Exotische Struktur: Physiker haben erstmals sogenannte Hopfion-Ringe in einem kristallinen Material erzeugt – ringförmige Magnetstrukturen aus gerichteten Elektronenspins. Die Existenz solcher verdrehten Spin-Ringe wurde schon 1975 vorhergesagt, jetzt haben Forscher sie zum ersten Mal experimentell in einer Metalllegierung erzeugt und nachgewiesen. Spannend sind die Hopfion-Ringe unter anderem deswegen, weil sie dreidimensional beweglich sind und neue spintronische Anwendungen ermöglichen könnten, wie das Team in „Nature“ berichtet.
Unter dem Einfluss von Magnetfeldern werden manche Metalle ferromagnetisch – die Spins ihrer Atome richten sich wie winzige Kompassnadeln alle gleich aus. Doch unter bestimmten Bedingungen können die Spins auch komplexere Muster bilden. Ein Beispiel sind die wirbelförmigen Skyrmionen, eine Art magnetische Mini-Tornados. Solche Magnetstrukturen können sich wie Quasiteilchen verhalten und gelten als mögliche Kandidaten für magnetische Datenspeicher oder Qubits von Quantencomputern.
Hopfionen: Ringe aus verdrillten Spins
Jetzt ist es einem Team um Fengshan Zheng vom Forschungszentrum Jülich erstmals gelungen, eine schon 1975 postulierte Variante solcher Skyrmionen in einem normalen Material zu erzeugen. Dabei handelt es sich um sogenannte Hopfion-Ringe – in sich verdrehte und zu einem Ring geschlossene Skyrmion-Fäden. „Trotz intensiver Forschung an magnetischen Skyrmionen ist die direkte Beobachtung solcher Hopfion-Ringe schwierig und ist bisher erst einmal in einem synthetischen Material gelungen“, erklärt das Team. Eine photonische Variante der Hopfion-Ringe haben Physiker Anfang 2023 erstmals erzeugt.
Für ihr Experiment nutzten die Physiker eine 180 Nanometer dünne Scheibe aus einer Eisen-Germanium-Legierung (FeGe), die sie auf minus 70 bis 90 Grad herunterkühlten. Dann legten sie senkrecht zur Scheibe ein externes Magnetfeld an und beobachteten mithilfe der sogenannten Lorentz-Transmissions-Elektronenmikroskopie, welche Spinstrukturen dabei entstanden.
Erst Randverformungen, dann ein Ring
Anfangs bildeten sich in der Mitte der Scheibe nur drei in sich verdrehte Skyrmion-Fäden, die in Richtung der Feldlinien zeigten. Als das Team die Polung des Magnetfelds umkehrte, begannen sich im Außenbereich der Metallscheibe jedoch magnetische Verwirbelungen zu bilden. Nach einer erneuten Umkehrung und Erhöhung der Magnetintensität entstand dort eine ganz neue Struktur: „Die Randmodulationen kontrahierten in Richtung des Probenzentrums und bildeten einen Hopfion-Ring um die drei Skyrmion-Fäden“, berichten die Physiker.
Damit ist es dem Team erstmals gelungen, die exotischen Hopfion-Ringe in einem kristallinen Material nachzuweisen. „Wir präsentieren direkte Beobachtungsbelege für Hopfionen in Kristallen“, so Zheng und seine Kollegen. „Unsere Ergebnisse sind hochgradig reproduzierbar und stimmen vollkommen mit mikromagnetischen Simulationen überein.“
Dreiecke, Fünfecke und Ringe
Weitere Experimente enthüllten: Die Weite und Form des Hopfion-Rings hängt vor allem von der magnetischen Feldstärke ab. „Mit stärker werdendem Magnetfeld nimmt der Hopfion-Ring erst eine dreieckige Form, dann eine fünfeckige und schließlich eine kreisrunde Form an“, schreiben Zheng und seine Kollegen. Erhöht man die Magnetfeldstärke weiter, nimmt der Abstand zwischen dem Hopfion-Ring und den zentralen Skyrmion-Fäden ab. „Die hellen Punkte der Skyrmion-Fäden berühren schließlich fast den Hopfion-Ring, bevor dieser kollabiert“, so die Physiker. Auch die Zahl der zentralen Skyrmion-Fäden lässt sich variieren.
Die Temperatur spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: „Der Temperaturbereich von 180 bis 200 Kelvin (minus 73 bis 93 Grad Celsius) erwies sich als optimaler Bereich für unser Erzeugungsprotokoll“, berichten die Forscher. Unterhalb dieses Bereichs sind mehr Umkehrungszyklen des äußeren Magnetfelds nötig, bevor sich die Ringe bilden. Liegt die Temperatur höher, entsteht eine Energiebarriere, die die Kontraktion der Randturbulenzen zum Hopfion-Ring blockiert.
„Die von uns gefundenen Hopfionenringe sind möglicherweise die komplexeste Struktur, die jemals experimentell in dreidimensionalen magnetischen Kristallen beobachtet wurde“, sagt Koautor Nikolai Kiselev vom Forschungszentrum Jülich. „Sowohl das physikalische Phänomen selbst als auch die mathematische Eleganz der dahinterstehenden Theorie sind äußerst faszinierend.“
Potenziell relevant für spintronische Anwendungen
Nach Ansicht von Zheng und seinem Team eröffnet diese Entdeckung nicht nur neue Einblicke in die Welt der magnetischen Nanostrukturen, sie könnte möglicherweise auch praktische Relevanz haben. „Zwar ist dieses Phänomen neu und viele seiner potenziell interessanten Eigenschaften müssen erst noch entdeckt werden“, sagt Koautor Filipp Rybakov von der Universität Uppsala in Schweden. „Aber unsere Ergebnisse sind sowohl in fundamentaler Hinsicht als auch aus angewandter Perspektive bedeutsam.“
Ähnlich wie die Skyrmionen könnten die Hopfion-Ringe das Spektrum künftiger spintronischer Anwendungen erweitern – insbesondere deshalb, weil sie anders als die nur zweidimensionalen Skyrmionen dreidimensional sind. „Wir vermuten, dass sich die Hopfion-Ringe in dickeren Proben in drei Dimensionen bewegen und miteinander interagieren können – beispielsweise, indem sie sich entlang der Skyrmion-Fäden bewegen“, schreiben die Physiker.
Als nützlich könnte sich dies unter anderem für magnetische Speichersysteme, für neuromorphe Computer, aber auch für Qubits von Quantencomputern erweisen. Das Team um Zheng will nun die Merkmale der Hopfion-Ringe weiter untersuchen und auch nach weiteren kristallinen Materialien suchen, in denen sich dieses Magnetphänomen erzeugen lässt. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06658-5)
Quelle: Nature, Uppsala University. Forschungszentrum Jülich