Über dem Limit: Im Herzen einer frühen Galaxie haben Astronomen das bisher älteste Schwarze Loch aufgespürt. Es existierte schon 400 Millionen Jahre nach dem Urknall. Das Überraschende jedoch: Dieses rund eine Million Sonnenmassen schwere Schwarze Loch „frisst“ schneller als es dürfte – sein Verschlingen von Materie überschreitet das sogenannte Eddington-Limit um das Fünffache, wie das Team in „Nature“ berichtet. Das könnte erklären, wie solche frühen Schwerkraftgiganten so schnell so stark heranwachsen konnten.
Es ist eines der großen Rätsel der Astronomie: Beobachtungen zeigen, dass es schon im frühen Kosmos erstaunlich massereiche Schwarze Löcher gab. Schon rund 700 Millionen Jahre nach dem Urknall gab es demnach Quasare von mehr als 1,5 Milliarden Sonnenmassen. Und selbst noch ältere Schwarze Löcher brachten immerhin schon mehrere Millionen Sonnenmassen auf die Waage. Doch wie wurden sie so schnell so groß? Gängiger Theorie nach entstehen supermassereiche Schwarze Löcher durch allmähliches Wachstum aus stellaren, bei Supernovae entstandenen Vorgängern.
Doch die Akkretionsrate – das Maß, mit dem ein solches Schwarzes Loch Materie verschlingt – ist durch das sogenannte Eddington-Limit begrenzt. Die Zeit seit dem Urknall war daher eigentlich zu knapp, um so massereiche Schwarze Löcher zu bilden. Wie aber könnten die frühen Riesen dann so schnell gewachsen sein? Als mögliche alternative Erklärungen dafür gelten die Verschmelzung mehrerer Schwarzer Löcher zu intermediären „Loch-Keimlingen“ oder auch der Kollaps massereicher Gaswolken. Auch eine Akkretion jenseits des Eddington-Limits wird diskutiert.
Spektraler Fingerabdruck eines Schwarzen Lochs
Jetzt haben Astronomen um Roberto Maiolino von der University of Cambridge einen weiteren dieser frühen Schwerkraftgiganten aufgespürt – das bisher fernste und älteste Schwarze Loch. Entdeckt haben sie es in der fernen Galaxie GN-z11. Diese existierte schon rund 400 Millionen Jahre nach dem Urknall und war bereits in Hubble-Aufnahmen wegen ihrer ungewöhnlichen Helligkeit aufgefallen. Um zu klären, woher diese Leuchtkraft kommt, analysierte das Team nun das Licht von GN-z11 mit dem NIRSpec-Spektrometer des James Webb-Teleskops.
Das Ergebnis: Im Spektrum zeigten sich gleich mehrere Spektrallinien, die auf die Präsenz eines aktiven Schwarzen Lochs im Zentrum von GN-z11 hindeuten. Einer der Indikatoren für einen solchen aktiven Galaxienkern (AGN) war eine doppelte Spektrallinie von ionisiertem Neon (Ne-IV). „NeIV ist ein eindeutiger AGN-Tracer, weil für diese Linie Photonen mit Energien von mehr als 63,5 Elektronenvolt nötig sind“, erklären Maiolino und seine Kollegen. Auch eine für AGN typische Kohlenstoff-Linie konnte sie identifizieren.
Zu schwer für sein Alter
Die Galaxie GN-z11 muss demnach ein aktives Schwarzes Loch beherbergen. Dieses existierte schon 400 Millionen Jahre nach dem Urknall und ist damit das älteste bisher bekannte Schwarze Loch, wie die Astronomen berichten. Sie schätzen, dass dieser frühe Schwerkraftgigant rund eine Million Sonnenmassen schwer war. Damit ist auch er bereits ungewöhnlich massereich. Damit stellt sich die Frage, wie dieser frühe Gigant so schnell so stark heranwachsen konnte.
Einen möglichen Hinweis darauf liefert die Strahlung, die der frühe Riese abgibt. Wie die Astronomen ermittelten, entspricht seine Leuchtkraft dem enormen Energieausstoß von 10 hoch 45 erg pro Sekunde. „Eine solche Leuchtkraft wäre um den Faktor fünf höher als das Eddington-Limit“, berichten sie. Sollte sich dies bestätigen, müsste dieses frühe Schwarze Loch fünfmal schneller und mehr Materie verschlingen als die theoretisch postulierte Obergrenze für die Akkretion.
Wachstum jenseits des Eddington-Limits?
„Eine solche Super-Eddington-Akkretion ist eines der Szenarien, das für schnellwachsende supermassereiche Schwarze Löcher im frühen Universum vorgeschlagen wurde“, erklären Maiolino und seine Kollegen. Demnach könnten solche frühen Objekte zumindest für eine gewisse Zeit das Eddington-Limit überschritten. Dadurch hätte auch der aktive Kern von GN-z11 in nur wenigen hundert Millionen Jahren genügend Materie aufgenommen, um von einem stellaren Schwarzen Loch bis auf die beobachtete Größe heranzuwachsen.
Für die Wirtsgalaxie dieses „überaktiven“ Galaxienkerns hätte dies allerdings nachhaltige Folgen: Die intensive Strahlung des Schwarzen Lochs bläst einen Großteil des interstellaren Mediums aus der Galaxie hinaus – und damit den Gasvorrat, aus dem sonst neue Sterne entstehen würden. Dadurch kommt die Sternbildung weitgehend zum Erliegen und die Galaxie bleibt entsprechend klein. Tatsächlich haben die Astronomen bei GN-z11 erste Hinweise auf ein starkes Absacken der Sternbildungsrate entdeckt.
Erklärung für ungewöhnliche Leuchtkraft
Die Entdeckung des überaktiven Schwarzen Lochs könnte aber noch ein weiteres Rätsel lösen: die ungewöhnliche Helligkeit von GN-z11 und anderen frühen Galaxien. „Das AGN-Szenario liefert eine natürliche Erklärung für die außergewöhnlich Leuchtkraft von GN-z11“, schreiben die Forschenden. Wenn die zentralen Schwarzen Löcher dieser Galaxien mehr Materie verschlingen als gedacht, dann ist auch ihr Strahlungsausstoß entsprechend höher. Das wiederum könnte die hohe Leuchtkraft solcher Galaxien erklären. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07052-5)
Quelle: Nature, University of Cambridge