Mikrobiologie

Was Wüstenlagunen über das erste Leben verraten

Bauten von mikrobieller Wohngemeinschaft in extremer Umgebung entdeckt

Grüne Hügel aus Stromatolithen gedeihen am Grund einer Lagune in der argentinischen Puna de Atacama.
Grüne Hügel aus Stromatolithen gedeihen am Grund einer Lagune in der argentinischen Puna de Atacama. © Brian Hynek

Zeitreise zu den Anfängen des Lebens: In einem unwirtlichen Lagunensystem in der argentinischen Atacama-Wüste haben Geologen ein ungewöhnliches und möglicherweise einzigartiges Ökosystem gefunden – Stromatolithen, die den Mikroben-Sediment-Komplexen der irdischen Urzeit ähneln. Diese mikrobiellen Gebilde vermitteln ein Bild davon, wie vor 3,5 Milliarden Jahren das erste Leben auf der Erde ausgesehen haben könnte – und vielleicht auch auf dem Mars.

An manchen Orten der Welt wächst absolut nichts. Es gibt aber auch Lebewesen, die selbst unter widrigsten Umständen noch gedeihen. Diese Extremophilen tolerieren zum Beispiel extrem hohe oder niedrige Temperaturen sowie Salzkonzentrationen, Trockenheit oder Sauerstoffmangel. Meist handelt es sich dabei um Bakterien oder einzellige Archaeen. Ein Forschungsteam um den Geologen Brian Hynek von der University of Colorado Boulder hat nun in einer abgelegenen Region in Argentinien ein ganzes Ökosystem entdeckt, das ungewöhnlich extremophile Lebewesen beherbergt.

Lagunenlandschaft in Hochebene

Die Atacama-Hochebene liegt mehr als 3.600 Meter über dem Meeresspiegel und besteht aus weiten Salzebenen, die von Bergen umgeben sind. Weil es in dieser unwirtlichen Umgebung so gut wie nie regnet und die Sonne unbarmherzig strahlt, leben dort nur sehr wenige Pflanzen und Tiere. Das trockene, kalte Gebiet gilt als extrem lebensfeindlich.

Doch als Hynek Satellitenaufnahmen der Puna de Atacama im Nordwesten Argentiniens betrachtete, fielen ihm dort größere, lagunenähnliche Stellen auf – Hinweise auf zuvor unerkannte Gewässer in dieser hochgelegenen Einöde. Der Forscher unternahm eine Expedition dorthin, um diese Wüstenlagunen genauer zu erforschen. „Mancherorts versanken wir bis zu den Knien im Salzmatsch“, berichtet er.

Auf der Hochebene angekommen, bestätigte sich seine Vermutung: Auf einer Fläche von rund 100.000 Quadratmetern erstreckt sich dort ein Netzwerk aus zwölf kristallklaren Lagunen mit stark salzigem und saurem Wasser.

So sehen die mikrobiellen Lebensgemeinschafen der Stromatolithen in der Atacama-Wüste aus.© University of Colorado Boulder

Mikrobengemeinschaft unter harschen Konditionen

Die noch größere Überraschung zeigte sich jedoch in den Lagunen: Unter Wasser entdeckten Hynek und seine Kollegen mehrere grüne Erhebungen, die etwa 4,50 Meter breit und mehrere Meter hoch waren. Im Inneren waren sie rosafarben. Nach vorläufiger Einschätzung der Forscher handelt es sich dabei um sogenannte Stromatolithen – felsähnliche Formationen aus Sedimentschichten, die von mikrobiellen Wohngemeinschaften gebildet werden. Diese wachsen schrittweise zu Hügeln an, ähnlich wie Korallen, die Millimeter für Millimeter ein Riff aufbauen.

Demnach leben auch in den Lagunen einige Mikroorganismen in einer solchen Wohngemeinschaft zusammen, die sich jedoch von den sonst heute lebenden Exemplaren unterscheidet. Denn die in Argentinien entdeckten Gemeinschaften sind deutlich größer als andere heutige Stromatolithen, wie sie zum Beispiel auf den Bahamas vorkommen. Dafür ähneln sie den Stromatolithen, die während der Erd-Frühzeit vor etwa vier Milliarden Jahren existierten und bis zu sechs Meter hoch wurden, meint Hynek. In dieser Periode der Erdgeschichte gab es in der Atmosphäre fast keinen Sauerstoff.

Welche Eigenschaften haben die Stromatolithen?

Im Gegensatz zu heutigen Stromatolithen, die passiv wachsen, indem sie im Meer treibende Sandkörner und andere Stoffe einfangen, zogen urzeitliche Stromatolithen offenbar aktiv Calcium und Kohlendioxid aus dem Wasser, wie Hynek berichtet. Durch diesen Vorgang lagerten sich um die Mikroorganismen herum Mineralien wie Gips ab. Auch die Erhebungen in den Atacama-Lagunen bestehen hauptsächlich aus Gips. Damit ähnelten sie in ihrem Aussehen und Aufbau mehr den Fossilien von archaischen Mikrobengemeinschaften als den modernen Stromatolithen.

Aufgebrochene Stromatolithformation mit rosafarbenem Inneren
Die Geologen brachen eine Stromatolithformation auf und legten ihr rosafarbenes Zentrum frei. Weitere Stromatolithen wachsen unter Wasser in der Nähe. © Brian Hynek

In den urzeitlichen Varianten lebten Photosynthese betreibende Cyanobakterien zusammen mit Archaeen, wie frühere Studien zeigten. Dabei bildeten die Archaeen einen rosafarbenen Kern und die Cyanobakterien eine grüne Hülle. Auch wenn die in der Atacama-Wüste entdeckten Stromatolithen dieselben Farbmuster aufweisen, ist bislang noch nicht bestätigt, ob sie aus ähnlichen Mikroorganismen bestehen und ob sie ebenfalls aktiv wachsen. Die Forschenden wollen die Lagunen zeitnah erneut untersuchen, um die Mikroben genauer zu analysieren.

Einblick in frühes Leben auf der Erde und dem Mars

Auch warum sich die Mikroorganismen genau dort ansiedelten, ist noch nicht sicher. Die Geologen vermuten aber, dass die raue Umgebung in den Lagunen den Bedingungen ähneln, die einst auf der ganzen Erde herrschten. „Diese Lagune könnte eines der besten modernen Beispiele für die frühesten Lebenszeichen auf der Erde sein“, sagt Hynek. „Es ist anders als alles, was ich je gesehen habe, oder eigentlich alles, was ein Wissenschaftler jemals gesehen hat.“

Die Mikrobengemeinschaften könnten möglicherweise auch einen beispiellosen Einblick in die Entstehung des Lebens auf dem Mars geben, dessen Klima vor Milliarden von Jahren dem der Erde ähnelte, wie Hynek erklärt. Die Atacama-Wüste gilt bis heute als Mars-Analog. „Das Verständnis dieser modernen Gemeinschaften auf der Erde könnte uns darüber informieren, worauf wir achten sollten, wenn wir nach ähnlichen Merkmalen im Marsgestein suchen“, sagt er.

Die Entdeckung der fremden Umgebung sei der „größte Heureka-Moment seines Lebens“, so Hynek, der zuvor bereits in der Antarktis und auf dem höchsten aktiven Vulkan der Erde nach Lebenszeichen von anderen Planeten gesucht hat. „Es ist einfach erstaunlich, dass man auf unserem Planeten immer noch solche undokumentierten Dinge finden kann“, sagt der Geologe.

Bedrohter Lebensraum

Den Wissenschaftlern könnte jedoch die Zeit davonlaufen. Denn ihren Angaben zufolge hat ein Unternehmen das Gebiet gepachtet, um dort künftig Lithium abzubauen. Dadurch könnten sich die Lagunen verändern und das ganze Ökosystem bereits in wenigen Jahren verschwunden sein, warnen die Forschenden. „Wir hoffen, dass wir einige dieser Standorte schützen oder zumindest detailliert beschreiben können, was sich dort befindet, bevor es für immer verschwindet oder zerstört wird“, so Hynek. (Jahrestreffen der American Geophysical Union in San Francisco, 2023)

Quelle: University of Colorado Boulder

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