar auf Kometen: Polarlichter sind ein häufiges Phänomen im Weltall. Diese farbigen Leuchterscheinungen entstehen meist, wenn energiereiche, geladene Teilchen des Sonnenwinds mit den Atomen der Atmosphären interagieren. Auf der Erde und vielen anderen Planeten spielt dafür das jeweilige Magnetfeld eine entscheidende Rolle: Es fängt die geladenen Teilchen ein und beschleunigt sie entlang seiner Feldlinien. Dies verleiht ihnen die nötige Energie, gleichzeitig setzt diese Beschleunigung auch Radiostrahlung frei – man kann Polarlichter sogar hören.

Very Large Array
Das Very Large Array (VLA) in New Mexico hat die ungewöhnlichen solaren Radiopulse eingefangen. © Bettymaya Foott, NRAO/AUI/NSF

Merkwürdige Radiopulse

Jetzt enthüllen Radio-Beobachtungen, dass es sogar auf der Sonne ein Aurora-Phänomen geben könnte. Entdeckt haben dies Sijie Yu vom New Jersey Institute of Technology in Newark und seine Kollegen, als sie die Sonne mit dem Radioteleskopverbund Very Large Array (VLA) in den USA ins Visier nahmen. Dabei zeigte sich neben kurzzeitigen, mit kleineren Strahlungsausbrüchen assoziierten Radiopulsen ein zuvor nicht bekanntes Muster der Radioemissionen.

„Wir haben einen seltsamen Typ von langanhaltenden, polarisierten Radiopulsen detektiert, die mehr als eine Woche lang anhielten“, berichtet Yu. Diese breitbandigen Radiopulse erstreckten sich über den Frequenzbereich von einem bis 1,7 Gigahertz und waren zu fast 100 Prozent rechtsdrehend zirkulär polarisiert. Im Schnitt detektierten die Astronomen zwölf Pulse pro Stunde. „Damit unterscheiden sich diese Pulse klar von den typischen, vorübergehenden solaren Radioausbrüchen“, erklärt Yu.

Strahlung von magnetisch beschleunigten Elektronen

Stattdessen legten nähere Analysen nahe, dass die ungewöhnlichen Radiopulse die typischen Kennzeichen einer sogenannten Elektronen-Cyclotron-Maser-Emission (ECM) aufweisen – der Radiostrahlung, die auch von Polarlichtern freigesetzt wird. „Diese Art der Strahlung entsteht, wenn energiereiche Elektronen in aufeinander zu laufenden Magnetfeldlinien gefangen sind“, erklärt Yu. Im irdischen Magnetfeld tritt dieser Effekt auf, wenn Teilchen des Sonnenwinds in den auf die Pole zulaufenden Feldlinien beschleunigt und abgebremst werden.

Doch wo entsteht diese Aurora-Strahlung auf der Sonne? Die Teleskop-Beobachtungen zeigten, dass die Radio-Pulse von einer relativ eng umgrenzten Quelle ausgingen. Sie lag rund 40.000 Kilometer über einem aktiven Sonnenfleck – einem dunkleren, kühleren Gebiet der Sonnenoberfläche. „Die kühleren, stark magnetischen Areale der Sonnenflecken bieten ein günstiges Umfeld für die ECM-Radioemission“, erklärt Yu. Denn über den Sonnenflecken bilden die Magnetfeldlinien große, teilweise verdrillte Schleifen, die hoch über die Sonnenoberfläche hinausragen.

Magnetschlaufen eines Sonnenflecks
Über einem Sonnenfleck sind die solaren Magnetfeldlinien zu hochaufragenden Schleifen verformt. © Lmb/TilmannR, gemeinfrei

Sonnenfleck-Schleifen als Strahlungs-Generatoren

Daraus konnten die Astronomen auf den Mechanismus hinter der solaren Radio-Aurora schließen: „Die von uns beobachtete kohärente Radioemission wird von den Elektronen verursacht, die in den großskaligen Magnetschleifen des Sonnenflecks eingefangen sind“, schreiben die Astronomen. Die dafür nötigen Elektronen stammen wahrscheinlich nicht aus dem Sonnenfleck selbst, sondern wurden von einem weiter weg liegenden Strahlenausbruch in das solare Magnetfeld eingeschleust und in den Bereich über dem Sonnenfleck transportiert.

„Die sporadische Flare-Aktivität in den nahebei liegenden aktiven Regionen scheint Elektronen in die großskaligen Magnetschleifen über dem Sonnenfleck zu pumpen“, sagt Koautor Rohit Sharma von der Fachhochschule Nordwestschweiz. Dort treibt die Interaktion der energiereichen Elektronen mit den Feldlinien dann die ECM-Emission an – und erzeugt so die Radiopulse.

Erster Beleg für eine solare Radio-Aurora

Damit ähneln die neuentdeckten solaren Radio-Pulse in ihren Merkmalen, aber auch im grundlegenden Bildungsmechanismus den klassischen Aurora-Emissionen der Erde und anderer planetarer Polarlichter. Anders ist nur, dass die solare Aurora von den Magnetschleifen von Sonnenflecken ausgeht, statt von den Feldlinien der Polarregion. „Zudem ist diese solare Aurora-Emission tausendfach stärker als die irdische, weil auch das Magnetfeld der Sonnenflecken entsprechend stärker ist“, erklärt Yu.

Das bedeutet, dass es auch auf der Sonne eine Art Aurora gibt – zumindest im Radiowellenbereich. „Dies ist der erste Nachweis einer solchen solaren Radio-Aurora“, sagt Yu. „Es ist eine aufregende Entdeckung, die das Potenzial hat, unsere Vorstellung stellarer magnetischer Prozesse grundlegend zu ändern.“ Die Entdeckung der solaren Radio-Aurora könnte beispielsweise erklären, warum einige Sterne bisher schwer erklärbare Radiopulse ausstrahlen.

„Indem wir diese Signale unserer eigenen Sonne aufklären, können wir auch die starken Radioemissionen von M-Zwergsternen besser interpretieren, einem der häufigsten Sternentypen im Universum“, sagt Yus Kollege Dale Gary. „Das könnte einige fundamentale Fragen zu astrophysikalischen Phänomenen klären helfen.“ (Nature Astronomy, 2023; doi: 10.1038/s41550-023-02122-6)

Quelle: New Jersey Institute of Technology

 

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