Urzeitliche Einwanderer: In Rom entdeckte Fossilien haben sich als die ältesten Zeugnisse moderner Flusspferde in Europa erwiesen. Neudatierungen zufolge sind diese Nilpferd-Relikte bereits 560.000 bis 460.000 Jahre alt und damit älter als frühere Funde in Großbritannien. Die Fossilien bestätigen die Annahme, dass die wasserliebenden Dickhäuter schon früh nach Europa einwanderten und in ausgedehnten Seen- und Flusslandschaften lebten. Erst als diese in der Eiszeit gefroren, verschwanden auch die Flusspferde aus Europa, wie die Forschenden berichten.
Heutzutage leben Flusspferde (Hippopotamus amphibius) zwar ausschließlich in afrikanischen Savannenlandschaften mit Flüssen und Seen, doch bis vor 30.000 Jahren waren die Dickhäuter noch in ganz Europa verbreitet. Unter anderem lebten sie einst im Südwesten Deutschlands – bis die letzte Eiszeit die Tiere schließlich auf europäischem Boden aussterben ließ. Doch während klar ist, wann die Flusspferde aus Europa verschwanden, wird immer noch debattiert, wann die ersten von ihnen einst von Afrika aus Fuß auf unseren Kontinent gesetzt haben.
Ein mysteriöser Schädel
Ein wichtiger Zankapfel in der Debatte um die europäischen Flusspferde ist ein fossiler Schädel aus der Region Tor di Quinto, nördlich von Rom. Das Problem: Seit 70 Jahren ist unklar, wo genau er gefunden wurde. Manche Wissenschaftler nehmen an, dass er aus dem Steinbruch Cava Montanari stammt, andere sehen den Steinbruch Cava Nera Molinario als wahrscheinlicheren Fundort an. Von dort stammen auch fossile Überreste von Rothirschen und Europäischen Waldelefanten.
Dieses Hin und Her hat schließlich dazu geführt, dass der gut erhaltene Flusspferd-Schädel kaum mehr Beachtung gefunden hat, wenn es um die Rekonstruktion der Flusspferd-Verbreitung in Europa ging. Obwohl die Steinbrüche, aus denen er potenziell stammt, bis zu 560.000 Jahre altes Gestein bergen, wurde stattdessen ein 100.000 Jahre alter Schädel aus dem britischen Barrington als ältester Nachweis eines europäischen Flusspferds gewertet. Gängiger Theorie nach müssten die wasserliebenden Dickhäuter aber schon deutlich früher nach Europa gekommen sein.
Älteste Flusspferd-Überreste kommen aus Rom
Forschende um Beniamino Mecozzi von der Sapienza-Universität in Rom haben den Fall um den italienischen Schädel nun nochmal neu aufgerollt. Denn als sie das Fossil im Jahr 2021 restaurierten, stießen sie in seinem Inneren auf unscheinbare Sedimentreste, die nur von seiner Original-Fundstelle stammen konnten. Indem Mecozzi und seine Kollegen diese Sedimente analysierten, konnten sie erstmals mit Sicherheit sagen, woher genau der Schädel stammt, und somit auch, wie alt er ist.
Das Ergebnis: Der fossile Flusspferd-Schädel stammt aus Cava Montanari und wurde dort einst vor 560.000 bis 460.000 Jahren abgelagert, wie die Forschenden berichten. „Das stellt das früheste eindeutige Vorkommen moderner Flusspferde in Europa dar“, schreiben Mecozzi und seine Kollegen. Der Schädel ist somit der bei weitem älteste Nachweis für die Existenz europäischer Flusspferde und löst den bisherigen Rekordhalter aus Großbritannien mit Leichtigkeit ab. Sein Alter passt außerdem deutlich besser zu bisherigen Theorien der Flusspferd-Einwanderung.
Wasserlandschaft war Voraussetzung
Die Neudatierung verrät auch mehr darüber, wie die Landschaft rund um Rom vor einer halben Million Jahren ausgesehen haben muss. „Moderne Flusspferde sind in besonderem Maße auf das Vorhandensein von Wasser angewiesen und daher Indikatoren für feuchte Bedingungen und milde Winter“, so Mecozzi und sein Team. „Daher weisen die Funde auf das Vorhandensein von Wasser in Form von Seen, Teichen oder Flüssen hin.“
Erst als das Klima abkühlte und diese Wasserkörper während der letzten Eiszeit gefroren, wurden die Flusspferde aus Europa verdrängt und kommen seither nur noch in Afrika vor. (PLoS ONE, 2023; doi: 10.1371/journal.pone.0293405)
Quelle: PLoS ONE