Wie tief ist das Wasser? Und wo liegt der Nullwert für diese Messungen? In der Ostsee gab es für dieses Seekartennull bisher verschiedene Referenzwerte – jetzt wurde dies erstmals vereinheitlicht. Das neue „Baltic Sea Chart Datum 2000“ beruht auf neuen Schwerefeldmessungen, die alle gravitationsbedingten Beulen und Dellen in der Meeresoberfläche genau erfasst haben. Das neue einheitliche Seekartennull ist auch für die Satellitennavigation entscheidend.
Die Angabe der Wassertiefe auf einer Seekarte ist für die Schifffahrt entscheidend – gerade in einem so flachen Meer wie der Ostsee. Das Problem jedoch: Die Meeresoberfläche und damit der Nullwert solcher Tiefenmessungen ist nicht überall auf der gleichen Höhe. Durch Gezeiten, Windstau und kleine Unterschiede in der Erdanziehungskraft variieren die Pegel je nach Standort. Daher muss es für Seekarten und die computergestützte Navigation einen offiziellen Nullwert geben, der einen allgemeingültigen Bezugspunkt bietet.
„Die Ostsee ist ein relativ flaches Meer, in dem viele Schiffe unterwegs sind. Genaue Wassertiefen sind hier essentiell für eine sichere Schifffahrt“, erklärt Helge Heegewaldt, Präsident des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Nur so können Schiffe bestmöglich beladen und Routen effizienter geplant werden.
Schwerefeld der Ostsee neu vermessen
Doch in der Ostsee fehlte ein solcher einheitlicher Bezugswert. Stattdessen nutzte nahezu jeder Ostseeanrainer-Staat sein eigenes Seekartennull, abgeleitet aus dem mittleren Meeresspiegel oder örtlichen Pegeln. „Dies verursachte Höhenunterschiede im Nullwert benachbarter Seekartenblätter und bildete ein fundamentales Hindernis für die Einführung grenzüberschreitender elektronischer Seekarten und Navigationsdienste“, erklären Gunter Liebsch vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) und seine Kollegen.
Um Abhilfe zu schaffen, wurden in den letzten Jahren hochpräzise Messungen des regionalen Schwerefelds in der Ostseeregion durchgeführt. Denn kleine lokale Unterschiede in der Erdanziehungskraft erzeugen Beulen und Dellen in der Meeresoberfläche – und verändern damit den Bezugsrahmen für die Wassertiefe. Im Laufe der letzten zehn Jahre wurden daher große Bereiche der Ostsee mithilfe von Messschiffen neu vermessen und alle Unregelmäßigkeiten der Erdanziehungskraft genau kartiert.
Einheitliche Bezugsebene für alle Ostseeanrainer
Mit positivem Ergebnis: „In den meisten Bereichen der Ostsee erfüllen die verfügbaren Daten jetzt die Anforderungen an Präzision und Datendichte, die für die Berechnung eines Geoidmodells benötigt werden“, berichten Liebsch und sein Team. Ein solches Modell zeigt alle lokalen Dellen und Beulen des Schwerefelds und ermöglicht so die Berechnung einer einheitlichen Höhenbezugsfläche. Das neue Modell legt gleichzeitig das neue, nun für die ganze Ostsee gültige Seekartennull fest, das die früheren nationalen Referenzwerte ablöst.
In Deutschland gilt schon seit 2022 ein Referenzwert, der dem neuen Seekartennull entspricht. Dadurch ändern sich die Wassertiefen in den offiziellen Seekarten des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie nicht. Alle elektronischen Karten der Ostseeanrainer werden entsprechend angepasst. Dadurch können globale Satellitennavigationssysteme einfacher für die Navigation verwendet werden. Dies ebnet auch den Weg für eine zunehmend automatisierte Schifffahrt. (International Hydrographic Review, 2023; Release Note Baltic Sea Chart Datum 2000)
Quelle: Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG)