Elektronen mit „Übergewicht“: Physiker haben erstmals ein zweidimensionales Schwerfermionen-Metall erzeugt – eine nur wenige Atome dicke Metalllegierung mit ungewöhnlichen Eigenschaften. In dieser nun in „Nature“ vorgestellten 2D-Variante eines „Strange Metal“ sind Elektronen auf spezielle Weise an Magnetspins gekoppelt. Dadurch scheinen sie eine bis zu tausendfach größere Masse zu haben als normal – und dies verleiht dem Metall exotische elektrische und thermische Merkmale.
Sogenannte „Strange Metals“ sind für ihr ungewöhnliches Verhalten bekannt: Sie werden bei sehr tiefen Temperaturen oft supraleitend, leiten den Strom bei Erwärmung aber deutlich schlechter als normale Metalle. Einige dieser seltsamen Metalle zeigen sogar eine völlig neue Form des Ladungstransports. Auch in ihrer Magnetisierbarkeit reagieren diese Materialien ungewöhnlich. Die Ursachen dieser Anomalien sind erst in Teilen geklärt, unter anderem spielt dabei die quantenphysikalische Kopplung der Elektronen eine Rolle.
Kopplung macht Elektronen schwer
Ein Sonderfall der „Strange Metals“ sind die sogenannten Schwerfermionen-Metalle. In diesen sorgt eine Kopplung der Elektronen mit den magnetischen Spins der Atome für das exotische Verhalten. Die Elektronen werden dadurch zu Quasiteilchen mit einer bis zu tausendfach höheren effektiven Masse als normal. „Solche Schwerfermionen-Metalle gelten dadurch als Prototyp-Systeme für die Erforschung von Quantenphasen, die durch Elektroneninteraktion entstehen“, erklären Victoria Posey von der Columbia University in New York und ihre Kollegen.
Das Problem jedoch: In der gängigen dreidimensionalen Form solcher Metalle lassen sich die Quanteneigenschaften nur schwer beobachten und kontrollieren. Deswegen suchen Forschende schon länger nach Methoden, solche Schwerfermionen-Metalle auch in zweidimensionaler Form zu erzeugen – als nur wenige Atomlagen dünne Schicht. Posey und ihr Team haben daher gezielt nach Elementkombinationen gesucht, die sowohl einlagige Schichten bilden als auch das für die exotischen Metalllegierungen typische Elektronenverhalten zeigen.
Sandwich aus drei Elementen
Fündig wurden die Physiker bei einer Verbindung aus Cer, Silizium und Iod. Diese Elemente bilden unter bestimmten Bedingungen eine Art Sandwichstruktur, in der die einzelnen Lagen über Van-der-Waals-Kräfte verknüpft sind. Dabei bilden die in einem wabenförmigen Gitter angeordneten Siliziumatome die „Füllung“ des Sandwichs, die von beiden Seiten mit Ceratomen und ganz außen Iod eingerahmt wird. Diese Legierung, CeSiI, wurde schon 1998 entdeckt und galt als mögliches Schwerfermionen-Metall. Doch in dickeren Schichten ließ sich dies nicht eindeutig nachweisen.
Dem Team um Posey ist es nun erstmals gelungen, die CeSiI-Legierung als zweidimensionales Material herzustellen. Dafür mischten sie Silizium und Ceriodid (CeI3) in einer inerten Stickstoffatmosphäre und erhitzten diese Mischung langsam über mehrere Stunden hinweg auf knapp 1.000 Grad. „Die resultierenden Kristalle besitzen einen kupferähnlichen Glanz“, berichten die Forschenden. Der Clou dabei: Ähnlich wie bei Graphen lassen sich von diesen Kristallen mithilfe eines Klebebands einzelnen Schichten der Legierung abziehen.
Klare Indikatoren für eine Schwerfermionen-Natur
Das Ergebnis war ein zweidimensionaler metallischer Kristall aus CeSiI, den Posey und ihr Team nun auf sein Elektronenverhalten hin untersuchen konnten. Dafür analysierten sie das 2D-Metall mittels Rasterkraftmikroskop und führten Messungen der Wärmekapazität durch. Die Resultate verglichen sie mit denen einer strukturell ähnlichen, aber nicht zu den Strange Metals gehörenden Lanthan-Silizium-Iod-Verbindung.
„Indem wir beide Materialien verglichen haben – eines mit magnetischen Spins und eines ohne – konnten wir bestätigen, dass es sich beim zweidimensionalen CeSiI um ein Schwerfermionen-Metall handelt“, berichtet Posey. Dies zeigte sich unter anderem durch die anomal hohe Wärmekapazität, eine sprunghafte Veränderung der Leitfähigkeit bei tiefen Temperaturen und bestimmte Resonanzbanden im Energiespektrum.
Wertvolle Basis für weitere Forschung
„Unsere Ergebnisse etablieren damit das Van-der-Waals-Metall CeSiI als 2D-Schwerfermionen-Antiferromagneten“, konstatieren die Forschenden. Damit habe man nun eine wertvolle Plattform für die Erforschung exotischer Quantenzustände und grundlegender Physik geschaffen. „Indem wir CeSiI am 2D-Limit manipulieren, können wir neue Wege hin zu einer Quantenkritikalität erkunden – und das könnte uns wieder dabei helfen, neuartige Materialien zu entwickeln“, erklärt Poseys Kollege Michael Ziebel. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-023-06868-x)
Quelle: Columbia University