Bausteine des Lebens: Forschende haben rekonstruiert, wie auf der Urerde erste Zellmembranen entstanden sein könnten. In einem Laborexperiment imitierten sie dafür die chemischen Bedingungen, die an alkalischen hydrothermalen Quellen im Ozean herrschen. Wie sich zeigte, können dort aus einfachen Bausteinen langkettige Fettsäuren und damit die Komponenten der Zellmembran entstehen. Solche heißen Quellen könnten demnach die Wiege des ersten Lebens auf der Erde gewesen sein.
Wie und wo vor rund 3,5 Milliarden Jahren das erste Leben auf der Urerde entstanden ist, ist bis heute eines der größten Rätsel der Wissenschaft. Bekannt ist nur, dass es irgendwann erste molekulare Lebensbausteine wie Aminosäuren, Nukleinsäure-Basen sowie RNA und DNA gab. Doch woher diese Moleküle kamen und wie sich die ersten organischen Moleküle zu Zellmembranen und ersten Zellen organisierten, ist bisher unklar.
Warme Quellen auf der Urerde imitiert
Ein Forschungsteam um Graham Purvis von der Newcastle University hat nun untersucht, ob und wie sich unter den Bedingungen alkalischer heißer Quellen am Meeresgrund erste Zellstrukturen gebildet haben könnten. Dafür imitierten die Wissenschaftler im Labor die chemischen Bedingungen, die an solchen hydrothermalen Austritten warmer, mineralreicher Flüssigkeit in den Ozean herrschen. Sie mischten Wasserstoff (H2), Bicarbonat (HCO3) und das eisenhaltige Mineral Magnetit (Fe2O3) in einer alkalischen wässrigen Lösung mit einem pH-Wert um 9 bei 90 Grad Celsius. Nach 16 Stunden untersuchten sie mit Spektroskopen, welche Produkte unter diesen Konditionen entstehen.
Die Analysen ergaben, dass aus den Bausteinen verschiedene organische Moleküle entstanden, unter anderem mit funktionellen Methyl-, Hydroxyl-, Carboxyl- und Estergruppen. Darunter war überraschend auch eine Mischung langkettiger gesättigter und ungesättigter Fettsäuren mit bis zu 18 Kohlenstoffatomen. Diese organischen Moleküle haben eine Region, die Wasser anzieht, und eine, die Wasser abweist. In einer wässrigen Lösung bilden Fettsäuren daher quasi automatisch halbdurchlässige Barriere-Strukturen aus zwei Lagen, die den Membranen in lebenden Zellen ähneln.
Bausteine bilden Zellmembranen
Purvis und seine Kollegen schließen daraus, dass die ersten Zellmembranen aus diesen Fettsäuren hervorgegangen sein könnten – und dass alkalische hydrothermale Schlote im Urozean die nötigen Bedingungen dafür geboten haben könnten. „Zellkompartimente, die die darin ablaufenden chemischen Reaktionen von der äußeren Umgebung abschirmen, waren für die Entstehung des Lebens von zentraler Bedeutung“, erklärt Purvis. „Möglicherweise waren diese Kompartimente bereits an den frühesten Momenten des Lebens beteiligt, indem sie die organischen Chemikalien konzentrierten und die Energieerzeugung über Ionengradienten erleichterten.“
Die Ergebnisse zeigen, wie und wo aus anorganischen Bausteinen die ersten organischen Moleküle entstanden sein könnten, aus denen die ersten rudimentären Zellmembranen bestanden. „Dieser Prozess könnte eine Vielfalt von Membrantypen hervorgebracht haben, von denen einige möglicherweise als Wiege des Lebens dienten“, so Purvis. Damit verbessert die Studie das Verständnis darüber, wie das irdische Leben entstanden ist.
Wie wurden aus Membranen Zellen?
„Wir glauben, dass diese Forschung den ersten Schritt zur Entstehung des Lebens auf unserem Planeten darstellen könnte“, ergänzt Seniorautor Jon Telling von der Newcastle University. In Folgestudien will sich das Team nun auf den zweiten Schritt konzentrieren und untersuchen, wie sich die Ur-Membranen von den mineralischen Oberflächen lösten und kugelförmige, zell-ähnliche Kompartimente formten. Die Forschenden vermuten, dass sich erst in diesem Zustand die ersten Urzellen bildeten, aus denen später einzellige und mehrzellige Organismen hervorgingen.
Purvis und seine Kollegen vermuten, dass ähnliche membranbildende Reaktionen auch heute noch stattfinden könnten – und zwar in den subglazialen Ozeanen von Eismonden in unserem Sonnensystem, darunter dem Jupitermond Europa oder dem Saturnmond Enceladus. (Communications Earth & Environment, 2024; doi: 10.1038/s43247-023-01196-4)
Quelle: Newcastle University