Reicht nicht mehr: Klimaforscher schlagen vor, die bisher fünfstufige Hurrikan-Skala nach oben zu erweitern. Denn durch den Klimawandel mehren sich schon jetzt Wirbelstürme, die stärker sind als ein normaler Kategorie-5-Hurrikan. Eine neue Kategorie 6 der Saffir-Simpson-Skala würde die Bedrohung durch solche „Super“-Stürme besser kommunizieren. Schon bei zwei Grad Erwärmung könnte sich das Risiko für solche Kategorie-6-Hurrikans in der Karibik verdoppeln, in Südostasien stiege es dann um das Eineinhalbfache, wie die Forscher berichten.
Wirbelstürme brauchen Wasserdampf als „Treibstoff“ – je mehr es davon gibt, desto stärker und langlebiger werden sie. Deshalb begünstigt die Erwärmung der Meere durch den Klimawandel die Bildung von besonders starken Hurrikans und Taifunen. Zudem verlängert sie die Sturmsaison, verlagert die Sturmpfade in höhere Breiten und verkürzt die Abstände zwischen aufeinanderfolgenden Hurrikans. Selbst Europa könnte häufiger von ehemaligen Wirbelstürmen getroffen werden.
Reicht die Hurrikan-Skala noch?
Wie stark ein Wirbelsturm ist, verrät bisher die fünfstufige Saffir-Simpson-Skala. Sie beruht auf Messungen der maximalen Windgeschwindigkeit in zehn Meter Höhe. Die fünfte und höchste Kategorie gilt ab Windgeschwindigkeiten von 250 Kilometern pro Stunde – sie ist jedoch nach oben hin offen. Das bedeutet: Selbst extreme Wirbelstürme können bisher maximal in Kategorie 5 eingestuft werden – und werden deshalb möglicherweise unterschätzt, beispielsweise bei einer Hurrikanwarnung.
„Die nach oben offene Skala kann zu einer Unterschätzung des Risikos führen – und dies ist in einer sich erwärmenden Welt besonders problematisch“, erklären Michael Wehner vom Lawrence Berkeley National Laboratory und James Kossin von der University of Wisconsin-Madison. Denn als Folge der Klimaerwärmung steht den Wirbelstürmen mehr Energie zur Verfügung und sie werden stärker. „Es werden daher immer neue Windgeschwindigkeitsrekorde gebrochen werden“, so die Forscher.
Schon fünf Super-Stürme jenseits Kategorie 5
Deshalb plädieren die beide Klimaforscher dafür, die Saffir-Simpson-Skala durch eine sechste Stufe zu ergänzen. Diese soll dann Wirbelstürme umfassen, die höhere maximale Windgeschwindigkeiten als 309 Kilometer pro Stunde zeigen. Von solchen „Superstürmen“ der vorgeschlagenen Kategorie 6 hat es in jüngster Zeit bereits fünf gegeben – alle in den letzten neun Jahren, wie das Team berichtet. Der stärkste dieser Ausnahmestürme war der Wirbelsturm Patricia, der im Oktober 2015 Mexiko traf – er ist der bisher stärkste je registrierte pazifische Hurrikan.
Der bekannteste der fünf Super-Wirbelstürme war jedoch der Taifun Haiyan. Er traf im November 2013 die Philippinen und überzog das Land mit Windböen von bis zu 379 Kilometern pro Stunde. Die Kombination von Sturm, Starkregen und Fluten forderte mehr als 10.000 Todesopfer. Nach Ansicht der Forscher belegen diese Fälle, dass eine eigene Kategorie für solche besonders schweren Wirbelstürme sinnvoll ist – schon um ihre Gefährlichkeit besser zu kommunizieren.
Risiko für Kategorie-6-Hurrikans steigt
In ergänzenden Analysen haben Wehner und Kossin auch die physikalischen Faktoren hinter den Superstürmen untersucht. Dafür werteten sie aus, wie viel Energie durch die aufsteigende warmfeuchte Luft an die Obergrenze der Troposphäre transportiert wird – dies gilt als ein Maß für den „Treibstoff“ eines Hurrikans. Als Datenbasis nutzten sie Messwerte des European Centre for Medium Range Weather Forecasting aus der Zeit von 1979 und 2019.
Das Ergebnis: „Die Wahrscheinlichkeit, dass die Werte die Schwelle zur Kategorie 6 überschreiten, hat sich in der Zeit von 1999 bis 2018 gegenüber dem vorangehenden Zeitabschnitt fast verdreifacht“, berichten die Forscher. Und dieser Trend wird sich noch verstärken, wie eine Modellsimulation ergab. Besonders davon betroffen sind Südostasien und die Karibik: Für die Philippinen steigt das Risiko für einen Kategorie-6-Wirbelsturm bei einer Erwärmung um zwei Grad um das Eineinhalbfache. In der Karibik verdoppelt sich das Risiko für einen Super-Hurrikan sogar.
Starkregen und Sturmfluten bisher außen vor
Nach Ansicht von Wehner und Kossin liefert diese Entwicklung genügend Argumente, um die Saffir-Simpson-Skala zu erweitern. „Die Kommunikation des Hurrikan-Risikos ist schon jetzt ein vieldiskutiertes Thema“, erklären sie. Denn seit 2010 werden Starkregen und begleitende Sturmfluten nicht mehr in der Hurrikan-Skala berücksichtigt – obwohl sie oft weit größere Schäden anrichten als der Sturm selbst.
Das demonstrierte beispielsweise Hurrikan Harvey, der im August 2017 weite Teile von Texas unter Wasser setzte – obwohl er nur Kategorie 4 erreichte und sich rapide abschwächte. „Die Ergänzung der Hurrikan-Skala durch eine sechste Kategorie löst dieses Problem zwar nicht. Es könnte aber das Bewusstsein für die wachsende Gefahr durch besonders starke Wirbelstürme schärfen“, konstatieren die Forscher. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2308901121)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences