Stabiler Schatten und wanderndes Licht: Astronomen der Event-Horizon-Kollaboration haben ihr berühmtestes Zielobjekt erneut ins Visier genommen – das supermassereiche Schwarze Loch M87*. Ziel war es, zu überprüfen, ob sich dessen Schattenzone und Lichtring so verhalten, wie Einstein es vorhergesagt hat. Das Ergebnis: Die neue, mit mehr Teleskopen und höherer Bandbreite erstellte Aufnahme bestätigt Einsteins Theorien – und zeigt, wie sich der leuchtende Plasmaring um den Ereignishorizont seit der ersten Aufnahme verändert hat.
Im Jahr 2017 richteten sich die gekoppelten Radioteleskope des Event-Horizon-Verbunds (EHT) zum ersten Mal auf das Zentrum der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M87. Das Ergebnis war im Jahr 2019 das erste Foto eines Schwarzen Lochs. Es zeigte den dunklen, zentralen Schatten des supermassereichen Schwerkraftgiganten, umgeben vom hellen Lichtring der heißen, um den Ereignishorizont kreisenden Gase. Spätere Analysen dieser Daten enthüllten auch die Magnetfelder, den von Einstein vorhergesagten Photonenring und das leichte „Wackeln“ des Ereignishorizonts.
Auf den ersten Blick schienen alle beobachteten Merkmale des Schwarzen Lochs – darunter sein Durchmesser und die leicht asymmetrische Helligkeit des Lichtrings – mit den Vorhersagen von Einsteins Relativitätstheorie übereinzustimmen. Um das Bild zu generieren, mussten die Rohdaten der Radioteleskope jedoch in einem aufwendigen, teils durch Modellrechnungen ergänzten Verfahren aufbereitet werden. Außerdem kann eine einzige Beobachtung nicht erfassen, wie sich der Lichtring im Laufe der Zeit verändert.
Schärferer Blick auf M87*
Deshalb haben die Astronomen der Event-Horizon-Kollaboration das Schwarze Loch im April 2018 erneut anvisiert. „Wiederholte Beobachtungen von M87* ermöglichen es uns, die Kinematik des Materieflusses auf das schwarze Loch zu untersuchen und die komplexe Physik der Strahlungserzeugung von den geometrischen Effekten der allgemeinen Relativitätstheorie zu trennen“, erklärt Thomas Krichbaum vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Dies ist ein weiterer Schritt zum besseren Verständnis der Schwarzen Löcher.“
Ein weiterer Vorteil: Die neue Beobachtungskampagne umfasste mehr Radioteleskope, darunter das jenseits des Polarkreises gelegene Grönland-Teleskop, und zeichnete die Daten in vier Frequenzbändern auf – doppelt so viele wie beim ersten Foto. Um aus den gesammelten Daten ein Bild zu generieren, wurden die Aufnahmen der verschiedenen Teleskope und von mehreren Tagen mithilfe spezieller Algorithmen miteinander verrechnet.
Durchmesser passt zu Einstein und dem ersten Bild
Jetzt haben die Astronomen das Ergebnis veröffentlicht: das zweite Porträt des Massegiganten M87*. Auf den ersten Blick unterschiedet es sich kaum von der ersten Aufnahme: Es zeigt einen dunklen zentralen Schatten und einen genauso großen, hellen Lichtring. Doch genau dies ist das Entscheidende: „Das neue Bild beweist damit, dass die Analyse, die dem ersten Bild eines Schwarzen Lochs zugrunde lag, tatsächlich korrekt und genau war“, erklärt Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt.
So bestätigt die neue Aufnahme, dass der Lichtring von M87* einen Durchmesser von rund 43 Mikrobogensekunden hat. Dies stimmt mit den früheren Messungen überein und entspricht genau der Größe, die Einsteins Relativitätstheorie für ein solches Schwarzes Loch mit sechs Milliarden Sonnenmassen vorhersagt. „Auf dem Gebiet der Astrophysik Schwarzer Löcher ist dieses neue Bild ein Beweis für die Beständigkeit und Stabilität des Schattens von M87*“, erklärt Michael Janssen vom MPI für Radioastronomie.
Wandernde Zone im Lichtring
Spannend ist jedoch auch, was sich innerhalb des Lichtrings von M87* getan hat. Denn die Zone größter Helligkeit hat ihre Lage seit 2017 deutlich verändert. Sie ist von einer Position am unteren „Südpol“ des Lichtrings um rund 30 Grad gegen den Uhrzeigersinn gewandert, wie die Radiodaten zeigen. „Die faszinierende Rotation in der Helligkeitsasymmetrie gibt Vertrauen in unser aktuelles Verständnis des Akkretionsflusses“, sagt Janssen.
Den gängigen Theorien nach werden diese Helligkeits-Asymmetrie und ihre Verschiebung durch das Verhalten der heißen, um den Ereignishorizont rasenden Gase erzeugt. Demnach erscheint die Zone des Lichtrings heller, von der ein Jet aus energiereichen, schnellen Teilchen ausgeht. Durch die Wechselwirkungen zwischen dem Jet, der Rotation des Schwarzen Lochs und den Bewegungen des Materials im Ring kommt es zu einer allmählichen Verlagerung dieser hellen Zone, wie ein Team um von Maciek Wielgus vom MPI für Radioastronomie bereits 2020 theoretisch postulierte.
„In unserer Arbeit kamen wir zu dem Schluss, dass M87* beständig als Ring erscheinen sollte, mit einer geringen Variation des Ringdurchmessers und einer größeren Variabilität der Lage des Helligkeitsmaximums“, erklärt Wielgus. Genau dies haben die neuen Aufnahmen von M87* nun bestätigt.
Alle Vorhersagen bestätigt
Damit bestätigt die neue Aufnahme sowohl theoretische Annahmen zu Schwarzen Löchern als auch die Korrektheit des ersten Fotos vom Schwarzen Loch M87*. „Für die Wissenschaft ist dies ein äußerst wichtiges Ergebnis“, sagt Rezzolla. „Alle Vorhersagen zum Aussehen des Schwarzen Lochs M87*, die wir auf Grundlage von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie gemacht haben, werden durch das zweite Bild von M87* bestätigt.“
Die Astronomen der Event-Horizon-Kollaboration bereiten derweil schon ihre nächste Beobachtungskampagne vor, die im April 2024 stattfinden wird. Auch das Schwarze Loch M87* steht dabei erneut auf der Liste der Zielobjekte. Inzwischen sind elf Radioteleskope und -observatorien weltweit und mehr als 300 Wissenschaftler am EHT-Verbund beteiligt. (Astronomy & Astrophysics, 2024; doi: 10.1051/0004-6361/202347932)
Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Goethe-Universität Frankfurt am Main