Tiefer Kreislauf: Die Grenze zwischen Erdkern und Erdmantel könnte durchlässiger sein als gedacht – auch für in die Tiefe transportiertes Wasser, wie nun Hochdruckexperimente nahelegen. Demnach reagiert das im Mantelgestein gebundene Wasser mit dem flüssigen Eisen des Kerns und bringt dadurch ständig neuen Wasserstoff und Silikate in den Erdkern. Das könnte erklären, warum der Erdkern leichter ist als gedacht, wirft aber auch ein neues Licht auf den irdischen Wasserkreislauf, wie Forschende in „Nature Geoscience“ berichten.
Die Kern-Mantel-Grenze ist eine Schlüsselregion des Erdinneren. Denn dort, in rund 2.900 Kilometer Tiefe, stößt die glutflüssige Eisen-Legierung des äußeren Erdkerns direkt an das rund tausend Grad kühlere, feste Mantelgestein. Entsprechend wichtig ist diese Kontaktzone für den Wärmehaushalt und die chemische Zusammensetzung des Erdinneren. Doch wie viel Austausch an dieser Grenze stattfindet, ist strittig. Einigen Studien zufolge ist der Erdkern undicht und Metall dringt in den Erdmantel ein, andere deuten auf auskristallisierenden Silikatschnee in der äußersten Kernzone hin.
Rätsel um leichte Elemente
Jetzt gibt es weitere Indizien dafür, dass die Kern-Mantel-Grenze durchlässiger ist als gedacht: Sogar Wasser könnte von der Erdoberfläche bis in den unteren Mantel und den Erdkern gelangen, wie Taehyun Kim von der Arizona State University und seine Kollegen herausgefunden haben. Anstoß für ihre Studie gaben Daten, nach denen der äußere Erdkern neben Eisen und Nickel auch leichtere Elemente wie Wasserstoff, Silizium und Sauerstoff enthalten muss.
Doch wie viel und welche leichten Elemente es im Erdkern gibt, ist ebenso strittig wie die Frage, wann und wie sie dorthin gelangten. Die meisten Szenarien gehen zwar davon aus, dass dies schon bei der Entstehung des Erdkerns geschah. Allerdings kann dies weder die gesamte Menge der Beimischungen erklären noch ein weiteres Phänomen: „Es gibt Hinweise auf eine dünne Schicht am oberen Rand des äußeren Erdkerns mit anomal geringen seismischen Laufzeiten“, erklären die Forschenden.
Mit der Plattentektonik in die Tiefe
An diesem Punkt setzt die Studie von Kim und seinem Team an: Sie haben untersucht, ob nicht auch heute noch Wasser und Silizium aus dem Erdmantel in den Kern gelangen können – und in welcher Form. „Seit Beginn der Plattentektonik kann Wasser über die subduzierten Erdplatten in den tiefen Mantel gelangen“, erklären sie. Schätzungen zufolge werden so jährlich rund eine Billion Liter Wasser bis an die Kern-Mantel-Grenze transportiert. Gängiger Theorie nach bleibt dieses gebundene Wasser jedoch im Mantel und wird über die Konvektionsströmungen wieder nach oben gebracht.
Doch was wäre, wenn das Wasser vom unteren Mantel aus bis in den Erdkern vordringt? Ob dies chemisch-physikalisch möglich ist, haben die Forschenden in Hochdruckexperimenten getestet. Dafür setzten sie für den unteren Mantel typische, gebundenes Wasser enthaltende Minerale wie Bridgemanit, Periklas und Seiferit zusammen mit Eisen und Silizium einem Druck von bis zu 140 Gigapascal und Temperaturen von bis zu 3.500 Grad Celsius aus. Mithilfe der Röntgenstreuung und chemischer Analysen untersuchten sie dann, was dabei entstand.
Chemische Grenzgänge im tiefen Inneren
Das Ergebnis: „Unsere Experimente zeigen, dass Wasser aus hydratisierten Mineralen unter diesen Bedingungen mit Eisen-Silizium-Legierungen reagiert“, berichten Kim und seine Kollegen. Diese Reaktion erzeugt Eisenhydride (FeHx) und oxidiert Silizium zu Silikat (SiO2). Dies spricht dafür, dass Mantelminerale mit Komponenten des äußeren Erdkerns reagieren können. „Diese Reaktion deutet auf einen Austausch von Silizium und Wasserstoff zwischen Mantel und Kern hin“, so das Team.
Den Experimenten und ergänzenden Modellen zufolge entsteht durch diese Reaktionen an der Kern-Mantel-Grenze eine dünne äußere Schicht im Erdkern, die mit Eisenhydriden und Silikat angereichert ist. Die Silikate könnten dann im Laufe der Zeit aus auskristallisieren und als eine Art Schnee aufwärts schneien, wie frühere Studien nahelegten. „Dies spricht für eine weit dynamischere Kern-Mantel-Interaktion als bisher angenommen“, sagt Koautor Sang-Heon Shim von der Arizona State University.
Wasserstoff-Nachschub bis heute
Nach Ansicht des Forschungsteams können ihre Ergebnisse erklären, wie ein Teil der leichteren Elemente in den Erdkern gelangt ist: „Unser Modell zeigt, dass Erdmantel und Kern über die geologischen Zeiträume hinweg nicht chemisch voneinander isoliert geblieben sind. Sie könnten auch nach der Kernbildung der frühen Erde noch Elemente ausgetauscht haben“, schreiben Kim und seine Kollegen. Die dabei gebildeten Moleküle würden auch die seismisch anomale dünne Randschicht des Erdkerns erklären.
Gleichzeitig bedeutet dies: Der irdische Wasserkreislauf macht womöglich nicht in der Erdkruste oder dem Erdmantel Halt – er könnte bis in den Erdkern reichen. Denn im Laufe der Jahrmilliarden gelangte immer wieder auch Wasser bis an die Kern-Mantel-Grenze und von dort als Wasserstoff und Silikat in den Erdkern. (Nature Geoscience, 2023; doi: 10.1038/s41561-023-01324-x)
Quelle: Arizona State University