Quasseln statt Grübeln: Im Gespräch zu zweit entwickelt man die kreativsten Ideen, wie Forschende herausgefunden haben. So veröffentlichen beispielsweise kleinere Forschungsteams deutlich häufiger originelle und bahnbrechende Erkenntnisse als größere Gruppen. Eine mögliche Ursache dafür ist die Neigung von Menschen, sich bei vielen Personen dem häufig konventionellen Gruppenkonsens unterzuordnen. Dadurch bleiben innovative, auf den ersten Blick abseitige Ideen oft auf der Strecke.
Die Kreativität ist eine tief in unserer Natur verwurzelte Fähigkeit – erst sie könnte uns Menschen zu einer so erfolgreichen Spezies gemacht haben. Heute sind neue Gedankengänge gerade in Forschung und Technik der Schlüssel zum Erfolg – ohne sie lassen sich die großen Fragen unserer Zeit nicht lösen. Unsere Fähigkeit zum kreativen Denken umfasst dabei sowohl die Kombination bekannten Wissens zu neuen Lösungen als auch die Entwicklung völlig neuer Ideen.
Als besonders fruchtbar gilt dabei der kreative Austausch zwischen mehreren Menschen: In der Kommunikation miteinander ordnen sich die Gedanken automatisch, der Gesprächspartner liefert neue Informationen und Anstöße. So erlangen wir Ideen, die uns allein nicht zugänglich waren. Studien zeigen zudem, dass das direkte Miteinander neue Ideen eher fördert als das bloß digitale Brainstorming mittels Videokonferenz.
Forschungserfolg und Gruppengröße
Aber wie viele Gesprächspartner genau brauchen wir, damit kreative Ideen entstehen? Mit dieser Frage befassen sich Martin Lercher von der Universität Düsseldorf und Itai Yanai von der New York University. Ihre Antwort basiert auf einer Studie aus dem Jahr 2019: Dort untersuchten die Autoren anhand von 65 Millionen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Patenten und Softwareprodukten, bei welcher Teamgröße am ehesten innovative Konzepte entstehen und der Forschungserfolg am größten ist.
Wie die Wissenschaftler feststellten, führen Veröffentlichungen mit nur ein bis drei Autoren deutlich häufiger neue Konzepte ein, die den Kurs des Fachgebiets verändern könnten. Arbeiten mit mehr Autoren hingegen entwickeln eher existierende Konzepte weiter. „Artikel, die von vielen Autoren publiziert worden sind, werden viel zitiert, aber enthalten selten kreative Ideen, während die kreativsten Arbeiten typischerweise von einer, zwei oder drei Personen geschrieben sind.“, fasst Lercher zusammen.
Zum Denken braucht es zwei
Nach Ansicht des Forschers bedeutet dies, dass kleine Gruppen besonders gut kreative Ideen hervorbringen: „Man könnte denken, je mehr Leute ich zusammentue, desto mehr Gehirnpower habe ich und desto besser komme ich auf neue Ideen – das ist ja auch die Idee hinter Brainstorming. Aber tatsächlich scheint es so zu sein, dass kleine Gruppen kreativer sind.“ Ideal für den kreativen Austausch sei demnach die kleinstmögliche Gruppe: zwei Menschen. Die Dynamik großer Gruppen störe dagegen eher den kreativen Prozess.
Grund hierfür sei, dass in großen Gruppen oft nicht unbedingt die klügsten, sondern die lautesten Stimmen dominieren, so die Wissenschaftler. Die anderen Gruppenmitglieder ordnen sich dann dem etablierten Gruppenkonsens unter und stellen ihre eigenen Gedanken hintan. So werden unkonventionelle Ideen schnell unterdrückt und ausgesiebt. Da man sich im Zwiegespräch nicht unbedingt gegenseitig beeindrucken muss, spielen soziale Dynamiken dort eine geringere Rolle, wie Lercher und Yanai erklären.
Aus dem Improtheater: Die „Yes, and…“ Methode
Idealerweise wählt man dann noch einen Gesprächspartner, den man gut kennt: „Es kann sehr hilfreich sein, eine Beziehung zu einem ‚wissenschaftlichen Kumpel‘ aufzubauen, zu jemandem, mit dem wir uns wohlfühlen und mit dem wir mühelos kommunizieren können. Zu einem Menschen, der uns helfen kann, Hürden zu überwinden, wenn wir nicht weiterkommen.“, so Lercher und Yanai. Dadurch bekommen unkonventionelle Ideen mehr Raum.
Um den kreativen Prozess noch weiter zu unterstützen, empfehlen die Forscher die „Yes, and…“ Methode. Diese stammt eigentlich aus dem Improtheater: Um Szenen nicht frühzeitig abzuwürgen, reagiert man dort auf jeden Impuls des Gegenübers positiv bestätigend „Ja.“ und ergänzt dann eigene Ideen „und außerdem“. Für Wissenschaftler bedeutet das: Nicht mit „Nein, aber …“ nach den Schwachstellen einer Argumentation zu suchen, sondern mit „Ja, und außerdem …“ in jeder Idee des Gegenübers etwas Wertvolles zu entdecken.
Soziale Spezies, kreativer Prozess
Die Autoren vermuten einen tieferen evolutionären Grund für den kreativitätsfördernden Effekt von Gesprächen: Im Verlauf der Menschheitsgeschichte haben unsere Vorfahren gelernt, sich Herausforderungen gemeinsam zu stellen. Als soziale Spezies sind wir dafür gemacht, Probleme in Kooperation zu lösen, und das Gespräch ist eines der ältesten Werkzeuge zur Ideenfindung. (Nature Biotechnology¸ 2024; doi: 10.1038/s41587-023-02074-2)
Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf