Zoologie

Dem Rattenhass auf der Spur

Von Pest, Ausrottung und Ekel

Ratten sind von uns Menschen nicht unbedingt gern gelitten. Nicht umsonst gilt „Du Ratte!“ als Schimpfwort, ein „Rattenloch“ als schlimme Behausung und unleidige Dinge bringen einen Rattenschwanz an Problemen mit sich. Ihren Ursprung hat die tief verwurzelte Abneigung gegen Ratten unter anderem darin, dass die Tiere als Überträger zahlreicher Krankheiten gelten.

Ratten im Müll
Wenn Ratten in Abfällen wühlen, „sammeln“ sie dabei verschiedenste Erreger. © Chanawat Phadwichit/ Getty Images

Wandelnde Keimherde?

In der Tat können Wanderratten mit ihrem Speichel, Kot und Urin rund 120 Infektionskrankheiten übertragen, wie das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit informiert. Dazu gehören Typhus und Cholera ebenso wie Trichinose, Toxoplasmose und das Hantavirus. Die Ratten nehmen diese Erreger zum Beispiel auf, wenn sie durch menschliche Fäkalien streifen oder in Abfall wühlen. Doch sie selbst erkranken als sogenannte Vektoren meist nicht, sondern geben die Viren und Bakterien lediglich weiter.

Obwohl Ratten so viele Erreger in sich tragen, sind es aber womöglich nicht erheblich mehr als bei anderen Säugetieren, wie einzelne Studien nahelegen. Was die von Ratten transportierten Bakterien und Viren allerdings potenziell gefährlich macht, ist der Fakt, dass viele dieser Erreger an die Infektion von Menschen angepasst sind und deshalb leicht auf uns überspringen und zu schweren Krankheitsverläufen führen können.

Pest Gemälde
Ratten haben in mehreren Pest-Epidemien dazu beigetragen, die Seuche zu verbreiten. © Gemeinfrei

Pest als Imageschaden

Die berüchtigtste Krankheit, bei deren Verbreitung Ratten eine wichtige Rolle gespielt haben, ist die Beulenpest – der „Schwarze Tod“. Die mit ihr einhergehenden eitrigen Schwellungen entlang der Lymphknoten („Beulen“) führen zusammen mit anderen Symptomen in 40 bis 60 Prozent der Fälle zum Tod. Verursacher der Pest ist das Bakterium Yersinia pestis – einer von vielen Erregern, den Ratten in sich tragen können, auch wenn dies in Deutschland heute nicht mehr der Fall ist. Werden die Nager von Rattenflöhen (Xenopsylla cheopis) gebissen, nehmen diese mit dem Rattenblut auch das Bakterium auf und können es wiederum an Menschen weitergeben.

Dieser Mechanismus war der maßgebliche Treiber zahlreicher Pest-Epidemien, zum Beispiel im 19. Jahrhundert in China oder bei heutigen Ausbrüchen auf Madagaskar. Bei der verheerendsten Pest-Epidemie der Geschichte, die ab der Mitte des 14. Jahrhunderts rund ein Drittel der europäischen Bevölkerung dahingerafft hat, spielten Ratten und ihre Flöhe aber wahrscheinlich nur eine untergeordnete Rolle. Die Hauptschuld am „Schwarzen Tod“ des Mittelalters geben Wissenschaftler stattdessen Menschenflöhen und Kleiderläusen, die dank unhygienischer, beengter Bedingungen die Krankheit leicht von Wirt zu Wirt weitertragen konnten.

Und auch sonst kann Ratten keine große „Schuld“ oder zumindest Absicht bei der Übertragung von Krankheiten eingeräumt werden. Denn eigentlich sind sie ziemlich reinliche Tiere, die sich mehrmals täglich säubern und auch gegenseitig putzen. Doch angesichts ihrer Lebensbedingungen in Abfällen und Kanälen reicht selbst das nicht aus, um sich die darin lauernden Erreger vom Leib zu halten.

Bioinvasoren Statistik
Als invasive Art haben Ratten weltweit bereits zahlreiche Spezies ausgerottet. © Doherty et al./ PNAS

Tödliche Invasoren

Trotz potenzieller Gefahren für den Menschen schaden Ratten anderen Tierarten viel mehr – und das ganz unabhängig von ihrem Hang zum „Erregersammeln“. Als invasive Art, die von menschlichen Siedlern selbst in die entlegensten Ökosysteme eingeschleppt wurde, richten die anpassungsfähigen Nager weltweit große Schäden an.

Man schätzt, dass fast ein Drittel aller seit dem Jahr 1500 ausgestorbenen Vogel-, Säugetier- und Reptilienarten auf das Konto von Ratten gehen. Damit sind sie noch schädlicher für die Tierwelt als streunende Katzen. Indem Ratten die Eier und Jungtiere anderer Arten fressen, dezimieren sie deren Bestände oft drastisch. Vor allem auf kleinen, isolierten Inseln treiben sie so ganze Spezies in den Tod.

Doch trotz alledem haben Ratten zahlreiche liebenswerte und verblüffend menschliche Seiten an sich, die vor lauter Ekel und Abneigung häufig übersehen werden.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Ratten
Gefährliche Plagegeister oder schlaue Hausgenossen?

Unsere verborgenen Mitbewohner
Wie Ratten sich die Städte mit uns teilen

Dem Rattenhass auf der Spur
Von Pest, Ausrottung und Ekel

Liebenswerte Nager
Ratten sind sozial, schlau und einfühlsam

Nützlich und ausgenutzt
Ratten im Dienste des Menschen

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