Dialog zwischen Hirn und Darm: Signale aus dem Darm können bekanntermaßen unser Gehirn beeinflussen. Doch das „Gespräch“ funktioniert offenbar auch andersrum, wie eine Studie enthüllt. Demnach wandern auch Zellen vom Gehirn in den Darm und bringen mitunter schädliche Substanzen mit. Das könnte erklären, warum einige neurologische Erkrankungen wie Parkinson auch von Veränderungen im Darm begleitet sind.
Über die sogenannte Darm-Hirn-Achse reguliert unser Körper verschiedenste Prozesse. So können Prozesse in unserem Darm sich nicht nur lokal auf die Verdauung, Stoffwechsel und Darmflora auswirken, sondern über das Gehirn auch auf unsere psychische Gesundheit und das Nervensystem. Viele neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Multiple Sklerose oder Depressionen hängen mit Entzündungen im Darm zusammen, wie frühere Studien zeigen. Bekannt ist zudem, dass dabei oft Immunzellen aus dem Darm oder von Darmmikroben erzeugte Substanzen ins Gehirn wandern.
Proteine aus dem Hirn auch im Darm
Ob diese Kommunikation auch in umgekehrter Richtung – vom Hirn zum Darm – funktioniert, hat nun ein Team um Rhonda McFleder vom Uniklinikum Würzburg untersucht. Dafür verwendeten die Neurobiologin und ihre Kollegen Mäuse mit Parkinson-ähnlichen Symptomen im Gehirn und analysierten, ob und welche Stoffe neuronalen Ursprungs sich im Darm der Tiere wiederfinden.
Dabei stellten sie fest, dass sich im Dünndarm der Mäuse auch Alpha-Synuclein-Proteine nachweisen ließen. Diese fehlgefalteten Proteine gelten als ein Leitsymptom der Parkinsonerkrankung und sammeln sich bei Betroffenen im Gehirn an, verklumpen und lösen das Absterben von Gehirnzellen aus. Der Nachweis des Alpha-Synuclein-Proteins im Mäusedarm passt zu früheren Studien, bei denen dieses Protein auch im Darm menschlicher Parkinson-Patienten gefunden wurde – sogar bevor diese neurologische Symptome zeigten.
Der Nachweis der Parkinson-typischen Proteine im Darm legt die Vermutung nahe, dass sich die α-Synuclein-Proteine in beiden Organen in Nervenzellen anreichern und dort Störungen verursachen können.
Wie gelangen die Proteine in Makrophagen?
Interessanterweise fanden McFleder und ihre Kollegen die Alpha-Synuclein-Ansammlungen jedoch nicht in den Darmnerven, sondern in den Makrophagen des Mäusedarms. Wie aber waren die neuronalen Proteine in diese Fresszellen des Immunsystems gelangt? Um das herauszufinden, sequenzierten die Wissenschaftler die RNA der Makrophagen in verschiedenen Organen der Mäuse. Das gab ihnen Aufschluss über die Art und Funktion der Immunzellen.
Der Vergleich zeigte, dass sich im Gehirn und Dünndarm dieselbe Makrophagen-Sorte befand. In beiden Fällen handelte es sich um CD11c+-Zellen, die einen ähnlichen Stoffwechsel aufweisen wie bestimmte Neuronen und daher Alpha-Synuclein-Proteine von Nervenzellen übernehmen können. In anderen Immunorganen wie der Milz fehlte diese Makrophagen-Sorte dagegen, wie die Forschenden berichten.
Keine Einbahnstraße
Das belegt jedoch noch nicht, dass der Transport wirklich in beide Richtungen funktioniert. „Um eindeutig zu testen, ob Makrophagen vom Gehirn in den Darm wandern, haben wir eine Methode entwickelt, mit der wir Zellen im Gehirn markieren und ihre Wanderung in andere Organe verfolgen können“, schildert McFleder das weitere Vorgehen ihres Teams. Dabei verwendeten sie eine grün fluoreszierende Proteinmarkierung, die nach Anregung durch Licht rot wurde.
Der Befund belegte: „Zellen können tatsächlich auch vom Gehirn in den Darm wandern. Die Kommunikation zwischen Gehirn und Darm ist damit keine Einbahnstraße“, erklärt McFleder. „Unsere Ergebnisse lassen auch vermuten, dass diese einzigartige Kommunikation an der Ausbreitung der Parkinson-Krankheit beteiligt ist.“
Erkenntnisse könnten auf andere Krankheiten übertragbar sein
Doch die beobachtete Makrophagenwanderung traf nicht nur auf die Mäuse mit Parkinson, sondern auch auf die Kontrollgruppe zu. Bei diesen hatten die Fresszellen jedoch keine Alpha-Synuclein-Proteine an Bord. „Wir haben gesehen, dass Makrophagen nicht nur bei Parkinson, sondern auch unter Kontrollbedingungen vom Gehirn in den Darm wandern. Das verleiht den Befunden eine breitere Relevanz für andere neurologische Erkrankungen“, erklärt Seniorautor Chi Wang Ip vom Universitätsklinikum Würzburg. „So wie diese Zellen die Pathologie bei der Parkinson-Krankheit vorantreiben, könnten sie auch die Ausbreitung bei anderen neurologischen Erkrankungen fördern“, vermutet er.
In weiteren Studien wollen McFleder und ihr Team nun die wandernden Immunzellen genauer untersuchen und diejenigen Moleküle identifizieren, welche die Makrophagen gezielt in den Darm leiten. „Dann können wir Medikamente entwickeln, die diese Moleküle blockieren, und so hoffentlich den Krankheitsverlauf bei Parkinson und anderen neurologischen Erkrankungen aufhalten“, sagt McFleder. (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-43224-z)
Quelle: Universitätsklinikum Würzburg