Viele der evolutionären Anpassungen auf unserem Planeten haben wir eher zufällig bewirkt. Es war schließlich nicht unsere bewusste Entscheidung, Elefanten ohne Stoßzähne zu schaffen oder Schwalben mit kürzeren Flügeln. Doch es gibt auch Fälle, in denen wir ganz bewusst Gott gespielt haben, in denen wir Tiere und Pflanze so lange miteinander gekreuzt haben, bis schließlich das erwünschte Produkt dabei herauskam. Evolutionsbiologen würden das als künstliche Selektion bezeichnen, der Volksmund nennt es Zucht.
Freunde und Feinde
Wie wir die Lebewesen um uns herum verändern, hängt vor allem damit zusammen, welche Rolle sie für uns spielen. Ein Forschungsteam um Andrew Hendry von der kanadischen McGill University unterscheidet in dieser Hinsicht zwischen Freunden und Feinden des Menschen: „Im Falle von Feinden – wie Unkraut, Schädlingen und Krankheitserregern – wollen wir in der Regel deren Vorkommen und Auswirkungen verringern, was wir durch verschiedene Bekämpfungsmaßnahmen wie Unkrautjäten, Herbizide, Pestizide, Antibiotika oder Abschuss versuchen.“
Freunde hingegen – vor allem Nutzpflanzen sowie Nutz- und Haustiere – wollen wir so verändern, dass sich ihre guten, für uns nützlichen Eigenschaften weiter verbessern. Das gelingt uns, indem wir entscheiden, welche zwei Individuen sich miteinander fortpflanzen dürfen. Möchten wir zum Beispiel, dass eine Schafrasse mehr Wolle produziert, kreuzen wir jene Tiere miteinander, die die meiste Wolle haben. Und das so lange, bis die Nachkommen irgendwann wandelnde Wollberge sind.
Von Chihuahua bis Brokkoli
Auf diese Weise gelang es uns auch, aus dem Wolf im Laufe einiger tausend Jahre über 350 verschiedene Hunderassen zu züchten, die sich in Verhalten und Aussehen mitunter drastisch voneinander unterscheiden. Und aus der wilden Senfpflanze sind im Laufe der Zeit verschiedene Gemüsesorten entstanden, darunter Brokkoli, Kohlrabi und Blumenkohl.
Unser Hang zur Verbesserung der Natur schlägt sich außerdem in immer feineren Details nieder. Hatten die Menschen vor ein paar Jahrhunderten zum Beispiel noch das simple Ziel, Schweine mit möglichst viel Fleisch zu erschaffen, geht es mittlerweile schon darum, geruchlose Eber zu kreieren. Bislang war das Fleisch der männlichen Schweine nur genießbar, wenn man die Tiere bereits als Ferkel kastrierte.
Ziegenmilch mit Spinnenseide
Die bislang drastischste und invasivste Form der künstlichen Selektion ist aber die Erfindung der Gentechnik. Durch sie lässt sich der genetische Code eines Lebewesens so verändern oder mit dem anderer Organismen kombinieren, dass wir Lebensformen ganz nach unseren Wünschen und Bedürfnissen gestalten können. Mit diesen Werkzeugen lassen sich zum Beispiel Tiere mit kleinen Abwandlungen züchten wie Rinder ohne Hörner, aber auch deutlich ausgefallenere „Produkte“.
Ein besonderes außergewöhnliches, durch Gentechnik entstandenes Tier ist die sogenannte Spinnenziege. Mithilfe von eingesetzter Spinnen-DNA kann sie Spinnenproteine in ihrer Milch herstellen, die sich dann zu Seide spinnen lassen, einem der stärksten und dehnbarsten Materialien der Welt. Zum industriellen Einsatz ist diese Methode allerdings nicht effizient genug.
Ein weiteres Beispiel für die Macht der Gentechnik ist ein im Labor designter Lachs. Der „AquAdvantage Salmon“ ist ein Atlantischer Lachs, dem sowohl die DNA des pazifischen Königslachses als auch die des aalähnlichen Zoarces americanus beigemischt wird. Dadurch wächst der AquAdvantage Salmon doppelt so schnell wie normaler Atlantischer Lachs und braucht gleichzeitig ein Viertel weniger Futter. Diese Vorteile haben ihn zum ersten gentechnisch veränderten Tier qualifiziert, das je für die menschliche Ernährung zugelassen wurde.
Wer also schon immer wissen wollte, wie Evolution im Eiltempo schmeckt, findet die Antwort in US-amerikanischen Kühltheken.