Archäologie

Wozu dienten Stonehenge und Co?

Megalith-Anlagen als Ritual-Ort, Kalender und Festplatz

Schon seit Entdeckung der ersten Megalith-Anlagen steht eine Frage im Vordergrund: Wozu dienten diese Monumente? Bis heute erwecken die enormen Dimensionen von Stonehenge und Co Staunen und Faszination, viele Menschen empfinden sie auch heute noch als spirituelle Orte. Doch wofür errichteten die jungsteinzeitlichen Erbauer diese Steinkreise, Steinreihen und Menhirgruppen?

So könnte das befestigte Steinzeit-Dorf von Le Peu einst ausgesehen haben. © Ard et al. Antiquity, CC-by 4.0

Steine für die Götter, Holz und Lehm für die Lebenden

Angesichts des enormen Aufwands und der für keinen Alltagszweck nutzbaren Anordnung und Form der Megalith-Anlagen liegt nahe, dass sie eine nicht-alltägliche Funktion gehabt haben müssen. Denn sie eigneten sich weder zum Wohnen noch zu einer sonstigen praktischen Tätigkeit. Dafür spricht auch eine Wohnsiedlung der Erbauer früher Megalith-Monumente, die Archäologen im Südwesten Frankreichs entdeckt haben.

„Die Entdeckung von Le Peu und die Ausgrabungen liefern uns ein erstes Bild davon, wie die Siedlungen der Megalith-Erbauer einst aussahen“, erklärt Vincent Ard von der französischen Forschungsorganisation CNRS. Die rund 6.400 Jahre alte Steinzeitsiedlung La Peu liegt nur rund 2,5 Kilometer von einer Ansammlung mehrerer Großgräber der Megalithkultur entfernt. Das Dorf umfasste mehrere große rechteckige Gebäude, umgeben von einem Doppelgraben und einer Holzpalisade.

Das Interessante daran: Obwohl diese Menschen für ihre Gräber und Monumente tonnenschwere Steine transportierten und auftürmten, bauten sie ihre Wohnhäuer aus einfachen Holzbalken und Flechtwerk. Nach Ansicht der Archäologen spricht dies dafür, dass die Erbauer der Megalith-Monumente zwei ganz unterschiedliche Formen der Architektur entwickelten und nutzten – eine für die Götter und die Toten sowie eine für die Lebenden. „Für ihre Gebäude waren demnach Holz und Erde die bevorzugten Baumaterialien, während Stein die Welt ihrer Toten dominierte“, so Ard und sein Team.

Festmahl, Prozessionen und gemeinsame Arbeit

Archäologen interpretieren Anlagen wie Stonehenge und Co daher als Stätten, an denen besondere Feste und religiöse Zeremonien stattfanden. Tatsächlich sprechen in Stonehenge und dem nahe Durrington Wells gefundene menschliche Überreste und Knochen von hunderten Schweinen und anderen Tieren dafür, dass sich zu bestimmten Zeiten große Gruppen von Menschen an diesen Orten versammelt haben.

„Bei diesen großen Ereignissen spielten wahrscheinlich drei Bestandteile eine wichtige Rolle: das gemeinsame Festmahl, Prozessionen und gemeinsame Arbeit“, erklärt der Prähistoriker John Chapman von der Durham University. Vermutlich mischten sich dabei rituelle und praktische Zwecke: Man versprach sich übernatürlichen Beistand, half aber auch mit, das Heiligtum zu erhalten und ausbauen. Denn die Um- und Neubauten der gewaltigen Anlagen waren nur durch die gemeinsame Arbeit hunderter, wenn nicht sogar tausender Menschen möglich.

Stonehenge
Orte wie Stonehenge könnte Heiligtum, Festplatz und Kalendermarker zugleich gewesen sein. © Pipop Boosarakumwadi/ iStock

Die Versammlungen und rituellen Feste an Megalith-Heiligtümern könnten ein wichtiger Kitt für die Gesellschaft der Jungsteinzeit gewesen sein. Denn sie boten die Chance, die religiösen und sozialen Vorstellungen der normalerweise weit verstreuten Gemeinschaften gewissermaßen zu „eichen“. „Nirgendwo sonst in der damaligen kulturellen Welt konnten Familiengruppen so viele Fremde mit dem gleichen kulturellen Hintergrund oder sogar ‚fremde Fremde‘ aus weit entfernten Orten treffen“, sagt Chapman. Dies förderte die soziale Bindung zwischen den Gruppen und auch den Aufbau von weitreichenden Netzwerken.“

Sonne, Mond und Jahreszeiten

Anlass und Zeitgeber für diese Zusammenkünfte waren vermutlich bedeutsame Zeitpunkte im Jahresverlauf, wie die Wintersonnwende, der durch bestimmte Sterne markierte Frühlingsanfang oder die Tagundnachtgleiche. Diese am Himmel beobachtbaren Ereignisse waren vermutlich schon in der Jungsteinzeit bekannt und dienten als Marker beispielsweise für die Aussaat oder Ernte.

Dafür spricht, dass die meisten Megalith-Anlagen nach solchen astronomischen Bezügen ausgerichtet waren. Strittig ist allerdings, wie präzise diese Kalenderfunktion beispielsweise von Stonehenge war. Während einige Archäologen in der komplexen Megalith-Anordnung dieses Steinkreises einen „Mondcomputer“ oder sogar einen bis auf den Tag genauen Sonnenkalender erkennen wollen, sehen andere dies eher klassischen Fall eines selektiven Wunschdenkens.

Doch trotz all dieser Theorien und Schlussfolgerungen bleibt die Megalith-Kultur ein Rätsel. Warum ihre Erbauer in Carnac Dutzende parallele Steinreihen errichteten, woanders aber vorwiegend riesige Steinkreise und Einzelreihen, bleibt ungeklärt. Und auch über Feste und Zeremonien, die sich in Stonehenge, Carnac und Co abgespielt haben, können Archäologen nur spekulieren.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das Rätsel der Megalithe
Wer waren die Erbauer der prähistorischen Steinmonumente?

Lange vor Stonehenge
Die Anfänge der Megalith-Kultur

Das Mysterium des Gigantismus
Warum waren die Steine so riesig und wie wurden sie transportiert?

Wozu dienten Stonehenge und Co?
Megalith-Anlagen als Ritual-Ort, Kalender und Festplatz

Monumente für die Toten
Von Dolmen, Grabhügeln und Ganggräbern

Großstein-Bauten überall
Wer erfand die Megalith-Kultur?

Der Steinzeit-Adel
Initiierte eine elitäre Priesterkaste die Megalith-Bauwerke?

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