Archäologie

Kamen die ersten Amerikaner über das Eis?

Erste Menschen könnten den Kontinent über das Küsten-Meereis besiedelt haben

Inuitfrau
Wie und wann gelangten die ersten nach Amerika eingewanderten Menschen von der Bering-Landbrücke aus nach Süden? © IPGGutenbergUKLtd/ Getty images

Eiszeit-Rätsel: Bisher ist unklar, wie die ersten Ureinwohner Amerikas von der Bering-Landbrücke aus nach Süden gelangten, denn mächtige Eispanzer versperrten ihnen den Weg. Jetzt liefern Mikrofossilien und Klimarekonstruktionen eine mögliche Antwort. Demnach könnten diese ersten Besiedler das winterliche Meereis entlang der Pazifikküste als Umgehungsroute genutzt haben. Dies ermöglichte es ihnen, starke Meeresströmungen und Inlandeis zu vermeiden, bot ihnen aber dennoch genügend Ressourcen zum Überleben.

Wann und wie die ersten Menschen den amerikanischen Kontinent besiedelten, ist noch immer strittig. Klar scheint, dass die Vorfahren der Ureinwohner während oder nach der letzten Eiszeit über die Bering-Landbrücke aus Asien einwanderten. Doch der Weg weiter nach Süden und in das Kontinentinnere war ihnen bis vor rund 12.500 Jahren durch mächtige Eisschilde versperrt. Dennoch sprechen Steinwerkzeuge, Bearbeitungsspuren an Tierknochen und Fußabdrücke dafür, dass Menschen schon vor mindestens 23.000 Jahren – auf dem Höhepunkt der Eiszeit – im südlichen Nordamerika präsent waren.

Mögliche Routen
Eisbedeckung und mögliche Migrationsrouten von der Bering-Landbrücke aus nach Süden während verschiedener Phasen der letzten Eiszeit. © Praetorius et al./ PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Probleme durch Eisberge und starke Strömung

Doch wie sind sie dorthin gelangt? Einer Theorie nach könnten diese ersten Einwanderer entlang der Westküste nach Süden gezogen sein. Mithilfe einfacher Flöße könnten sie die teils vereisten Küstengewässer passiert und dort auch von den reichen Fischbeständen profitiert haben. Doch im Jahre 2020 enthüllte eine Rekonstruktion, dass es gegen Ende der Eiszeit starke Nordwärts-Strömungen in diesen Küstengewässern gab, die eine solche Bootspassage deutlich erschwert hätte.

„Die Umweltbedingungen entlang des Kordilleren-Küstenkorridors waren im späten Pleistozän ungünstig und es bleibt unklar, ob die Küstenroute in dieser Periode überhaupt passierbar war oder ob nicht Küstengletscher, starke Strömungen und Meereis die Passage blockierten“, erklären Summer Praetorius vom US Geological Survey (USGS) und ihre Kollegen. Sie haben Mikrofossilien aus dem Küstensediment jener Zeit und weitere Klimadaten analysiert, um die Bedingungen während der eiszeitlichen Einwanderung zu klären.

Meereis-Straße statt Küsten-Flöße?

Es zeigte sich: Während der letzten Eiszeit gab es zwar einige mildere Klimaperioden, dennoch waren die Bedingungen für eine Südwärtsmigration entlang der Küste in diesen Zeiten sehr eingeschränkt. Vor allem bei den sogenannten Siku-Ereignissen während des Eiszeit-Höhepunkts waren die Nordwärts-Strömungen doppelt so stark wie heute und Gletscherzungen und Eisberge hätten den Weg per Floß oder Boot behindert. Die Passage für die Neuankömmlinge wäre dadurch trotz milderen Klimas stark erschwert, so Praetorius und ihr Team.

Doch es gab eine Alternative: „Wir glauben, dass das stabile Winter-Meereis die frühen Küsten-Migrationen erleichtert haben könnte“, erklären die Forschenden. Ähnlich wie noch heute die Inuit Nordamerikas könnten die eiszeitlichen Einwanderer diese vor der Küste liegende Meereisfläche für ihre Wanderung genutzt haben. „Statt gegen die heftige Gletscherströmung anpaddeln zu müssen, könnten sie einfach das Meereis als Straße genutzt haben“, so Praetorius.

Günstige Zeitfenster selbst auf dem Eiszeit-Höhepunkt

Den Rekonstruktionen nach wäre das Klima für eine solche Meereis-Passage in der Zeit vor 24.000 bis 22.000 Jahren und vor 16.400 bis 14.800 Jahren besonders günstig gewesen. Denn in diesen Zeiten war das küstennahe Meer im Winter von stabilem Meereis bedeckt, während es im Sommer eisfreie Refugien entlang der Pazifikküste gab. Dies hätte es den Menschen damals ermöglicht, im Winter Meeressäuger und Vögel auf dem Eis zu jagen und sich im Sommer von Fischen und Meeresfrüchten zu ernähren.

Diese Ergebnisse könnte demnach erklären, wie es die ersten Ureinwohner Amerikas schafften, noch während der Eiszeit von der Beringstraße aus nach Süden zu ziehen und schon vor rund 20.000 Jahren im Süden Nordamerikas und noch weiter südlich präsent zu sein. Vor rund 14.000 Jahren ließen dann auch die starken Strömungen an der Nordwestküste Nordamerikas allmählich nach, sodass ab dann auch der Seeweg nach Süden frei wurde. Dies könnte dann einen weiteren Schub der menschlichen Besiedlung Amerikas ermöglicht haben. (American Geophysical Union Annual Meeting (AGU23), Abstract)

Quelle: American Geophysical Union

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Eiszeiten - Die frostige Vergangenheit der Erde...

Wattenmeer

Doggerland - Auf der Suche nach dem versunkenen Paradies der Nordsee

Bücher zum Thema

Die Eiszeiten - Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte von Hansjürgen Müller-Beck

Eine kurze Geschichte der Erde - Eine Reise durch 5 Milliarden Jahre von J. D. Macdougall

Die Ursprünge der Menschheit - von Fiorenzo Facchini

Top-Clicks der Woche